Zwei Anmerkungen zu den Vorgängen in Stuttgart:
1. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wurde verletzt.
Nach übereinstimmenden Berichten der Medien, bestand die Demonstration in Stuttgart aus „normalen“ Bürgern, Rentner, Schüler & Studenten. Weder das Innenministerium Baden-Württembergs, noch die Polizei erwähnt den normalerweise für seine militanten, provozierenden und gewalttätigen Aktionen bekannten „Schwarzen Block“. Eine Meldung, dass es Steinwürfe auf die Polizei gegeben hat, wurde vom Innenministerium in Stuttgart wieder zurückgezogen. Im Grunde geht es bekanntermaßen um die Fällung knapp 300 Bäume. Ob die Fällung zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nötig war, oder ob man sie auch etliche Tage hätte verschieben können, ist nicht bekannt, aber zumindest nicht unwahrscheinlich. Es haben also ein paar Tausend bis Zehntausend Bürger im Rahmen der im Grundgesetz festgelegten Versammlungsfreiheit friedlich ihre Meinung kund getan. Interessant ist die ja seit längerem umstrittene Frage, ab wann eine Sitzblockade und das nicht Befolgen einer polizeilichen Aufforderung als Straftat, bzw. Ordnungswidrigkeit zu werten ist.
Eine „Abwartetaktik“ der Polizei wäre vermutlich eine deeskalierende Maßnahme gewesen, die aber nicht stattgefunden hat. Stattdessen wurde der Park geräumt. Zwei Bemerkungen sind dabei interessant. Zum einen der nicht näher benannte Polizeisprecher, der bei Spiegel Online so zitiert wird.
Wenn die Demonstranten sich nicht rechtlich einwandfrei verhielten, „dann kann die Polizei auch mal hinlangen“, betonte er.
Zum anderen ist da noch der zuständige Innenminister Baden-Württembergs der folgendes gesagt haben soll (Quelle ebd.):
Es sei Aufgabe der Polizei, diese rechtlich genehmigte Baumaßnahme zu sichern, so Rech: „Dem kommen wir ohne Wenn und Aber nach.“ Die Polizei setze zwar weiterhin auf Deeskalation. Bei Straftaten oder Blockaden werde aber mit Härte vorgegangen.
Natürlich geht es um einen Rechtsverstoß, die eine Sitzblockade darstellen kann. Aber es geht auch um die Frage, unter welchen Aspekten man einen Rechtsverstoß auf welche Art und Weise verfolgt. Es handelt sich um eine sehr umstrittene Baumaßnahme, die massiv in der Kritik steht, aber im Grunde ist es eben nur eine lapidare Baustelle. Es geht nicht um Terroristen, die zum Ziel gesetzt habe, den Staat in seiner Gesamtheit zu schädigen. Die Gegner saßen in einem Park und nicht auf der Strasse. Sie haben nicht das Parlament gestürmt, oder damit gedroht. Es ging keine Gewalt von ihnen aus. Dennoch hat die Polizei auf Anweisung offenbar mittels Schlagstöcken, Reizgas, Pfefferspray, Wasserwerfern und roher Gewalt die Bürger bedrängt und einige von ihnen verletzt.
Das Schlimme daran: die Verhältnismäßigkeit der Reaktion wurde (gefühlt) verletzt. Das Problem der unverhältnismäßigen Eskalation berührt aber nicht nur die Frage, warum ein Staat zu solchen Mitteln greift, sondern auch, dass von ihm die (gefühlt unrechtmäßige) Unverhältnismäßigkeit ausgegangen ist. Automatisch stellt man sich die Frage: Wenn ein Staat schon bei einer relativ kleinen, relativ unbedeutenden Demonstration zu derartigen Mitteln greift, wie verhält er sich dann, wenn das rechtmäßig ausgeführte Bürgerbegehren größere Ausmaße annimmt? Wie kann ein Staat, der das Gewaltmonopol besitzt und das ihm niemand streitig macht, derartig dünnhäutig reagieren? Und welche verheerende Wirkung hat das auf das Politik- und Staatsverständnis der Bürger?
