Profit vs. Sicherheit – Wie die Autohersteller die Car2X Kommunikation ausbremsen

Die EU will einen technischen Übertragungsstandard der Car2X Kommunikation (Auto spricht mit der Infrastruktur, hier ein technischer Hintergrund) so schnell wie möglich einsetzen. Das stößt bei der Industrie auf Ärger. Es bildet sich eine merkwürdige Allianz aus Telekommunikationsunternehmen und der Autoindustrie, die aber allein aus Profit getrieben ist. Man steht sich mal wieder selbst im Wege.

Die ganze Geschichte um die Entwicklung eines Car2X Standards ist ungefähr so lustig wie die Baugeschichte des Berliner Flughafens. Und ungefähr genau so lang. Begonnen hat die Diskussion, wenn man es genau nimmt, schon in den 30er Jahren. Damals wollte man UKW einsetzen, um bestimmte Signale auszusenden. Richtig los ging es in den 90er Jahren, seit 2002 gibt es dann das „Car2Car“ Konsortium, das seit dem einen Standard entwickeln will.

Um es klar zu formulieren: Ohne Car2Car und Car2X Kommunikation wird sich im Bereich des autonomen Fahrens der Stufe 4 und 5 nichts tun. Es gibt weiterhin viele Probleme bei der Entwicklung von vollautonomen Fahrzeugen und die Erkennung von Ampeln gehört zum Beispiel mit dazu. Weil sie teilweise zu nah am Straßenrand stehen, schlecht einsehbar sind usw. können die Sensoren die Ampeln nur schlecht oder gar nicht erkennen. Eine Lösung: Die Ampel teilt mit, wenn sie auf „Rot“ oder „Grün“ schaltet.

Zusätzlich muss man zwischen Car2Car und Car2X Kommunikation unterscheiden. Car2Car findet nur teilweise im direkten Umfeld zwischen zwei oder mehr Fahrzeugen statt. Ein Beispiel wäre „Ich möchte abbiegen“ als Warnung an andere Fahrzeuge, die sich hinter mir befinden. Eine andere Form der Datenübertragung zwischen Autos betrifft Warnungen im Bereich der Infrastruktur (Baustellen) oder vor Staus. Diese Kommunikation findet über große Distanzen statt. Die Car2X Kommunikation findet dagegen fast ausschließlich zwischen der nahen Infrastruktur (Ampel, Verkehrsleitung, Parkhäuser usw.) statt. Man kann sich vorstellen, dass man dafür zwei verschiedene Übertragungsmethoden nutzen kann.

Die EU möchte gerade beschließen, dass die Car2X Kommunikation per WLAN erfolgen soll. Der Vorteil: Die Technologie ist da, sicher und vor allem günstig. Sie kann auch von Kommunen aufgebaut werden, die wenig Geld haben. Der Einbau in Fahrzeugen ist ebenfalls günstig, allerdings mit Problemen verbunden. Denn das ganze Zusammenspiel zwischen externen Datenquellen und der Reaktion des Autos ist nicht gerade trivial. Allerdings ist es kein Hexenwerk. Die EU geht davon aus, dass man mit dem Einsatz der Technologie eine erhebliche Menge an Unfällen vermeiden kann.

Auftritt Autoindustrie und 5G Vertreter. In einem gemeinsamen Statement haben die Deutsche Telekom und BMW davor gewarnt, WLAN als Standard für die Car2X Kommunikation zu nehmen. Man sei, so die beiden Unternehmen, darauf eingestellt, dass man 5G und den damit verbundenen C-V2X Standard zu nutzen. Dies würde vor allem deswegen geschehen, weil China den Standard einführen werde.

Selbstverständlich hat 5G Vorteile, vor allem weil man große Datenmengen mit geringeren Latenzzeiten übertragen kann. Allerdings hat 5G in Europa auch einen entscheidenen Nachteil: Es ist einfach nicht vorhanden. Und ausgehend von den Aussagen der Telekom-Unternehmen selber, sehen diese sich jetzt schon außer Stande 5G flächendeckend auszubauen. Dennoch wollen die Telekom und BMW die Bundesregierung dazu bringen, den EU-Vorstoß abzublocken.

Das sehen andere Hersteller ganz anders. VW setzt daher auf den WLAN Standard. Auch Volkswagen führt wichtige Gründe an: es kostengünstig, schnell umzusetzen und sicher. Ebenso sieht das Siemens. Man bestätigt also all das, was die EU Verkehrsministerin sagt.

Die EU weist allerdings zu Recht daraufhin, dass es noch Jahre, wenn nicht ein komplettes Jahrzehnt, dauern wird, bis 5G flächendeckend ausgebaut sein wird. Und die Erfahrungen in Deutschland zeigen, dass die Telekom-Unternehmen keine Lust haben, jede Milchkanne anzuschließen. Die momentane 4G Abdeckung liegt zwischen 60 und 70 Prozent. Viel zu wenig für autonome Fahrten quer durchs Land.

Natürlich werden Metropolen als erstes in Sachen 5G ausgebaut, Städte wie Osnabrück werden warten müssen. Es macht überhaupt keinen Sinn so lange zu warten, bis sich Telekom-Unternehmen und Staat geeinigt haben, wie der Ausbau von 5G erfolgen soll. Die EU und VW haben völlig recht mit der Forderung, dass man den Standard für die Car2X Kommunikation jetzt auch auf WLAN festlegt und sofort ausbaut. Dass BMW aus Kostengründen nicht zwei Systeme einsetzen will, ist angesichts der Unfallzahlen gerade in Städten etwas höhnisch, ebenso wie der Standpunkt der Telekom, die WLAN verhindern will um mehr Geld mit 5G-Anlagen zu verdienen. Am Ende steht also mal ein Streit um Standards und Profite. Die Industrie bekleckert sich nicht gerade mit Ruhm. Sie könnte Menschenleben retten, schaut aber lieber auf die Umsätze.

Bild: Siemens