Wir brauchen neue Verleger

Ich hatte es die Tage in meinem Artikel zum LSR schon mal angedeutet: Die deutsche Blogszene hat sich in weiten und überwiegenden Teilen nie aus ihrer eigenen Nische heraus arbeiten können. Das lag nicht an den handelnden Personen, einige haben ja durchaus die Blogebene verlassen und/oder arbeiten erfolgreich für Verlage. Es lag vermutlich an einer Mischung aus mangelnden Geschäftsmodellen und zu kleinem Markt, der wegen seiner Sprache zu regional begrenzt ist. Man kann jetzt noch Vermarktungs- und Mediaagenturen anführen, die Zersplitterung der Blogszene, die mangelnde Professionalität in Sachen eigener Vermarktung usw. Aber am Ende muss man dann doch konstatieren, dass in den gesellschaftlich relevanten Bereichen kein Blog, keine Autoren-Gemeinschaft existiert, die an die Reichweite und die Bedeutung einer überregionalen Tageszeitung heran kommt. Ob ein einzelnes Blog in Deutschland diese Aufgabe überhaupt erfüllen kann, ist dann eine andere Frage, aber ein erfolgreich redaktionell begleitetes Blogportal gibt es auch nicht. (Auch wenn es hierzu schon vor Jahren Versuche gegeben, einen habe ich auch mal versucht anzuschieben. Gescheitert am Finanzmangel)

Es gibt eine Menge Blogs, die sehr erfolgreich Sparten bedienen, es gibt einzelne Blogger die zu gesellschaftlich relevanten Themen, schreiben und deren Reichweite die eigene Leserschaft überschreitet. Aber auch oft nur dann, wenn andere Medien sie zitieren.

Ja, Blogs können als Schwarm etwas bewegen. Der Abmahnwahnsinn ist so eine Sache, wo es gut klappt. Die Netzgemeinde als solche kann politischen Druck aufbauen. Aber als rein publizistisches Gegengewicht zur überregionalen Presse sind Blogs für den Augenblick gescheitert. In 10 Jahren ist es nicht gelungen, diesbezüglich etwas in Bewegung zu bringen. Ich nehme mich da als jemand, der diese Zeit, teilweise nicht ganz unprominent, begleitet hat, nicht aus und ich empfinde dieses Scheitern durchaus auch als Niederlage.

Es mag Blogs geben, die Geschichten anstoßen, groß werden sie aber nur durch die publizistische Macht der Verlage. Und viele Tageszeitungen leisten, trotz Einsparungen, trotz politischer Gängeleien, immer noch eine gute Arbeit. Zum Beispiel der Tagesspiegel in Sachen Flughafen BER. Oder aktuell die gemeinschaftliche Arbeit vieler bayrischer Zeitungen in der Affäre Mollath. Da zeigt sich, was Redaktionen zu leisten imstande sind. Was sicherlich auch mit den seit Jahrzehnten gewachsenen Verbindungen in Ämter zu tun hat. Welcher Blogger kann es sich leisten, jahrelang Beamte zu bearbeiten, damit diese Informationen rausrücken?

Aber eigentlich ist der Kanal, der für die Verbreitung einer Meldung genutzt wird, relativ egal. Wir brauchen guten Journalismus, egal ob auf totem Holz oder digital. Was wir nicht brauchen, sind Tageszeitungen, die zu 90 % aus ungeprüften dpa-Meldungen bestehen. Was wir nicht brauchen, sind Verleger, die Zeitungen als Profitcenter missbrauchen. Was wir nicht brauchen, ist der Umstand, dass Controller die Macht über die Inhalte bekommen. Dass sie entscheiden, was recherchiert wird, und was nicht. Dass Anzeigenabteilungen warnend die Hand heben, wenn es um eine große Geschichte über einen langjährigen Anzeigenkunden geht.

In einer Zeit, in der sich die Politik gefühlt immer mehr von der Bevölkerung abkapselt, in der Bezirksvorsteher wie kleine absolutistische Grafen handeln und scheinbar die Schere zwischen gefühlter richtiger Rechtssprechung und echter Rechtssprechung immer weiter auseinandergeht, braucht es eigentlich eine starke vierte Gewalt. Blogs haben diesen Stellenwert nie erreicht, weil sie nötige publizistische Reichweite verfehlt haben. Sie sind im Moment (manchmal) „Trüffelschweine“ des Journalismus, sie finden oft seltene und gute Geschichten, doch verkaufen kann sie nur eine Zeitung, ein Magazin, ein Portal mit einer großen Reichweite.

Ich mag die meisten Zeitungen im Moment nicht. Zu festgefahren ist der Kurs der Verleger, die es mit der Wahrheit nicht mehr so genau nehmen. Zu altväterlich ist oft der Ton im Blatt, zu wenig innovativ die Berichterstattung und die Nutzung der neuen Publikationsmöglichkeiten. Zeitungen reißen die Inhaltebarrieren, die das Internet gerade beiseite geräumt hat, nicht mit ein, sie versuchen sie verzweifelt aufrecht zu erhalten. Sei es aus Angst vor der Veränderung, sei es aus schierem Unwissen. Das Verharren hinter der Mauer aus Anspruchsdenken, früheren Erfolgen und herrischem Gatekeeping hat die meisten Zeitungen dahin geführt, wo sie jetzt sind: im Nirgendwo. Dass die Mauer bröckelt, wissen die Beteiligten selber schon länger, doch was tun, wenn Autokraten den Weg vorgeben?

