Warum Blogs immer weniger Links haben

Auf der republica kam mal wieder das Thema auf, warum Blog immer weniger untereinander und von außen verlinkt werden. Die Zahlen der deutschen Blogcharts sind da ja seit zwei Jahren mehr als eindeutig. Komischerweise werde ich dauernd gefragt, ob ich mir das erklären könne, ich sei doch schon so lange dabei. Was mich einigermaßen amüsiert, denn Zugriffs- und Linkzahlen haben mich einerseits noch nie sonderlich interessiert, andererseits kann ich auch nicht hinter die Kulissen der mehr oder weniger intransparenten Zähldingse der verschiedenen Anbieter schauen. Wie sich die deutschen Blogcharts errechnen weiß nur Jens, ähnliches gilt bei Wikio oder Technorati.

Aber es gibt ein paar offensichtliche Gründe, warum Blogs nicht mehr so stark untereinander verlinken.

– Twitter
Im Interview bei V.I.S.D.P habe ich etwas übertrieben behauptet, dass Twitter den Blogs schwer geschadet hat. Ich meine das aber gar nicht, was die absoluten Zugriffszahlen angeht, sondern was den Content betrifft. Langjährige Blogger haben selber bemerkt, dass sie Links lieber mal per Twitter raushauen, anstatt dafür extra einen Blogeintrag anzulegen. Letztlich geht es ja um den Link und nur selten darum, was dazu selber denkt. Die offene und schnelle Verbreitung einer Information funktioniert deutlich besser, wenn man Twitter benutzt und die eigene Timeline den Link dann auch noch brav retweetet. Dazu kommt, dass man mit einem Blogeintrag bei einigen Themen einfach zu langsam ist. Bis man den Artikel geschrieben hat, haben viele andere den Link schon gepostet, der Eintrag ist, so er denn nicht substantielle Erklärungen und Meinungen enthält, eigentlich überflüssig. Lustigerweise sehen sich Blogger in dem Fall in der gleichen Falle, in der Print-Journalisten stecken, die bei den meisten Meldungen auf Grund des verwendeten Mediums auch immer zu langsam sind. Ein Blogeintrag, der nur einen Link enthält, ist zumindest unter den High Frequence Usern überflüssig. Das betrifft allerdings nicht Linksammlungen, die sich entweder mit speziellen Themen oder einfach interessanten Seiten beschäftigen, deren Inhalt jetzt nicht so drängend ist, dass man ihn auf Twitter verwursten muss.

Ebenso „schädlich“ für die Linkstatistik ist, dass Twitterer dann häufig nicht mehr das Ausgangsposting in einem Blog twittern, sondern direkt den dort beschriebenen Link. Macht ja auch Sinn, den Leser nicht auf eine Klick-Odyssee zu schicken.

– Facebook
Ähnliches Problem wie bei Twitter, nur dass das „walled garden“ System hier noch ausgeprägter ist (Wir nennen es AOL 2.0). Ein Großteil der Inhalte kann man sich Facebook anzeigen lassen, vor allem dann, wenn man ein Tablet nutzt. Applikationen wie „Flipboard“ oder „MyPad“ leiten den User gar nicht auf die Seite, sondern zeigen die Inhalte in einem eigenen Fenster innerhalb der Facebook Applikation. Will man den Link weiter geben, macht man das dann logischerweise auf Facebook, meist mit dem „Like“ Button. Auch bei Facebook ist es aus Sicht der Blogs das Problem, dass man mittels des „Like“ und „Share“ Button gar nicht mehr bloggen muss, man erreicht seine Leser auch so. Warum einen Blogeintrag schreiben, wenn die Sache mit einem Klick erledigt ist?

– RSS
Erstaunlicherweise sind RSS-Feeds ebenfalls ein Problem. Im Grunde gibt es nur noch einen brauchbaren Online-Reader, und das ist der von Google. Bloglines röchelt zwar mit neuem Besitzer noch so vor sich hin, ist aber mehr oder weniger unbrauchbar. Das Problem des Google Readers ist seine Sharing-Funktion, die im Prinzip wie bei Twitter oder Facebook einen Eintrag in die Timeline der Follower weiterscheibt. Auch hier ist die Erstellung eines eigenen Blogeintrags meist überflüssig. Ich lasse meine Empfehlungen immerhin noch regelmäßig automatisch ins Blog schieben (wenn das Plugin denn funktioniert).

