Das Problem mit dem „Like“ Button

Die „Deutsche Bahn“ ist jetzt auch auf Facebook. Das wäre an sich eine schöne Sache, wenn es denn wirklich die „Deutsche Bahn“ wäre. Also wenn die Bahn einen Kommunikationskanal geöffnet hätte, in dem sie mit Facebook-Usern und Kunden auf Augenhöhe kommunizieren würde. Aber das tut sie nicht. Sie, bzw. die Agentur, die dahinter steckt, hat einen „special marketing“ Kanal aufgemacht, der, soweit man das sehen kann, sich nur auf eine bestimmte Aktion begrenzt. Wer Facebook-User ist, kann an der Aktion „chefticket“ teilnehmen, die Fahrkarte beinhaltet, mit der man bis zum 15.12. für 25 Euro durch Deutschland reisen kann. Jedenfalls heißt der Kanal bei Facebook „chefticket“ und nicht „Deutsche Bahn“. Das ist nichts anderes, als eine Rabattmarke für ein absichtlich außerhalb der Weihnachtstage geltendes Angebot. Im Grunde hat es nichts mit der neuen Form der Kommunikation auf Augenhöhe zu tun, es ist nur ein Vertriebskanal für ein Angebot, dass in dieser und anderen Formen schon seit Ewigkeiten in verschiedenen Medien angeboten wird. Warum das zweitklassige Angebot „chefticket“ heißt, ist dann noch eine völlig andere Frage.

Über das Angebot mag man streiten, vor allem über seine offensichtliche Platzierung, vor Weihnachten bzw. den expliziten Ausschluss der Feiertage. Um mehr über das Angebot zu erfahren, bzw. um „Buchungserinnerungen“ zu bekommen, müsste ich dieses Angebot per „Gefällt mir“ Button zu meinen Empfehlungen für meinen Freundeskreis hinzufügen. Aber warum sollte ich das tun?

Ein Klick auf einen „Like Button“ ist eine spezielle Angelegenheit. Bei Musik oder einem Text mag es leicht fallen. Ich mag den Song, ich mag diesen speziellen Text eines Autors – das ist einfach. Aber wie sieht es bei einem generellen „Like“ Button aus, der eine Firma betrifft, noch dazu einer Firma, die insgesamt und im speziellen wegen der undurchsichtigen Planfeststellungsverfahren in Stuttgart in der Kritik steht? Sicher, ich mag die Bahn. Im Grunde funktioniert sie, man transportiert mich mehr oder weniger schnell und zuverlässig an meinen Zielort. Aber die Nuancen der Kritik transportiert ein genereller „Like“ Button eben nicht.

Das wäre nicht so schlimm, wenn die Bahn grundsätzlich einen Kommunikationskanal auf Facebook öffnen würde, auf dem ich meine Kritik los werden könnte. Stattdessen bekomme ich aber nur einen temporären Account geliefert, ich darf das befristete Angebot „liken“, mehr nicht. Ob die Seite gelöscht wird, wenn das Angebot in sechs Wochen ausgelaufen ist, wird nicht kommuniziert, aber die sehr spezielle Benennung des Accounts deutet daraufhin.

Wenn ich Firmen in Sachen Social Media berate, warne ich sie immer davor, dass Fass „Social Media“ ohne einen langfristigen Plan auf zu machen. Und ich warne sie auch vor überzogenen Erwartungen. Manche, wirklich große Kunden, die Millionen Kunden haben, wundern sich, dass diese nicht einfach den „Like“ Button klicken. „Wir haben doch XY Millionen Kunden, Facebook hat 12 Millionen User in Deutschland, also müsste ich doch mindestens 10% erreichen.“ Mal abgesehen davon, dass man mit klassischer Werbung so viele User auch nur auf dem geduldigen Papier von den beratenden Agenturen erreicht, zeigen die meist geringen Klickraten der „Like“ Button noch etwas anderes an: Das es den Kunden extrem schwer fällt, sich mit einer Marke auf Dauer zu identifizieren. „Like“ zu klicken bedeutet umgangssprachlich, dass man sich ohne jegliche Hinterfragung mit einer Marke identifiziert, egal was sie macht. Das mag bei Mode, Musik oder Texten klappen, aber nicht bei richtig großen Firmen, die einen wiederkehrenden Einfluss auf den Alltag haben.