Nicht nur der Bürger hat den Staat und seine Entscheidungen zu tragen, auch der Staat muss sehen, wie er mit dem Bürger klar kommt. Er muss auch im Falle einer nicht gelösten Auseinandersetzung die Größe haben, einen Moment inne zu halten, um die Beschwerden und Sorgen der Bürger erneut zu prüfen. Wenn das bedeutet, dass der Bau eines Bahnhofs (!) sich weitere Monate verzögert, so ist das eine vom Staat zu tragende Tatsache. Es handelt sich nicht um ein Projekt, dessen Verzögerung die Autonomie des Staates, die innere oder die äußere Sicherheit gefährdet. Wenn das bedeutet, dass ein erneuter, demokratischer Prozess (Volksbegehren usw.) in Gang gesetzt werden muss, kann das nicht zum Schaden des Staates oder seiner Bürger sein.
2. Kaufen und lesen: „Postdemokratie“ von Colin Crouch. Zwar ist die Tonalität des Buches zu oft von wertenden und vor allem überalterten klassenkämpferischen Denkansätzen durchsetzt, doch die Beschreibung der prinzipiellen Auflösung der bisher bekannten Form der Demokratie löst einige „Aha“ Effekte aus.
34 Antworten zu „Die Unverhältnismäßigkeit“
Blöde Frage: Was hätte eine Abwartetaktik gebracht? Die Demonstranten wären auch morgen, übermorgen, in zwei Monaten da gewesen. Hier waren die S21-Gegner sehr gut organisiert.
Just an dem Tag einer Schülerdemonstration die Räumung anzuberaumen erscheint mir hingegen als ein idiotisches Manöver. Obwohl: ich die kenne Details nicht – evtl. gab es da andere entscheidende Faktoren.
Die entscheidende Frage ist in meinen Augen: warum überhaupt Reizgas? Sicher – 1000 Leute wegzutragen kostet Zeit. Aber warum sollte unbedingt bis Mitternacht der Park frei sein? Ist am 1. Oktober irgendein Stichtag?
@Torsten: Jepp, Baumfällarbeiten dürfen nur in der vegetationsfreien Zeit zwischen dem 1. Oktober und 31. März vorgenommen werden. Deswegen auch der beginn nach Mitternacht. Und vermutlich wollte man die Arbeiten so weit wie möglich vor der Landtagswahl beginnen, damit wieder etwas Gras über die Sache wächst.
Aber ich glaube, Mappus & Co unterliegen ohnhein gerade einem totalen Realitätsverlust, hinsichtlich ihrer Wahrnehmung der Proteste. Die werden offenbar von allem Anderen, als den üblichen Verdächtigen getragen. Erinnert in dieser Hinsicht irgendwie an das geplante AKW in Wyhl Anfang der 70er Jahre. Da dachte die BW-Landesregierung auch, man habe es mit linken Umstürzlern zu tun, statt mit Bauern und gewöhnlichen Mittelschicht-Bürgern. Da dürfte deswegen gestern mehr verletzt worden sein, als ein paar hundert Demonstranten…
Ich tippe mal auf Mappus als Episode. Für sein erkennbares politkulturelles Vorbild Strauß fehlt ihm ohnehin das intellektuelle Format. Die Verschiebungen in den soziologischen Milieusstrukturen des Landes hat er deswegen auch vermutlich komplett übersehen..
[…] Dahlmann wundert sich über die eskalierte Gewalt bei der Demonstration gegen die Fälllung von Bäumen für Stuttgart21. […]
Strategisch war es tatsächlich der richtige Zeitpunkt, von Deeskalation auf Eskalation zu wechseln, und ich unterstelle, dass das genau deshalb zu diesem Zeitpunkt erfolgte. Eine Eskalation bringt nichts, wenn man sie nur „ein bisschen“ macht, „ein bisschen“ wäre ein Indiz für ein Entgleiten, hier gibt es aber nunmal einen deutlichen Sprung, was IMO eine bewusste Entscheidung vorraussetzt.
Der Zeitpunkt ist deshalb gut, weil zu befürchten stand, dass es „schlimmer“ wird, wenn nicht jetzt „gestoppt“ wird. Die Message an den gutbürgerlichen Normalschwaben ist deutlich: wer zu einer Demo geht kann sich seiner körperlichen Unversehrtheit nicht sicher sein. Der Innenminister sagte das dann ja auch hinterher ebenso deutlich, gerichtet an Kinder, Mütter, Eltern: Wer zu einer Demo geht ist selber Schuld, es ist auch nicht verhandelbar, denn es ist eine Zwangsläufigkeit konstruiert, denn man „müsse“ ja „das Recht mit allen Mitteln durchsetzen“. Es geht also um Abschreckung für die Zukunft unter Inkaufnahme von ein paar Tagen schlechter Presse.