– Mangelende Innovationen
Blogs und die dahinter stehende Software, vor allem WordPress und blogger.com, haben in den letzten Jahren versäumt, die Entwicklung des Echtzeitnetzes mitzumachen. Von WordPress gibt es zwar ein „press this“ Applet, dass man sich in die Bookmarkleiste werfen kann, muss dann aber auch noch per Hand den Eintrag erstellen, was nervig ist. Der Button funktioniert nur dann gut, wenn man kommentarlos Videos ins Blog wuchten möchte. Es ist bedauerlich, dass kein Blog CMS Anbieter einen vernetzten Button wie den „Like“ Button entwickelt hat, der Inhalte einfach, zum Beispiel als Auszug, in ein Blog schiebt. Gleichzeitig gibt es kein eigenes Tool, mit dem Leser außerhalb von Twitter oder RSS über ein neues Blogposting informiert werden können. Was extrem erstaunlich ist, denn selbst Antville hatte 2002 schon ein internes RSS, wo man sehen konnte, welche Blogs gerade aktuelle Inhalte produziert hatten. Das WordPress so ein Abo-Dings nicht längst im Dashboard anbietet, ist ebenso verblüffend wie ärgerlich.

Die Denke, dass der Leser auf der Suche nach interessanten Blogs sein wird, ist leider von 2005. Mittlerweile gehen die meisten User davon aus, dass die Nachrichten schon zu ihnen gelangen, wenn sie denn wichtig/lustig/spannend sind. Leider sieht es auch nicht so aus, als ob WordPress oder ein Konkurrenz das Problem lösen kann. Die Monopolstellung von Blogger und WordPress sorgt auch nicht gerade für ein Innovationsfreundliches Klima in dem Bereich.

Dazu kommt, dass der Trend zu geschlossenen Systemen wie bei Facebook oder Apple, nicht kleiner werden wird, im Gegenteil. Applikationen, die die Bedienung des Netzes einfacher machen (aber nicht immer besser), werden eher mehr als weniger. Apple hat den Trend gestartet, Andorid hat nachgezogen. Im Sommer wird Apple MacOS X auch für Apps öffnen, Windows wird mit Windows 8 was ähnliches machen und Google OS läuft komplett nur über Apps.

Blogs sind weiterhin ein wichtiger Bestandteil des Netzes, die Selbstpublikation wird es auch immer sein. Die Frage ist halt, welche Technik man dazu in die Hand bekommt. Vielleicht ist das, was wir im Moment noch als „Blogs“ kennen, eine ebenso überholte Technik wie die Foren, die in den 90er Jahren mal das Publikationstool waren.

16 Antworten zu „Warum Blogs immer weniger Links haben“

  1. Was die Mechanismen betrifft, stimme ich zu. Hervorragend beschrieben. Was die Identifizierung dieser Mechanismen als Probleme betrifft, bin ich anderer Meinung. Für mich ist das Evolution, nicht Problematik. Wenn es Technologien und Netzwerke gibt, die bestimmte Aufg

  2. Man kann die Resonanz – wie Jung von Matt – ja auch einfach faken.
    http://adsoftheworld.com/blog/jvm_fakes_blogosphere_feedback

  3. Was die Mechanismen betrifft, stimme ich zu. Hervorragend beschrieben. Was die Identifizierung dieser Mechanismen als Probleme betrifft, bin ich anderer Meinung. Für mich ist das Evolution, nicht Problematik.

    Wenn es Technologien und Netzwerke gibt, die bestimmte Aufgaben besser übernehmen können, die bisher von Blogs mit abgedeckt wurden, ist es ja nur für diejenigen ein Problem, die an der bisherigen Technik unbedingt festhalten wollen. Bestimmte Aufgaben können und müssen Blogs heute nicht übernehmen. Das hat auch Vorteile. Hinzu kommt, dass ein Link in einem Social Network oft viel mehr für Findbarkeit und Suchmaschinenrank bringt – wenn man denn darauf aus ist – als der aus einem niedriger gerankten Blog. (Ich weiß, dass das letztlich eine nahezu weltanschauliche Frage ist, besonders unter jenen Bloggern, denen es wichtig ist, dass sie auf Zugriffszahlen nicht viel Wert legen.)

    Hinzu kommt, dass man ja Twitter & Co ganz gut in ein Blog einbinden kann. Manche Blogs sind zu regelrechten Social-Media-Newsrooms geworden, und wenn das gut gemacht ist, findet man sich da viel besser zurecht als in einer chronologischen Abfolge von kurzen Links und langen Beiträgen. Wobei früher die Links dann oft hochwertige Inhalte auch sehr schnell nach hinten geschoben haben.

