Die Kriegserklärung

Dass die Politik das Treiben im Netz eher kritisch betrachtet, ist keine neue Erkenntnis. So hört man Stimmen, die etwas von einem „rechtsfreien Raum“ berichten, obwohl sämtliche Gesetze auch im Netz ihre Anwendung finden. Der unkontrollierte, basisdemokratische Austausch über die social Media Plattformen und vor allem die anonyme Verbreitung von Meinungen und Informationen, stören das bisher sorgsam austarierte Gleichgewicht zwischen Presse, Politik und öffentlicher Meinung. Der Politik fehlen im Netz die Hebel, die man sonst gerne ansetzen kann. Es gibt keine Verleger oder Chefredakteure, die man unter Druck setzen könnte, oder die in alter Freundschaft auch mal eine Geschichte kleiner fahren, als sie es verdient hätte. Es gibt kaum benennbare Journalisten, die man zur Strafe aus den inneren Zirkeln der „Hintergrundgespräche“ heraus halten kann und niemanden, der die Verteilung von Meinung und Information stoppen könnte. Das Internet muss manchen als virtueller Marktplatz vorkommen, auf dem sich wilde Horden zusammenrotten, die für Unruhe sorgen. Abschalten kann man es ja leider nicht, dafür ist es wirtschaftlich zu wichtig. Und was passiert, wenn man das macht, hat man ja gerade schön vor Augen geführt bekommen.

Ein Teil der Netzgemeinschaft hat seit einiger Zeit angefangen, sich aktiv in die Politik einzumischen. Der zumindest teilweise Fall der Vorratsdatenspeicherung war der erste, „Zensursula“ der zweite Warnschuss, den die damals zuständige Ministerin von der Leyen nur knapp unbeschadet überstanden hat. Immerhin sorgte der wachsende Protest dafür, dass das Gesetz (bisher) nicht zur Anwendung kam. Die Organisation des Protestes in Stuttgart, die ebenfalls stark durch das Netz beeinflusst war, zeigte, wie schnell aus braven Bürgern politikverdrossene Demonstranten werden können, die ihr Picknick auf einer grünen Wiese auch nicht von polizeilichen Aufforderungen stören lassen.

Die Affäre um zu Guttenberg ist dann der erste Fall, in dem das Netz eine aktive Rolle beim Sturz eines Politikers gespielt hat. Man muss allerdings auch sagen, dass die ganze Sache auch deswegen so hoch geschwappt ist, weil die FAZ sie mit angetrieben hat. Die Verzahnung zwischen Netz und Presse, bzw. deren Gegenreaktion durch die „Bild“, war schon interessant, zeigt es doch auch, dass die Redaktionen nicht mehr in der Lage sind, sich komplett gegen das Netz zu sperren. Es ist halt doch nicht nur Schrott, was da raus kommt, das Guttenplag Wiki hat vielen Journalisten vermutlich erst vor Augen geführt, wie stark die Doktorarbeit in der Kritik stand. Gleichzeitig haben viele Medien daraufhin mal genauer nachgeschaut, was da in der Uni Bayreuth eigentlich so los ist. Ähnlich wie bei „Wikileaks“ findet hier eine interessante Arbeitsteilung statt. Das Internet gräbt aus und analysiert, die klassischen Medien berichten und sorgen für eine weitergehende Verbreitung. Unter „normalen“ Umständen hätte die Prüfung der Doktorarbeit mehrere Monate gedauert, dank des Netzes war die Sache in drei Tagen abgehakt. Damit hat das Netz maßgeblich zum Sturz von zu Guttenberg beigetragen, was im Grunde auch einer Kriegserklärung an die bisher bestehenden Strukturen gleicht.

Es dürfte interessant zu beobachten sein, wie sich die Politik auf die geänderten Informationsflüsse einstellt. Welche Maßnahmen ihr zur Verfügung stehen, einen möglichen status quo ante wieder einzuführen. Es gibt dafür durchaus einige Varianten, die damit anfangen, dass man eine anonyme Nutzung des Netzes unmöglich macht (erzwungene Identifizierung), was ja dank des E-Persos schon im Gespräch ist und innerhalb von Angeboten, die in Deutschland dem Jugendschutz unterliegen, auch schon praktiziert wird. Das Einstampfen der Netzneutralität, eine Verschärfung des Urheberrechtes inkl. des Leistungschutzrechtes und eine, mittels Grundgesetzänderung, eingeführte Vorratsdatenspeicherung sind nur die bisher bekannten Methoden, eine anonyme Meinungsäußerung im Netz zumindest in Frage zu stellen. Ob das politisch durchsetzbar ist, dürfte dann wieder eine andere Frage sein.

