Korpsgeist

Über den „Bundestrojaner“ ist nun schon viel geschrieben worden. Das er etwas kann, was er nicht sollte, was ihm sogar per Bundesverfassungsgericht verboten wurde, dass seine Herkunft ungewiss ist und das die Politk empört ist. Es gibt noch viele offene Fragen bzgl. der Variante des Bundestrojaner, den der CCC da gefunden hat. Laut CCC stammen die Daten von zwei verschiedenen Festplatten, der Code ist also offenbar unabhängig von einander auf die Rechner gespielt worden. Nicht bekannt ist jedoch, welche Behörde das Programm eingesetzt hat. Das BKA bestreitet schon mal, dass man etwas damit zu tun haben könnte. Frank Schirrmacher schreibt in einem für FAZ vielleicht auf den ersten Blick überraschenden Kommentar „In Frage steht nicht mehr, wir moralisch und grundgesetztreu unsere Institutionen sind, in Frage steht mittlerweile, wer die Macht in der digitalen Gesellschaft hat.“

Doch der Einsatz ist, ob durch BND, LKAs, Verfassungsschutz, MAD oder sonst wen angewiesen, nicht nur aus Datenschutzrechtlichen Gründen eine Unverschämtheit. Sollte tatsächlich eine Polizeibehörde den Trojaner entwickelt und eingesetzt haben, dann stimmt offenbar, zumindest in dieser Behörde, das Verhältnis zur Verfassung, zum Staat und zu seinen Bürger nicht mehr. Es ist in den letzten Jahren oft von einem „Korpsgeist“ die Rede gewesen, dem Polizei und andere Kontrollbehörden unterliegen, und der sich deutlich von der freiheitlich-demokratischen Ordnung unterscheidet, die in Deutschland vorherrscht. Viele Forderungen, die durch das BKA oder auch durch die „Gewerkschaft der Polizei“ immer wieder laut werden, befinden sich nicht mehr im Rahmen der durch BGH, BVerfG und Politik erlaubten Gesetzesrahmen. Die Forderung nach Websperren, die Forderung nach der Vorratsdatenspeicherung, die Forderung nach einem Bundestrojaner, der genau das macht, was der CCC da gerade entdeckt hat, das sind nur einige Beispiele.

Da stellt sich die Frage, ob die Politik eigentlich die Kontrollbehörden eigentlich noch im Griff hat, oder sich dort ein Eigenleben entwickelt hat. Ob es in manchen Behörden Strömungen gibt, denen die Politik zu zögerlich, zu weich, zu halbherzig ist. Ob es Gruppen gibt, die gesetzliche Vorgaben einfach ignorieren, weil sie glauben, dass sie es besser wissen? Der Überwachungsskandal in Sachsen und der Bundestrojaner sind zumindest zwei Beispiele, die dafür sprechen könnten.

Den Verdacht, dass manche Behörden eine eigene Auffassung von Demokratie haben, hätte ich bisher abgelehnt. Aber jetzt nagt doch im Moment der Zweifel. Ich hoffe sehr, dass die Politik, und nur die kann das, die Sache konsequent aufklärt. Denn das Vertrauen der Bürger in die staatlichen Institutionen ist eine wichtigsten Währungen, die es in einer Demokratie gibt.

11 Antworten zu „Korpsgeist“

  1. die frage ist nicht mehr, ob diese auffassung besteht, sondern wie weit sie schon geht.

    ich erinnere mich noch daran, mit wieviel nachdruck an der einführung des neuen ausweises gearbeitet wurde. ein dokument, das dinge erleichtern soll, aber bspw. an der grenze auch nur eine ausweiskarte ist, mit der man mitnichten schneller durch die kontrollen kommt, weil es keinerlei lesegeräte gibt. auf der anderen seite kann man den epa nur wirklich nutzen, wenn man ein lesegerät am rechner hat. die basisversion, die für viele die einzige ist, die sie sich leisten können, ist nicht sicher vor übergriffen. ein schelm, der böses dabei denkt. dann hat das ding einen chip, der sich auch auf entfernung auslesen lässt – doppelschelm.

    ob „die politik“ dies aufklären wird, halte ich für fraglich. demokratie hin oder her – eine kontrollierte schafherde ist leichter zu führen als ein sack flöhe. ein gewisses interesse an der totalen kontrolle besteht offenbar, andernfalls würden doch die kontrollnazis von ihren parteien zurückgepfiffen, wenn sie mal wieder mehr kontrolle propagieren.

  2. In jeder Organisation – egal ob staatlich, wirtschaftlich, kulturell, wissenschaftlich getrieben – gibt es „Korpsgeist“. Das liegt in der Natur des Menschen, sich über die Zeit in abgeschlossenen Gruppen stärker an Gruppenzwänge und -dynamik zu halten und sich dabei gerne von externen Einflüssen / Regeln zu entfernen.

    Unter anderem deswegen sind Medien – und zunehmend auch über´s Web gestärkt, die Bürger selbst – aufgefordert hinzuschauen und einzuschreiten.

  3. Der Wunsch nach Aufklärung durch die Politik ist zwar schön, aber unwahrscheinlich, da diese dieses Instrument ja auch gerne gehabt hätte, aber leider durch sowas lästiges wie Gesetze behindert wurde. Da ist es doch schön, wenn es ein anderer trotzdem macht. Warum dem denn dann mit Nachdruck ans Bein pinkeln?