    Das mag Blog-Puristen nicht unbedingt gefallen. Ich finde es insgesamt aber bereichernd. Zugegeben: Die Orientierung fällt oft schwerer, und – wie ja auch Robert Basis neulich schon anmerkte – die blogübergreifenden Diskussionen sind weniger geworden oder haben sich auf andere Medien (mit) verlagert. Ich sehe das aber, wie gesagt, eher wertfrei als Entwicklung denn als Problem.

  4. Mir leuchten deine Ansätze völlig ein. Zugleich habe ich aber das Gefühl, dass die Blogs durch die Entwicklung noch stärker zu Vertrauensläden werden, wie die Buchhandlung um die Ecke, deren Betreiber man eben kennt und schätzt. Das würde bedeuten: Immer weniger Laufkundschaft, dafür ein kleines, feines (und mit der Zeit überalterndes) Stammpublikum.

  5. Ist die Annahme, dass Blog-Links nachhaltig Lesepublikum bringen nicht auch veraltet? Letzte Woche hat mich netzpolitik.org auf Twitter mal verlinkt, da hatte ich 700 Besucher mehr, aber das war ein Ein-Tages-Strohfeuer.

    Zu Facebook ist vielleicht noch hinzuzufügen, dass man rechtlich weniger Probleme bekommt, wenn man da was postet, dass rechtlich nicht einwandfrei ist. Klagen gegen Facebook-Einträge wären mir ja neu. Da bieten Blogs mehr Angriffsfläche. So verschieben sich Inhalte. Davon abgesehen finde ich viele Blogs auch einfach uninteressant und könnte einen Leserschwund durchaus verstehen.

  6. bin-da

    und doch bin ich per twitter auf den blog-eintrag gekommen ;-)

    ich glaube, man darf das nicht so grob sehen – es kann durchaus nützlich sein. abgesehen davon – wenn sich ein blog-eintrag darauf beschränkt, einen tollen link zu posten, dann ist das doch durchaus gerechtfertigt, wenn das über micro-blogs (twitter oder sonstwas) passiert – genau dafür ist das zeug ja da.
    einen blog-post schreibe ich dann doch eher, wenn ich etwas länger (mehr als 140 zeichen) zu sagen habe – und da können durchaus mehrere links in einem beitrag zu anderen blogs sein. man hat halt einfach eine vielzahl an möglichkeiten und nutzt die, die gerade praktisch, simpel oder ganz einfach in dem moment am passendsten ist.

  7. […] einen KommentarLinks ShareFacebookTwitterDiggStumbleUponDel.icio.usLinkschleuder 04/21/2011 Warum Blogs immer weniger Links haben – Irgendwas ist ja immer – Reloaded Willi Dorner, Bodies in Urban Spaces – a set on Flickr Reach Isn’t Awareness Posted […]

  8. Vielleicht ist das, was wir im Moment noch als “Blogs” kennen, eine ebenso überholte Technik wie die Foren, die in den 90er Jahren mal das Publikationstool waren.

    Ich sehe Foren als Diskussionstool, und das sind sie auch heute noch. Zu einigen Themen, die mich interessieren, kenne ich gut besuchte Foren, aber keine Blogs. (An Foren ist außerdem angenehm, dass man da mittendrin ist und nicht auf dem Podest steht, sie decken also andere soziale Bedürfnisse ab. Außerdem passiert in Foren sehr viel gegenseitige Unterstützung, z.B. bei technischen und gesundheitlichen und privaten Themen.)

    Kein Mensch weiß, wie viele Seitenaufrufe deutschsprachige Foren insgesamt haben, oder? Wenn doch – würde mich interessieren.

    Es geht aber noch altmodischer. Es ist nur wenige Jahre her, dass ich eine Frau überzeugen wollte, für ihren kleinen Verein ein Blog einzurichten anstatt einer Homepage mit Gästebuch. Einem Gästebuch! Klingt unglaublich verstaubt, oder? Aber neulich ist mir aufgefallen, dass es die Gästebücher zum Xing-Profil immer noch gibt.

    Manche Leute mögen Traditionen.