Die Strategie ging in den 80gern schonmal auf, warum sollte sie heute nicht nochmal funktionieren.
Zur Postdemokratie: Die Auflösungstendenzen der Demokratie zu Gunsten der Reichen, der Wirtschaft und der Medien ist schon bei Henry David Thoreau in „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“ (1845–1849!!) auffindbar. Was hat sich seither geändert? Nichts. Gar nichts.
natürlich will die Bawü-Regierung ein Zeichen setzten. deswegen haben sie ja auch den frühestmöglichen zeitpunkt zum fällen der bäume gewählt. sie verfolgen die strategie das je unumkehrbarer das projekt zu sein scheint, der protest aus ihrer sicht irgendwann nachlassen muss. ich denke aber dass das eine krasse fehleinschätzung ist. währen die Herren Mappus und Grube sowie Frau Merkel (hat gar keine ahnung von dem projekt) so gut informiert (das wär auch ihr job!!!)wie die gegner des projekts würden sie die finger davon lassen, aber vermutlich sind sie durch „vetterleswirtschafts“-anschlussverträge eh schon abgesichert und werden mit hochgelegten füssen lustig zuschauen wenn wir in jahrzehnten immer noch die von ihnen vergeudeten milliarden wieder reinverdienen…
letztendlich bleibt zu mir nur ohnmächtig zu sagen. wenn der staat mit gewalt gegen seine bürger angeht, ist die politik am ende! mal sehen was jetzt kommt..
Ich war 1968 mit dabei, als gegen die Notstandsgesetze demonstriert wurde und ich habe 1985 in Frankfurt nur 400 Meter entfernt gewohnt, dort wo Günter Sare von einem Wasserwerfer überrollt wurde.
Ich bin wie die meisten entsetzt, entrüstet, wütend, über das, was in Stuttgart passiert ist. Desillusioniert, dass diese Unverhältnismäßigkeit wohl eher normal ist, bin ich fast auf den Tag genau, seit 28.09.1985.
»Aber es geht auch um die Frage, unter welchen Aspekten man einen Rechtsverstoß auf welche Art und Weise verfolgt.« Nö, dir geht es offensichtlich darum, wer den Rechtsverstoß begangen hat. Wenn das alles böse Antifas gewesen wären dann wäre draufhauen schon ok gewesen, dann hätte niemand gefordert, dass der Staat »einen Moment innehält« und »guckt, wie er mit seinen Bürgern klarkommt«. Passenderweise fordest du ja auch gar kein anderes Umgehen mit Gewalt und Gewaltmonopol, Entscheidungsstrukturen, Partizipationsmöglichkeiten … du forderst Innehalten, Abwartetaktik, Bäume später fällen, oder kurz gesagt: Mögen Staat und Kapitalismus bitte nicht gar so gruslig dreingucken.
[…] P.P.S.: Anlass für diesen Artikel war übrigens Don Dahlmanns Blogeintrag zur Frage nach der Verhältnismäßigkeit […]
@Adrian: Nein, das hast Du falsch verstanden. Zum einen wollte ich noch einmal klar machen, dass die üblichen Argumente des Staates, wenn er bei einer Demo zu Gewalt greift, in diesem Fall nicht greifen. Man kann aus einer Familie im Stadtpark keine gewaltbereiten Demonstranten machen, auch wenn Rech das gestern im ZDF probiert hat.
Ich fordere vom Staat, dass er die Größe besitzt, das gemeinsame miteinander nicht zu gefährden. Ich bin mir im Klaren, dass das utopisch ist, aber ich habe die Hoffnung da noch nicht aufgegeben.
@DonDahlmann: Ist staatliche Gewalt gegen «Gewaltbereite» gerechtfertigt?
»Größe«, »Gemeinsames Miteinander« … mit was für Ideen operierst du denn da? Größe kannst du einem Oligarchen oder Diktator abverlangen, meinetwegen einem Bundespräsidenten, aber doch keinem Staat. Ich würde auch jederzeit auf Größe beim Staat verzichten, wenn dafür für manche Leute ein bisschen weniger Scheiße vom Himmel regnen würde. Gemeinsames Miteinander ist eine völlig absurde Idee angesichts der gesellschaftlichen Realitäten in Deutschland, erzähl mal einer Abschiebegefangenen oder nem Hartz4ler der wegen Schwarzfahren im Knast sitzt oder einer Mutti aus nem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern was von unserem gemeinsamen Miteinander.