Die Profiteure dieser postdemokratischen Entwicklung sind, teilweise, Politiker und die Wirtschaft. Wenn komplexe Vorgänge nicht mehr hinterfragt werden können, wenn Spin-Doktoren ihrer Arbeit in Ruhe und ungestört nachgehen dürfen, bleibt am Ende die Aufklärung auf der Strecke.

Leider sind die Verlage gerade dabei, den letzten Rest ihrer Glaubwürdigkeit zu verspielen. Wenn, wie im Fall des LSR, so viel gelogen und falsches Wissen verbreitet wird, wie gehen Zeitungen dann mit anderen Themen um? Wie oft ist die Lüge bei welchem Thema auch immer in der Berichterstattung erlaubt, wenn es um die Durchsetzung der finanziellen oder machtpolitischen Interessen des Verlags geht? Das die „Bild“ die Wahrheit so verdreht, wie es dem Verlag in seine politische Agenda passt, daran hat man sich gewöhnt. Aber die FAZ, oder SZ? Die Glaubwürdigkeit eines elementar wichtigen Bestandteils der Demokratie steht auf dem Spiel.

Wir brauchen die Tageszeitungen, sonst würde Günter Mollath weiter unbeachtet in der Psychiatrie sitzen. Wir brauchen starke Regionalzeitungen, sonst würde Kurt Beck vermutlich immer noch sagen, dass der Umbau des Nürburgrings ein voller Erfolg war. Wir brauchen die Journalisten, die das alles möglich machen. Wir brauchen Verlage, die sich vor ihre Journalisten stellen.

Was wir nicht brauchen, sind Verleger, die Journalismus und Kampagne vermischen und nach Gutsherrenart entscheiden, welcher Politiker wann angegriffen wird. Oder ob es für Recherchen nur dann Geld gibt, wenn sie ins politische und wirtschaftliche Schachspiel passen.

Was wir brauchen ist nicht ein neuer Journalismus, was wir benötigen, sind neue Verleger. Unternehmer, die noch daran glauben, dass guter Journalismus die Demokratie schützt und für die sich die Stärke der Demokratie nicht allein in der Rendite widerspiegelt.

17 Antworten zu „Wir brauchen neue Verleger“

  1. Das Zeitungen und Verleger gezielt und mit Blick auf die Interessen des Verlages/der Anzeigenkunden desinformieren ist ja nicht neu: Lektürempfehlung ist der vom Netzverweigerer Wolf Schneider herausgegebene Klassiker „Unsere tägliche Desinformation – Wie die Massenmedien uns in die Irre führen“ von 1984 (!). Das stimmt immer noch alles. GIbts aber m.W. nur noch antiquarisch

  2. Guter Post!

    „Wir brauchen die Tageszeitungen, sonst würde Günter Mollath weiter unbeachtet in der Psychiatrie sitzen.“

    Hier würde ich den Begriff „Tageszeitungen“ gegen „leistungsfähige journalistisch arbeitende Institutionen“ austauschen. Sonst entstehen da leicht falsche Assoziationen bei denen, die glauben, auchin 200 Jahren lesen wir noch auf Papier.

  3. Fritz

    Sehr gut. Ein Post wie dieser führt weiter. Vor allem heraus aus der völlig falschen Konfrontation „professioneller Journalismus“ gegen „Netz-Journalismus“. Das gehört in Wahrheit aufs Engste zusammen. Die Verbindungen und Synergien sind inzwischen zahllos.
    Der Fall Mollath ist geradezu ein Musterbeispiel, wie die Kanäle crossmedial zusammenwirken – TV, Zeitungen und Netz. Das TV liefert hohe Aufmerksamkeit und ist unübertroffen im visuellen Dokumentieren/Sichtbarmachen, die Zeitungen haken nach und stellen so etwas wie institutionelle Öfffentlichkeit auf die Beine, das Netz gibt das gewisse unüberseherbare zusätzliche Momentum an emotionaler Brisanz und unterbindet insbesondere das Nieder-Ignorieren, die übliche Dementi-Strategie, durch die Politik.
    „Wenn, wie im Fall des LSR, so viel gelogen und falsches Wissen verbreitet wird, …“, so darf man zum einen nicht übersehen, dass in eigener Sache meistens geschummelt und geschönt wird, zum zweiten dass die „nicht korrekte Darstelleung“ der Sachlage aus der Not geboren ist, und zum dritten dass die Zeitungen auch durch die „Netzbürger“ in völlig falsche Allianzen bzw. in diese unselige Konfrontation getrieben wurden. Eine falsche Allianz ist z.B., sich in der Not ausgerechnet an den Springer-Verlag als Leithammel anzuschmiegen – was soll dabei anderes herauskommen als zusätzliches Geld für den vermaledeiten Klick-Journalismus?
    Im Grunde fehlt in D die Allianz der „Qualitätsjournalisten“ in allen Existenzformen gegen das Ausbluten und die Banalisierung ihres Berufs.