Das mit Hans-Peter Friedrich jetzt ein CSU-Mann kommt, der für Netzsperren und Vorratsspeicherung ist und der eher als „Hardliner“ gilt, wird kein Zufall sein. Die CSU hatte ja sonst auch keine Bedenken ungeeignete Minister (Glos) in irgendein Amt zu schubsen, nur damit sie den Posten haben. Es könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Regierung den Fehdehandschuh aufnimmt, den ihr Teile der Netzgemeinschaft hingeworfen hat.

Allerdings dürften die neuen Freiheiten des Netzes mittlerweile auch so tief in der bürgerlichen Mittelschicht verankert sein, dass es schwer werden wird einen Umkehrprozess einzuläuten. Die Schlagworte „Terrorismus“ und „Kinderschutz“ sind mittlerweile derartig abgenutzt, dass selbst unkritische Zeitgenossen kaum noch auf etwaige Instrumentalisierungen herein fallen. Das Netz durchsichtiger zu machen, vom User zu verlangen, dass staatliche Organe immer und jederzeit wissen, welche Webseite er sich gerade anschaut, mit wem er wie kommuniziert usw., ist aber so, als würde man überwachen, welche Fernsehprogramme jemand Abends sieht um daraus ein „Gefährdungsprotokoll“ zu erstellen. Der Protest wäre in dem Fall vermutlich ohrenbetäubend.

Dennoch gehe ich nicht davon aus, dass die politische Führung aller Parteien die Dinge so weiterlaufen lässt, wie bisher. Die oben genannten Beispiele sind vermutlich nur ein Teil der Ideen, die manchen Politiker gerade so durch den Kopf gehen. „Chinesische“ Verhältnisse, zumindest im Netz, wären vermutlich gerne gesehen. Man wird in den nächsten Monaten wachsam sein müssen, was sich da vor allem auch auf europäischer Ebene tut, denn die EU wird ja gerne für solche Dinge vorgeschoben.

23 Antworten zu „Die Kriegserklärung“

  1. tobi

    „zeigte, wie schnell aus braven Bürgern politikverdrossene Demonstranten werden können“

    politikerverdrossen != politikverdrossen. Die Demonstranten sind doch in höchstem Maße politisch aktiv und interessiert!

  2. […] Don Dahlmann hat einen Lesenswerten Kommentar zum aktuellen Verhältnis Internet vs. Politik in Deutschland geschrieben. Der Titel: Die Kriegserklärung – na dann. Lesebefehl! […]

  3. Das mit dem Guttenplag-Wiki war sehr gut aufgezogen, ich weiß nicht, ob mit voller Absicht oder nur durch glückliche Umstände. Ich meine damit, dass es quasi anonym gestartet wurde, dadurch wurde es in gewisser Weise fast unangreifbar. Ich bilde mir ein gelesen zu haben, dass als der Plagiatsvorwurf das erste Mal Thema im Bundestag war, irgendwer einwarf, das Guttenplag-Wiki hätte ja gar kein richtiges Impressum und wer ist das da überhaupt?

    Es ist gut, dass es anonym geführt wurde. Man hat das am Anfang der Debatte gesehen, da wurde dem Entdecker des Plagiats, dem Bremer Juraprofessor Fischer-Lescano, vorgeworfen, dass er aus der linken Ecke kommt usw., sprich, es wurde abgelenkt. Dank des anonym angelegten Wikis war das nicht so einfach möglich. Ich weiß nicht, ob die Sache so abgelaufen wäre, wenn das eine deutsche Seite mit gültigem Impressum einer Privatperson gewesen wäre, die man mit einer einstweiligen Verfügung über Nacht aus dem Netz hätte kegeln können …

    Dazu noch ein schöner Link, der mir gerade beim googeln unter die Augen kam:

    http://www.cmkgroup.de/newsticker/meldungen/2011/02/743-guttenberg-plagiate-guttenplag-wiki-betreiber-versteckt-sich-feige-hinter-der-anonymitat-des-internets.html

    Jaja, versteckt sich feige in der Anonymität … Bei der Abmahnungsmaschinerie heutzutage in Deutschland ist Anonymität reiner Selbstschutz …

  4. Das wird auch das soziale Ereignis sein, was bei Guttenplag-Wiki die Politiker am wenigsten verstehen werden.: dass da eine nicht unwesentliche große Menge Mensch sich keinen Deut darum schert, namentlich genannt zu sein oder einen Hauch von Berühmtheit für sich daraus zu erzielen.

    Sozialer anonymer Demokratie mit stillem ernsthaftem Interesse an den Dingen – dann mit solchen Auswirkungen zu begegnen, das muss jedem Politiker fürchterliche Angst bereiten. Und natürlich wäre die Sache nicht anonymisiert nie so abgelaufen.