  9. […] Blogger-Urgestein Don Dahlmann nimmt Stellung zur Lage der deutschen Blogs in Zeiten von Twitter und Facebook. […]

  10. Mangelnde Innovation kann ich nicht erkennen. Hier kann ich aber nur für WordPress sprechen, das System mit dem ich mich beschäftige.
    Möglich ist vieles bis fast alles. Wenn ich mir anschaue was ich als Auftragsarbeiten so alles mache, dann wundere ich mich manchmal auf was für Ideen die Leute kommen. Das „Problem“ ist allerdings vielmehr das, dass die Zielgruppe gewechselt hat. Früher hatte man viel häufiger für Blogger Lösungen gesucht und gebastelt. Heute geht es eher in den professionellen Markt, also Blogs als Verkaufsplattform. Das Blog als Diskussionsplattform scheint es eher weniger zu geben. Die Diskussionen haben sich, wenn sie denn mal stattfinden, in die Kommentare verlagert. Und hier gehe ich davon aus das es am Zeitfaktor liegt.
    Etwas was ich schon vor etlichen Jahren mal angesprochen hatte. Wenn es immer mehr Blogs gibt, wird es immer weniger Leser für das einzelne Blog geben. Denn der Tag hat nur 24 Stunden und die verfügbare Zeit eines potentiellen Lesers wird nicht mit der Anzahl an verfügbaren Blogs steigen. Wer also mehr Informationsquellen folgen will, muss zusehen das er dies effektiver macht. Und dies resultierte in Twitter (vormals del.icio.us) und Facebook.

    Das entspricht in etwa dem, was du bereits beschrieben hast. Ein Klick auf einen Like-Button ist schneller ausgeführt als einen eigenen Beitrag zu schreiben. Es wäre im Prinzip kein Problem einen Like-Button für WordPress zu programmieren, jedoch scheint kein Bedarf dafür vorhanden zu sein. Denn es gibt offenbar kaum jemanden der die durch diesen Like-Button erzeugten Ergebnisse lesen würde.
    Deswegen verstehe ich deine Kritik ab dem Punkt „Innovation“ nicht. Ein WP-Like-Button würde die Links wohin publizieren? In das Blog welches zu langsam für die diese Gesellschaft ist. Und bei PressThis muss man den Beitrag noch schreiben, was man bei Twitter nicht machen muss? Warum kann man bei PressThis nicht noch 140 Zeichen eigenen Kommentar hinzufügen bzw. warum ist das nervig? Natürlich gibt es jede Menge Tools die auch außerhalb von Twitter und RSS über neue Beiträge informieren. Das Problem liegt ja wieder nicht darin wo oder wie die neuen Inhalte erfasst werden, sonder wo sie dann weiter verarbeitet werden. Und hier ist das Blog wieder zu langsam im Vergleich zu Twitter & Co.

    Mangelnde Innovation kann ich also vorne und hinten nicht feststellen. Die Plugin-Autoren (zumindest die für WP) sind nach wie vor innovativ. Lediglich die Bedürfnisse der Nutzer haben sich gewandelt. Wenn niemand einen Like-Button für WP haben will, dann wird es solch einen auch nicht geben. Ansonsten muss man halt mal jemanden fragen der Plugins schreibt ob es so etwas gibt oder jemand so etwas basteln könnte.

  11. […] Don Dahlmann schildert in -Irgendwas ist ja immer Reloaded- Blog über die zeitgemäße  Nutzung von Blogs. Mit der Eingangsfrage warum Blogs immer weniger Links in der Szene und auch von externen Quellen kriegen und damit in der Gewichtung innerhalb der Medienlandschaft immer rückläufiger sind. Er stellt die Versäumnisse der Software Schmieden Blogger und WordPress sowie die neuen Dienste Facebook und Twitter als DIE bequeme Alternative voran um das Phänomen zu beschreiben. […]

  12. Vielleicht hat das am Rande auch mit einer fehlenden Verlinkungs-Kultur zu tun. Früher kam es meiner Meinung nach häufiger vor, dass man als Blogger in einem Beitrag zum Thema X auch noch andere Blogs verlinkt. In letzter Zeit kommt das meiner Meinung nach deutlich seltener vor.

  13. […] Warum Blogs immer weniger Links haben – Irgendwas ist ja immer – Reloaded […]

  14. […] durch diesen Artikel bei Don Dahlmann habe ich mich endlich mal mit dem Thema Blogroll auseinandergesetzt bzw. eine selbige aufgesetzt. […]

  15. Mittlerweile ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich einen Blogbeitrag lese, höher, wenn ich darüber via Twitter erfahre, insofern ist Twitter + Facebook schon eine Bereicherung. Dass dadurch vielleicht weniger verlinkt wird, finde ich gar nicht schlimm. Doof ist nur, wenn sich Kommentare zu einem Blogpost auf Twitter, Facebook und das Kommentarfeld verteilen.
    Und zu den Tools: Technorati ist schon lange tot, wikio total aussagelos und die Deutschen Blogcharts… naja, dazu könnte man einen ganzen Artikel verfassen.

  16. […] Blogger-Urgestein Don Dahlmann nimmt Stel­lung zur Lage der deutschen Blogs in Zeiten von Twit­ter und Face­book. […]