  4. […] [text] ich befürchte, mit diesem leistungsschutzrecht werden wir uns leider noch recht lange herumärgern müssen. nicht zuletzt weil ich mich des eindrucks nicht erwehren kann, dass der überwiegende teil der deutschen politiker überhaupt keine ahnung hat, worum es geht … stefan niggemeier #1, stefan niggemeier #2, stefan niggemeier #3, 11k2, don dahlmann […]

  5. Herny

    Der Mann heißt Gustl Mollath.

  6. […] zu wenig innovativ die Berichterstattung und die Nutzung der neuen Publikationsmöglichkeiten.» Wir brauchen neue Verleger Zeitungssterben Ziemlich genau zwei Jahre nach dem Start beendet News Corp. die iPad-Zeitung […]

  7. Mario Fractus

    Ein sehr richtiger Post zur richtigen Zeit. Ich bin froh, dass sich diese Denkweise langsam aber sicher durchsetzt. Dazu auch ein kleines Zitat, dass ich gerade in einem interessanten Buch dazu (http://books.google.de/books?id=cJVfdFIi2NgC) gelesen habe und wirklich gut finde:

    „Social Media und Massenmedien stehen weniger in einem rivalisierenden als in einem interagierenden bzw. sich erga?nzenden Verha?ltnis zueinander … Ohnehin wirkt die dichotome Gegenu?berstellung von ‚neuen‘ und ‚alten‘ Medien in diesem Kontext bis zu einem gewissen Grad arbitra?r, da sich im Netz alle bisherigen medialen Formen widerspiegeln und das Web als technische Infrastruktur die Austauschprozesse auf sa?mtlichen O?ffentlichkeitsebenen effektiviert und beschleunigt … also sowohl die Individualkommunikation als auch das Agenda-Setting in Teilo?ffentlichkeiten und die Massenkommunikation … ‚Neue’ und ‚alte‘ Medien stehen sich also nicht diametral gegenu?ber, sondern zeichnen sich durch vielfa?ltige wechselseitige Bezu?ge aus.“

  8. Ich fasse zusammen: Sie wünschen sich in der Blogger-Szene kein Klein-Klein sondern die große Medienmacht. Keine unzählig vielen Mini-Spiegels und Klein-Focusse sondern eine große Top-10-Blogger-Liga.
    Dies bedeutet aber eine dauerhaft geformte Einheitsmeinung. Doch genau dieser – von oben herab – diktierte Einheitsbrei ist der Grund, wieso Blogger ihre eigenen Geschichten erzählen wollen.

  9. @Oliver: Nein, ich wünsche mir mehr Blogger, die in gesellschaftlich relevanten Themenbereichen stärker unterwegs sind. Ich wünsche mir nicht weniger, sondern mehr Abwechslung.

  10. Wo sollen sie denn herkommen, die neuen Verleger? Vor Jahren, als die deutsche Blogosphäre sich noch etwas besser präsentierte, hätten Verleger ja schon investieren können. Regionalzeitungen hätten z. B. sich in Blogs einkaufen können und auf diesem Weg versuchen, nicht nur einen Fuss in das überregionale Geschäft mit Nachrichten und Meinungen zu setzen, sondern auch in den neuen Medien heimischer zu werden. Diese Chance wurde leider vertan.

  11. […] gescheitert. In 10 Jahren ist es nicht gelungen, diesbezüglich etwas in Bewegung zu bringen. Aus: Irgendwas ist ja immer c. Der trüben Stimmung etwas entgegensetzen Vielen deutschen Verlagen kaufe ich es nicht ab, dass […]

  12. Peer Steinbock

    Blogger sind Kolumnisten, deren Kolumnen nicht gedruckt werden.

  13. wir machen das und schon seit fast 3 jahren und alles nur auf papier und nicht im netz.

    READ … allover hell´s half acre.

  14. Es gibt bereits reichlich „Abwechslung“, auch in „gesellschaftlich relevanten Themenbereichen“. Man sollte halt nicht nur auf Rivva schauen.

  15. […] Das Leistungsschutzrecht soll die Marktgerechtigkeit wiederherstellen. Es schafft eine Einnahmequelle für Presseverleger, die sich im digitalen Zeitalter zunehmenden Schwierigkeiten ausgesetzt sehen. Die meisten Angebote sind derzeit nur durch Werbung oder Querfinanzierung überlebensfähig. Bezahlmodelle wie sog. „Paywalls“ versprechen keinen Erfolg, wenn die Leser ihre Nachrichten genauso gut kostenlos bekommen können. Nur: Wer produziert diese Nachrichten, wenn die Print-Medien aussterben? Auch heute noch wird ein Großteil der journalistischen Inhalte von Offline-Redaktionen und nicht von Bloggern geliefert. […]