  5. A. Nonymous

    Eine interessante Frage ist, ob unsere Regierung da einen Masterplan gegen das Internet verfolgt oder es nur so aussieht als ob. Angesichts dessen was hier als Netzpolitik bisher so betrieben wurde – z.B. Netzsperren, Three-Strikes, zentralisierte überwachbare Kommunikation (DE-Mail) und Netzausweis(pflicht) aka ePerso – fällte es schwer dahinter keine zielgerichtete Aktion gegen Meinungsfreiheit, Kommunikationsfreiheit und Anonymität zu sehen.

    Dabei ist es eigentlich ziemlich egal, ob es da jetzt einen physikalischen Masterplan gibt, dem die Regierung folgt oder ob es sich nur um spontane Selbstorganisation der reaktionären Inkompetenz handelt. Das Ziel und die Wirkung sind die selben.

    Die Regierung sieht das Internet als Bedrohung ihres Machtanspruches als Gottkönige von eigenen Gnaden. Insofern ist es nur folgerichtig, dass bei uns nicht der Forschungsminister für das Internet zuständig ist, in dessen Resort es gut passen würde, sondern der Innenminister, also derjenige der die Gefahrenabwehr betreibt.

  6. […] Es gibt keine Verleger oder Chefredakteure, die man unter Druck setzen könnte, oder die in alter Fr… […]

  7. […] Bürger wahrscheinlich nicht das es unbedingt friedlich wird in good old Germany sondern schmeckt ein bisschen nach einer Kriegserklärung an alle die mit dem Computer mehr tun als kopieren und […]

  8. Hmm, ob der Zeitpunkt naht endlich IM ERIKA zu „enttarnen“?

    #k.

  9. Iris

    Politiker, die sich gegen das Netz stellen und/oder versuchen, es unter ihre Kontrolle zu bringen, zeigen damit ganz deutlich, was sie von Demokratie in Wahrheit halten: Nichts. Ich betrachte solche Politiker daher als Feinde der Demokratie, die vom Volk in und außerhalb des Netzes hartnäckig bekämpft und als das entlarvt werden müssen, was sie sind: Machtgierige Autokraten.

  10. 1. Es ist nicht „das Netz“, es sind die Menschen im Netz. Politik fängt mit dem Gespräch von Mensch zu Mensch an.

    2. Und ja, die kackdreiste Arroganz der meinungsmachenden Verlage soll sich in Demut verwandeln, so wie es die BILD angesichts ihrer fehlgeschlagenen Guttenberg-Rettungskampagne schon ansatzweise zeigte.

    3. Ohne Rechtsabteilung nen Guttenplag.de aufsetzen? Never ever.

    4. Auf EU-Ebene steht an: Netzsperren, ACTA. Das ist jetzt schon schlimm genug.

  11. Ist mir zuviel Verschwörungstheorie. Ich mag das nicht, wenn Politik so gesehen wird, das ist nicht weit weg von der Sichtweise der politikfernen Gutti-Befürworter.

    Es mußte ein CSU-Minister werden, für Verteidigung gabs da keinen, also Rochade. Das war mit Brüderle schwierig, der kann ja nix, Rösler und von der Leyen sind zu speziell. War das nicht also so vorauszusehen?

    Fürs unser geliebtes Internet wäre es natürlich besser gewesen, man hätte einfach Guttis Staatssekretär genommen und uns de Maizière gelassen, aber vielleicht wollte Friedrich doch gern, so sehr er seinen Freiherren gerade noch verteidigt hat – als Landesgruppenchef ist man eben doch als nächster an der Reihe.

  12. hilti

    Du machst es dir zu einfach Don.

    Das mit Hans-Peter Friedrich jetzt ein CSU-Mann kommt, der für Netzsperren und Vorratsspeicherung ist und der eher als “Hardliner” gilt, wird kein Zufall sein. Die CSU hatte ja sonst auch keine Bedenken ungeeignete Minister (Glos) in irgendein Amt zu schubsen, nur damit sie den Posten haben.

    Der Friedrich kommt, weil er CSU-Mann ist und weil er Landesgruppenchef war und damit genau wie Glos an der Reihe war. Und weil die CSU keine anderen ministrablen Leute hat. Verteidigungsminister haben sie ihm nicht zugetraut und deswegen den einzigen halbwegs kompetenten Mann den Posten wechseln lassen.

