Verlage vs. Journalismus

In der westlichen Welt setzt man „Qualitätsjournalismus“ (was auch immer das ist) gerne mit „Verlagen“ gleich. Ohne Verlage, kein Journalismus, ohne Journalismus, keine Pressefreiheit und ohne Pressefreiheit ist sowieso alles vorbei. Ich stelle mir aber seit einiger Zeit die Frage, ob das so überhaupt noch stimmt.

Man könnte den Eindruck bekommen, dass Verlage die leere Hülle des Journalismus und der Pressefreiheit zunehmend instrumentalisieren, um die eigenen wirtschaftlichen Ziele durchsetzen zu können (Leistungsschutzrechte, Adresshandel usw.). Das es Zeitungen gibt, die ganz unverhohlen im Sinne der Konzernpolitik verfahren, hat die ARD ja gerade wieder mal erfahren dürfen. Die „Bild“ hatte in einer mehrteiligen, sehr kritischen Reportage über „Missstände“ und ähnliche Dinge in der ARD berichtet. Kann man machen, klar, und vermutlich gibt es auch nicht wenig zu berichten, aber die Geschichte bekommt dann einen schalen Beigeschmack, wenn man weiß, dass ARD und der Springer Verlag gerade in einem eng verzahnten Zweikampf liegen, in dem es um die Freiheit der Öffentlich-Rechtlichen Sender geht, sich im Netz ausbreiten zu dürfen. (Tagesschau App)

Das sehen die Verlage nicht gerne, die „staatlich finanzierte Konkurrenz“ rufen, welche den freien Markt zerstört und (natürlich, darf nie fehlen) die Pressefreiheit gefährdet. Gerne würde man ihnen entgegen rufen: „Dann seid halt besser als die ARD, kann ja so schwer nicht sein.“ Aber das ist ja nicht der Kern des Problems aus Sicht der Verlage. Die hätten gerne, ob als Leistungsschutzrecht oder Eindämmung der Geschäfte von ARD/ZDF, dass der Staat ihr Geschäftsmodell stützt. Das ist modern, das machen gerade viele Branchen. Und Länder.

Auf kress.de erschien heute ein Artikel von Mattias Spielkamp, in dem er selbst den letzten Zweiflern klar macht, dass die Verlage ihre Angestellte, besonders die vielen freien Journalisten, die einspringen, weil die Redaktionen zu ausgedünnt sind, miserabel bezahlen. Ausbeuten, wäre das bessere Wort. Denn man bekommt nicht keine Geld mehr für seine Texte, dank „total buyout“ werden einem auch noch alle Rechte für Zukunft und die Vergangenheit entzogen.

Das klingt immer so übertrieben, von mir aus überspitzt. Aber dem ist nicht so, wie ich an meiner eigenen Erfahrung im Umgang mit vielen Verlagen feststellen kann. Oder anders ausgedrückt: ich schreibe kaum noch für sie. Zum einen, weil es sich nicht lohnt. Würde ich nur Zeitungen nach Zeilenhonorar arbeiten, ich hätte Probleme meine Miete zu zahlen. Zum anderen sehe ich nicht ein, dass die Rechte an meinen Texten bis zum St. Nimmerleinstag bei irgendeinem Verlag liegen. Das sind meine Sachen, meine Ideen, meine Gedanken und nicht die eines Verlages, der mich dafür auch noch schlecht bezahlt. Wenn sie den Krempel unter eine CC-Lizenz stellen, können wir gerne noch mal reden.

Die Menge derjenigen, die ihre Arbeit und ihre Ideen den Verlagen nicht mehr zur Verfügung stellen, wird immer größer. „Brain drain“ nennt Spielkamp das, ich nenne es Selbstschutz. Ich organisiere mich lieber mit guten Leuten in einer kleinen Agentur oder in einem Netzwerk, in dem man vielleicht auch nicht wahnsinnig viel verdient, aber hier wenigstens die Chance hat, vernünftig zu gestalten, anstatt nur noch den Weißraum neben den Anzeigen möglichst unauffällig zu füllen.

Verlage verhalten sich, das ist nicht neu, wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen auch. Die Zeiten, in denen echte Verleger, Zeitungsmacher usw. die Politik, auch die wirtschaftliche, eines Verlages bestimmt haben, sind vorbei, wenn man mal von Hubert Burda absieht. Mittlerweile bestimmen nur noch Zahlen den Journalismus und zwischen all den Zahlen wird der Journalismus langsam aber sicher zermahlen. Zwischen dem Punkt, dass die Verlage nicht mehr ordentlich entlohnen und dem, dass man Kampgnenjournalismus betreiben muss, geht es vielen Kollegen mehr als schlecht. Ein ehemaliger Kollege meinte neulich: „Vor 20 Jahren haben wir all jene ausgelacht, die zu einem ÖR Sender gegangen sind. Beamte, Schlaftablettenjournalismus, Parteisoldaten usw. haben wir denen hinter her gerufen. Heute haben die trotz all dieser Dinge, trotz der massiven Einmischung der Politik in die Sender, mehr Freiheiten, als irgendein Print-Kollege, wenn man nicht gerade bei der SZ oder beim Spiegel, bzw. Stern arbeitet.“