Ich finde, dass die Argumentation hier auch der bürgerlichen Einstellung zu bösen, gewaltbereiten Autonomen auf den Leim geht.
„Man kann aus einer Familie im Stadtpark keine gewaltbereiten Demonstranten machen“ Dieser Satz zeigt doch, dass es einen berechtigten Unterschied zu geben scheint, was den Umgang mit Protestierenden angeht. Dieser Unterschied wird immer wieder seitens der Massenmedien und der jeweiligen Regierung gemacht. Warum wird das aber nicht in Frage gestellt??
Momentan ist die Losung in den Massenmedien „Es sind sogar Kinder und Mütter (wahlweise nicht Mütter sondern Frauen) unter den Opfern“. Der Skandal ist nicht, dass es zu Ausschreitungen kommt. Der Skandal ist nicht die Härte der Maßnahme. Der Skandal ist nicht, dass es friedlich Protestierende trifft. Der Skandal ist, dass es bürgerliche Menschen trifft. Und noch skandalöser ist, dass es noch Frauen, Kinder und Alte trifft. Neben dem, dass unterstellt wird, dass Kinder, Frauen und Alte nicht gewalttätig sein könnten und/oder generell besonderen Schutz bedürfen, zeigt sich im Negativ des Skandals das Bild der Personen, bei denen es kein Skandal ist zuzuschlagen, bei denen es kein Skandal ist andere Verhältnismäßigkeiten anzulegen: Jung (aber nicht zu jung), männlich, links-* (autonom, extrem, …) und qua Definition gewaltbereit.
Und dann bleibt die zentrale Frage, die von adrian aufgeworfen, aber nicht beantwortet worden ist. Ist es legitim andere Maßstäbe gelten zu lassen, wenn die gleiche Polizeigewalt unterschiedliche Gruppen von Personen trifft??
Zitat Torsten:
Just an dem Tag einer Schülerdemonstration die Räumung anzuberaumen erscheint mir hingegen als ein idiotisches Manöver. Obwohl: ich die kenne Details nicht – evtl. gab es da andere entscheidende Faktoren. << Zitatende.
Die Schülerdemo war für einen Bereich, der ca. 100m vom Park entfernt lag hat seit einer Woche angemeldet und genehmigt. Thema: Bildungsnotstand durch Kosteneinsparungen im Bildungsbereich auch wegen S 21.
Den Zeitpunkt der Baumfällarbeiten habe, trotz mehrfacher Anfrage durch die Politiker Wölfle, Stocker und Kretschmann die Projektverantwortlichen geheim gehalten. Verkürztes Zitat von Projektsprecher Andriof: ‚…dann könnten wir die Demonstranten ja gleich einladen’.
Nun steht der Vorwurf im Raum. Die Jugendlichen wären von ihren Begleiter in den Park beordert worden. Auch das ist falsch. Jeder, der sich unter http://www.parkschuetzer.de einträgt, kann sich per SMS über den Verlauf informieren lassen. Auch ich hab als quasi Opa von 49 Jahren diese SMS erhalten und war leider beruflich verhindert.
Die Eskalation war politisch gewünscht. Wenn 1000 Polizisten gegen (anfänglich) 1000 überwiegende sehr junge oder sehr alte Menschen Wasserwerfer einsetzt, kann von Selbstverteidigung keine Rede sein.
Aus gutem Grund wurden hierfür auch starke Polizeikräfte aus anderen Ländern eingesetzt. Die lokale Polizei, mit Erfahrungen von 45 Montagsdemos und rund 20 Freitagsdemos kennt das 'radikale Potenzial’ der Demonstranten. Rosen für Polizistinnen oder das Angebot von Getränken für die in praller sonne stehenden Bauzaunbewacher.
Der neue Spin-Doctor aus Hessen leistet jedenfalls ganze Arbeit.
Schwieriges Thema, die Gewalt und die Verhältnismäßigkeit!
Selbstverständlich bin ich auch von dem Vorgehen der Sicherheitskräfte in Stuttgart überrascht und empfinde die getroffenen Maßnahmen als unverhältnismäßig. Der Umgang der Polizei, gerade der Bereitschaftspolizei oder Hundertschaften, ist auch bei Fußballveranstaltungen gegenüber „normalen“ Fans häufig drastisch und häufig kaum nachvollziehbar.