Beim Beispiel der Bahn bedeutet das ganz einfach, dass ich die xte Verspätung im ICE/Regional/S-Verkehr, die Kaputt-Sanierung der Berliner S-Bahn oder eben Stuttgart 21 auch gut heiße. Aber wer kann so etwas, mal abgesehen vom Vorstand der Bahn, schon tun?

Die Bahn hat sich in den letzten Jahren ein extrem negatives Image aufgebaut, dass allerhöchstens noch von den monopolistischen Stromkonzernen übertroffen wird. Bei einem offensichtlich kurzfristigen Angebot per Facebook an all meine Freunde zu signalisieren, dass ich die Bahn mag fällt zumindest mir so leicht, wie mich in Brennesseln zu wälzen. Ein „Like“ geht mir in diesem Fall genauso schwer von der Hand, wie ein Kreuz bei der nächsten Bundestagswahl.

Es würde mir leichter fallen, wenn man von offensichtlichen Versuch einer temporär eingeschränkten, und durch eine Agentur orchestrierten, Aktion Abstand nehmen könnte, und einen Facebook Account „Deutsche Bahn“ eröffnen würde, über den man wirklich kommuniziert. Ginge das einher mit einem Twitter Account, auf dem auf Anfrage aktuelle Verspätungen, Umsteig-Probleme usw. von einem Team beantwortet werden würden, wäre das ein Signal, dass mich den „Like“ Button vielleicht klicken ließe.

Fazit: Facebook als eine erweiterte POS-Aktion zu missbrauchen ist eine schlechte Idee. Es zeigt, dass man in Sachen Kommunikation nichts gelernt hat. Man hält den Kunden weiterhin für zahlende Idioten, denen man mit Lockangeboten suggeriert, dass man doch eigentlich ganz nett ist. Mit echter, mit der neuen Form der offenen, transparenten Kommunikation, hat das nichts zu tun. Das Problem für die Bahn, wie für andere Firmen, die sich auf diesen Blödsinn einlassen, ist nur, dass die Kunden sich merken, wenn Firma eine Plattform der offenen Kommunikation für reine Werbezwecke verwendet. Dem Image hilft das nicht.

16 Antworten zu „Das Problem mit dem „Like“ Button“

  1. Fast alles hat einen Preis, und wenn der Wert ihres Geschmacks auf Facebook kleiner ist als ein Ticket auf eben dieser Seite zu erwerben, dann greifen sie zu und bei so vielen Nutzern findet sich immer jemand, der das tun wird.

  2. Torsten

    Bei diesem Text hätte ich gern den „Like“-Button gedrückt – um schnell und einfach meine Facebookfreunde aufmerksam machen zu können ;)

  3. Wie gut, dass darunter ein Flattr-Button steht. Und wie gut, dass du meine Meinung zu der Geschichte besser in Worte gefasst hast, als ich es hätte tun können.

  4. Tim

    Von der Textfarbe und dem zu großen Zeilenabstand bekomme ich „Balken in den Augen“

  5. Martin

    Nun …

    …würde ich ja normalerweise einen „Like“-Button anklicken, um diesen Text bei Facebook an andere zu empfehlen. Allerdings habe ich verstanden und gelernt. Ich mache das nicht. Denn obwohl ich den Inhalt durchaus ansprechend finde, habe ich ein Problem mit den dutzenden Rechtschreibfehlern. Und wenn ich dann einen „Like“-Button anklicken würde, dann würde ich doch auch sagen: „He, schaut Euch das an, ich habe kein Problem mit der Sechs!-Setzen!-Rechtschreibung“ – und das geht auf keinen Fall, ganz gleich, ob mir nun der Inhalt an sich gefällt oder nicht.