    Hat die CSU halbwegs das Beste aus der Situation gemacht, weil sie sich nun durch einen Innenminister wieder als Law-and-order-Partei profilieren können. Und die FDP als Gegenpol kann sich wieder mehr als Bürgerrechtspartei profilieren. Falls man es denen noch abnimmt…

  13. flo

    Ich weiss nicht so richtig, ob die Idee von der Freiheit des Netzes tatsächlich schon in der „bürgelichen Mitttelschicht“ (wer auch immer das genau ist) verankert hat und diese unempflänglicher für dumpfe Parolen geworden ist.
    Ehrlich gesagt habe ich manchmal die (zugegeben extrem pessimistische) Ansicht, dass sich gewisse populistische Ansichten da gerade noch mehr verbreiten.
    Aber warscheinlich fällt das auch gerade nur besonders auf dank der ganzen „Wir-wollen-Gutti-zurück-Spinner“ … Und ehrlich gesagt glaube ich auch, das es wohl leider eben auch jene sind die sich da gerade ( letztlich auch im Sinne der Bildzeitung) zusammenrotten, die (zummindest mir) in grausiger Erinnerung bleiben werden.
    Das Gute Netz™ ist, zumindest für die, deren Hauptaktivität im Like-Button klicken besteht, immernoch ein eltitär/nerdischer Kreis, denke ich.

  14. Politiker, die sich gegen das Netz stellen, sind einfach nur dämlich, kein machtgierigen Autokraten oder sonstwas. Diese Menschen haben einfach nicht verstanden, wohin die Reise geht. Sie verstehen neue Dinge nicht oder nur sehr langsam und wissen daher nicht so recht etwas damit anzufangen. Deshalb haben sie Angst. Und was tun Menschen, wenn sie vor etwas Angst haben? Sie bekämpfen es. Beim Netz wird das nicht funktionieren. Am Ende also eine ganz simple Frage der Evolution: Wer wird bleiben, das Netz oder die ängstlichen Menschen?

  15. […] 46. Loadblog (329) 47. Wildstyle Magazine (347) 48. Hauptstadtblog 352) 49. Freischreiber (365) 50. Irgendwas ist ja immer – Reloaded (369) 51. Pimpettes (377) 52. urbanophil.net (378) 53. eliterator.de (383) 54. Duckhome (409) 55. […]

  16. Mit der Wachsamkeit bitte *jetzt* anfangen, Brüssel geht in die nächste Runde.

  17. […] Dahlmann Die Kriegserklärung Nachdem das Süßstoffbrot nicht schmeckte, folgt nun die Peitsche: Merkels […]

  18. Nadine

    Ich sehe das ähnlich wie Flo… ich weiß nicht, ob du dich eher in Kreisen bewegst, die sich informieren und kritisch mit diesen ganzen Dingen umgehen, Don, aber bei mir im Bekanntenkreis bemerke ich immer wieder, wie wenig die Leute mitkriegen, und wie sorglos sie sind. So nach dem Motto „aber wir leben doch in einer Demokratie, nicht in China“.

  19. Damit hat das Netz maßgeblich zum Sturz von zu Guttenberg beigetragen, was im Grunde auch einer Kriegserklärung an die bisher bestehenden Strukturen gleicht.

    Das sehe ich genau andersrum. Der Fehdehandschuh kam schon viel früher, und zwar aus der Bundesregierung. Spätestens Zensursula hat ihn geworfen mit ihren Sperr-Fantasien und den Verträgen mit den fünf großen Providern. Von Guttenplag wußte da noch niemand was.

  20. Ich denke nicht dass es bei der Besetzung des Amtes durch Herrn Friedrich um etwas anderes als die Abbildung parteiinterner Machtstrukturen ging.
    Er hat sich hochgearbeitet also steht im da mal ein Amt zu. Kompetenz spielt dabei eher eine untergeordnete Rolle.

  21. […] dahlmann: Die Kriegserklärung. Schöner Artikel über Politik, das Internet, die Holzmedien usw. Lesepflicht! Dass mit Hans-Peter […]

  22. anonym

    Es wird immer wieder behauptet, daß das Abschalten des Netzes nicht funktioniere, weil es wirtschaftlich zu wichtig wäre. Das kann ja sein, aber ob das wirklich der wichtigste Grund ist? Und wie wirtschaftlich wichtig ist es wirklich?

    Auch wenn das naiv wirken mag, kann ich mir bei aller Anstrengung nicht vorstellen, was am Netz so extrem wichtig für die Wirtschaft ist. Man müßte sich mal vorstellen, was morgen wäre, wenn das Netz komplett oder in wichtigen Teilen ausfiele. Da würden einige Firmen den Bach runtergehen, schön und gut. Aber der größte Teil der Wirtschaft müßte doch weiter handlungsfähig bleiben, gesetzt den Fall, das Netz fiele weiterhin oder sogar dauerhaft aus. Und die würden das sicherlich auch schaffen.

    Ich vermute hier ganz vorsichtig, daß es, zumindest im Westen, weitere Gründe gibt für den Staat, das Netz nicht abzuschalten. Z. B. um den Schein aufrechtzuerhalten, daß es demokratisch zugeht.

  23. […] Die Kriegserklärung (Wie das Netz beim Sturz von Guttenberg mitgeholfen hat und was dies nun künftig für die Politik bedeuten könnte.) […]