  4. Horst Hofrath

    Sicherlich ist eine Aufklärung durch die Politik wünschenswert. Meiner Meinung nach, wäre eine Aufklärung durch Gerichte aber noch viel wünschenswerter.

    Wieso kann man, wenn es tatsächlich zu beweisbaren Einsätzen der Software gekommen ist, nicht die Verantwortlichen persönlich für ihr (wissentliches oder grob fahrlässiges) Verletzen der geltenden Gesetze und der ihnen übertragenen Verantwortung gegenüber den Bürgern, haftbar machen?

    Und damit mit meine ich Geld- oder Haftstrafen für die verantwortlichen Beamten und nicht „nur“ Disziplinarverfahren, die maximal den Jobverlust nachsichziehen.

  5. Ja, Politik ist ein Instrument, doch Leute müssen lernen die genaue Richtung zu erkennen. Im Dunkel sind alle Katzen schwarz ..

  6. Anke

    Ich glaube nicht dass die Polizei den Trojaner entwickelt haben, ehrlich. Es scheint zu uebertrieben .. warum sollten sie das machen? Auch wenn der Befehl von anderswo gekommen ist, bleibe ich bei meiner Meinung .. sie haben das nicht gemacht

  7. Klaas Jurkschat

    Ich teile Joachim Herrmanns Ansatz in toto. Der Gute will schlichtweg Beweise sichern lassen. Find ich richtig. Was ist eigentlich passiert? Am 18. Dezember erlässt das Amtsgericht Nürnberg einen Beschluss zur Überwachung und Aufzeichnung des Telekommunikationsverkehrs eines Bodybuilders namens Andrej. Für drei Monate. Der Späh-Trojaner wird auf seinen Laptop geschleust. Der Heini benutzt Hush-Mail und Safe-Mail – zwei Hochsicherheits-E-Mail-Systeme. Dort läuft alles verschlüsselt. Doch das bringt ihm nix. Die Lauscher in seinem Laptop zeichnen alles auf. Am 28. April 2009 etwa meldet sich ein Sportskamerad von Andrej und teilt im Branchenjargon seinen Trainingszustand mit: „Beine super pump.“ Hm, ja nee, is klar. Ein anderer Freund schreibt am 1. Mai 2009: „Wollte fragen, wann ich bei dir sein soll. Freundin noch schlafen tut.“ Na immerhin *hat* der Dödel eine Freundin. Kannst du das von dir sagen, Don? Vermutlich nicht. Wäre ich eine Frau, würde ich keine Minute in deiner Nähe aushalten. Weiter im Pogrom: Zuletzt kann die Polizei dem Bodybuilder nicht nur den Anabolika-Handel nachweisen. Sie ertappt ihn auch noch beim Bestellen der Droge Crystal Speed. Die lässt sich Andrej per Post aus China und Russland schicken. Festnahme im März 2010. Im Oktober des selben Jahres wird Andrej zu vier Jahren und sechs Monaten Knast verurteilt. Er sitzt seine Strafe in Bayreuth ab. So soll es sein. Unser Rechtsstaat funktioniert bestens. Don, dein Lamento ist lediglich ein Ausweis einer irgendwie gearteten Paranoia im Endstadium. Halt doch bitte den Bach flacher und schütt etwas mehr Kaffee in den Cognac. Ich lebe gerne in diesem Land. Ich hoffe, du auch.
    P.S.: Das Gespräch neulich mit dem Banse war unglaublich scheiße.

  8. Klaas Jurkschat

    > Halt doch bitte den Bach flacher
    Natürlich den Ball

  9. anonym

    Die Frage ist m. E. völlig falsch gestellt. Es geht nicht darum, daß und ob die Politik die Kontrollbehörden im Griff hat. Die Behörden tun genau das, was die Politik will! Das geht doch schon viele Jahre so. Schily, Schäuble und Co. wollten immer und wollen weiterhin Überwachung und Unterdrückung, Einschränkung von Freiheiten – das ist quasi Selbstzweck (Wiefelspütz hat es mal halbwegs eindeutig ausgesprochen, warum auch immer).

    Es ging immer darum, Zivilflugzeuge abzuschießen, die Bundeswehr im Innern (und in jedem beliebigen Ausland) einzusetzen, die Bürger anlaßlos und unbegrenzt zu überwachen und zu beschnüffeln. Also das Basisprogramm einer Diktatur. Heiligendamm z. B. war eine Art Generalprobe. Jede Menge Gesetzesverstöße (die von Anfang an erkennbar waren), und zwar bereits im Vorfeld, eine schleppende juristische Aufarbeitung derselben über Jahre hin, ohne Konsequenzen letztlich.

    Die Behörden wurden durch die Politik bereits vor Jahren von der Leine gelassen. Es spielt ja auch keine Rolle, was das Bundesverfassungsgesetz sagt, es wird einfach ignoriert von der Poklitik und deren Hilfsbeamten. Und niemand von diesem Personal hat etwas zu befürchten wegen seiner permanenten Gesetzesverstöße. Das ist doch die Realität seit zehn Jahren und mehr.