  6. Ngai hat Recht – die deutsche Bahn ganz anscheinend sehr gut zwischen den Dummköpfen die drauf reinfallen und den Gewitzten wie uns unterscheiden unddementsprechend handeln – dabei sind sie bisher auch immer noch sehr erfolgreich bei – find ich zu mindest…

  7. […] Das Problem mit dem “Like” Button – Irgendwas ist ja immer – Reloaded "Fazit: Facebook als eine erweiterte POS-Aktion zu missbrauchen ist eine schlechte Idee. Es zeigt, dass man in Sachen Kommunikation nichts gelernt hat. Man hält den Kunden weiterhin für zahlende Idioten, denen man mit Lockangeboten suggeriert, dass man doch eigentlich ganz nett ist." – word! […]

  8. Wenn er kommen wird, alle zu richten, dann wird er sagen: „Nun kommt, ihr Guten. Nun kommt, ihr Gerechten. Zieht ein in die Hallen, die ich euch bereitet.“ Aber dann wird er sagen: „Nun kommt her auch ihr: Mörder. Säufer. Huren. Don Dahlmann. All ihr Abgetanen und Verlorenen, kommt her. Auch ihr.“ Dann werden die Guten, die Gerechten sagen: „Aber Herr, er trägt das Antlitz des Viehs, warum denn berufst du auch Don Dahlmann?!“ Und er wird sagen: „Gerade deshalb ja, ihr Guten. Gerade deshalb, ihr Gerechten, berufe ich gerade ihn. Weil er nie hat glauben können, dass er dessen würdig sei.“

  9. > Wer ist Diepold?

    Dein schlimmster Albtraum, wenn du so weiter machst. Frag Felix, zu was er fähig ist. Zuletzt hat er Lobos Wirtschaftswochen-Auftritt kaputt kommentiert. „Strohfeuer“ liegt trotz Werbung durch Ijoma „Gewissermaßen“ Mangold wie Blei in den Buchläden. Von Amazon ganz zu schweigen. Grund ist nicht zuletzt ein Hinweis zur Güte: http://s13.directupload.net/file/d/2290/iiea96oz_jpg.htm

  10. Marc N. Artikel

    Danke, Stefan!

  11. Klaus

    Die Deutsche Bahn zu lieben oder zu hassen – das wird wohl eben nicht durch „I Like“ transportiert. Weder die Facebook-Nutzer noch die Agentur der Deutschen Bahn denken so schmalspurig. Für 25 Silbermünzen reisen zu können – das ist ein Produkt, dass hier angeboten wird. Dazu kann ich mich mit „I Like“ bekennen – als Schnäppchenjäger.
    Das hat mit „Social“ natürlich nicht zu tun – es geht um einen Werbekanal und verbirgt das auch gar nicht. So weit alles klar.
    Spannender wirds aber, falls die Kommentarspalten auch nach einem unvermeidlichen „Sold out“ geöffnet bleiben. Bleibt dann ein Ramschladenimage? Gibt es ein Wutgeheul? Oder werden nur noch Dankesschreiben zugelassen? Wie offen – oder geschickt – die Bahn mit dieser Plattform umgeht, wird dann erst nachzulesen sein.

  12. Das mit der Deutschen Bahn und Facebook… tolle Sache! Bin mal gespannt, was im kommenden Winter auf der Seite los ist, wenn alle einfrieren oder im nächsten Sommer, wenn es wieder mal bei 50 Grad im ICE mit defekter Klimaanlage zum Kreislaufkollaps kommt. Facebook und die Deutsche Bahn? Braucht kein Mensch!

  13. helen wallment

    das internet ist ja so böse!