Haben Verlage den Journalismus ausgehöhlt? Sie haben ihn schwer beschädigt, in dem sie ihm erst die Krallen ge- und dann die guten Köpfe entzogen haben. Wird das so bleiben? Vermutlich, denn man ist auch weiterhin dabei, verschiedene Redaktionen in „Zentralredaktionen“ zusammen zu legen. Allein das Wort schon. Wenn man sich vorstellt, wie Erich Honecker „Zentralredaktionen“ ausgesprochen hätte, kommt man der Sache vermutlich schon näher. Auch an den Punkt, wie die Haltung einzelner führender Köpfe in vielen Verlagen gegenüber Journalisten ist.

14 Antworten zu „Verlage vs. Journalismus“

  1. Bin ich der einzige, der Probleme hat, den Artikel zu flattrn?

  2. Oha. Der Button wird durch ein Plugin generiert. Normalerweise sollte es gehen oder, wenn nicht im Hintergrund eingeloggt ist, die Flattrseite aufgehen. Mal hören, was andere sagen.

  3. Bei anderen Webseiten hatte ich heute zumindest keine Probleme.

  4. Frage mich gerade, wie das andere Zahlungsmodell ist wenn nicht nach Zeilen/Zeichen in dem Bereich?

  5. Einfach eine Pauschale, die man aushandelt. Das mache ich immer.

  6. bei mir funktionierte der flattr button gerade. :)

  7. […] keine Pressefreiheit und ohne Pressefreiheit ist sowieso alles vorbei. Aber stimmt das? http://www.dondahlmann.de/?p=510 […]

  8. Jeeves

    „…anstatt nur noch den Weißraum neben den Anzeigen möglichst unauffällig zu füllen. “
    Das war doch schon immer so? Schon Karl Kraus hat vor rund 100 Jahren diese Metapher für Journalismus benutzt.

  9. Chantal

    So viele Fehler in einem so kurzen Text… Da lobt man sich doch wenigstens jene Verlage, die noch ein echtes Korrektorat unterhalten (und Hubert Burda natürlich…)…

  10. Tim

    Zu spät. Den „Brain-Drain“ gibt es seit 20 Jahren. Wer wird denn Journalist? Einige hochmotiverte „High Potentials“, die renomierte Journalistenschulen durchlaufen oder im Ausland sich ihr karriereträchtiges Rüstzeug besorgen. Das ist aber eine sehr, sehr kleine Minderheit. Die Mehrheit besteht aus „igerndwas mit Medien“ Leuten, die kaum eine Alternative haben und sofort den Presseausweis abgeben würden, wenn es einen Job gäbe, der sie und ihre Familie besser ernährt. Im Grunde eine Negativ-Selektion. Die ist auch mit verantwortlich für die Kluft zwischen dem Qualitätsanspruch der Verlage und Medien und der traurigen Realität.

    Zwischen 1995 und 2005 ist der Beruf des Journalisten in der Achtung der Bevölkerung auf der Berufsprestigeskala von Allensbach vom 13. auf den 18. Platz gesunken. Nur Gewerkschaftführer und Politiker sind schlechter. Unter den freien Berufen mit Abstand der schlechteste Platz.

    Die Medien-Blogger, Online-Autoren, Online-Magazin-Herausgeber, berufspolitische Aktivisten und andere, die sich hier aktiv im Netz tummeln und mit Verve für das Ansehen des Berufsstandes und seiner Zukunft streiten spiegeln nicht die Realität wider. Retten können sie den Jourmalismus sicher nicht.

  11. […] Lest den vollständigen Artikel, denn der Don weiß, wovon er spricht. Und er schreibt noch klüger. [Irgendwas ist ja immer – Reloaded] […]

  12. sky

    für wen schreiben sie denn dann, wenn nicht für verlage, zeitungen etc.? und was, welche inhalte, erarbeitet man in „kleinen agenturen, netzwerken“… und wer bezahlt einen für das ganze dann? handelt es sich um werbung, oder womit wollen sie dann ihr geld verdienen – das interessiert mich wirklich.

  13. Ich leite für die Blogwerk AG das Gadgetblog neuerdings.com (wo ich viel schreibe), ich gebe jede Schulungen und bilde zukünftige Onlinejournalisten aus und ich berate Firmen bei social media projekten. Mit Verlagen habe ich (im Moment) nichts zu tun.

  14. […] Artikel lesen (dondahlmann.de) function copySosoBz() { var SosoBz=document.getElementById("SosoBz"); SosoBz.select(); document.execCommand("Copy"); alert("Have been copied!"); } […]