Andererseits gibt es auch in unserer Demokratie den Grundsatz „Recht braucht Unrecht nicht zu weichen“ und die Definition von Gewalt, die einen Einsatz der Polizei rechtfertigt, auch mit, nennen wir es mal „aktiven Mitteln“, beschränkt sich nicht nur auf linksautonome Steinewerfer. Hier wird wohl das Recht des Bauträgers in seiner Ausführung betroffen gewesen sein und die Polizeikräfte haben ihm zu seinem „Recht“ verholfen.
Da wir in einer Demokratie leben und das Gewaltmonopol beim Staat liegt, muss man sich unter Umständen auch darauf einstellen, dass mir als Bürger mit Gewalt begegnet wird, wenn ich außerhalb des rechtlichen Rahmens bewege – gehe ich zum Derby Dortmund – Schalke und bin als Gästefan nach dem Spiel im Rudel unterwegs, kann es mir passieren, in einem Polizeikessel zu landen und ggfs. auch „was ab zu kriegen“. Da sind dann auch oft Personenkreise betroffen, die zur bürgerlichen Mittelschicht gehören. Da wird dann schneller gesagt: tja, er muss ja nicht zu so einem Risikospiel gehen. Hier könnte man also auch sagen: tja, was gehst Du auch zum Demonstrieren an einen Ort, an dem Du eigentlich nicht sein dürftest und hinderst durch Deine Anwesenheit die Bauausführung, die rechtlich betrachtet erst einmal vollkommen legitim ist. Beschreite den Rechtsweg, demonstriere an anderer Stelle. Da passt dann das Bibel-Zitat „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um!“.
Nur zur Klarstellung: ich halte das Vorgehen der Landesregierung, der Deutschen Bahn und der Polizeikräfte für sehr fragwürdig und sicherlich empfinde ich das persönlich auch als unverhältnismäßig. Aber, wer sich darüber täuscht, welches Ausmaß diese Sache in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht hat und sich dann durch Sitzblockaden oder Anwesenheit in Bereichen, in denen er eigentlich nichts zu suchen hat, den Aufforderungen der Polizeikräfte widersetzt, dem kann ich die vollständige Überraschung über etwaige Verletzungen nicht zubilligen.
So far, viele Grüße
Holger
[…] Don Dahlmann: Die Unverhältnismäßigkeit […]
Sitzblockaden sind keine ‚Straftat’ sondern eine ‚Ordnungswidrigkeit’ – genauso wie falsch parken. Wenn man nun den Durchsetzungsmaßstab der Politik anlegt, wäre ein gebrochenes Nasenbein für eine abgelaufene Parkuhr angemessen.
Dem stimme ich ja auch vollkommen zu. Aber trotzdem: wenn ich durch meine Sitzblockade den Fortgang der Bauarbeiten störe, muss ich damit rechnen, dass mir Gewalt widerfährt.
Das rechtfertigt nicht das Vorgehen und das Ausmaß an Gewalt durch die Polizei.
„Dem stimme ich ja auch vollkommen zu. Aber trotzdem: wenn ich durch meine Sitzblockade den Fortgang der Bauarbeiten störe, muss ich damit rechnen, dass mir Gewalt widerfährt. “ heißt: Das Recht, Eigentum ungestört nutzen zu können zählt höher als das recht auf körperliche Unversehrtheit und Versammlungs, Demonstrations- und Meinungsfreiheit. Ordnungswidrigkeit setzt Menschen- und Bürgerrecht außer Kraft.
„Selber Schuld, was gehn die auch auf ’ne Demo“ – Und wer einen Minirock anzieht braucht sich auch nicht zu beschweren, dass sie vergewaltigt wird. Das Prinzip, das Opfer zum Täter zu machen. Für eine Handvoll Dollar.
Sven, ich verstehe nicht, warum Du jetzt so polemisierst. Die rechtliche Lage habe ich nicht geschaffen.
Zumal Du auch nicht auf meine Aussage eingehst, sondern Dich Killerparolen bedienst, die eigentlich gar keine Erwiderung wert sind, denn Du entstellst bewusst den Kern meiner Aussage.
Die Versammlungs-, Demonstrations- und Meinungsfreiheit wird im Grundgesetz garantiert und unter gewissen Umständen durch die Rechte anderer oder per Gesetz eingeschränkt. Wenn ich mich außerhalb meines mir zugestandenen Raumes bewege, muss ich mir der Tatsache bewusst sein, dass der Staat Gewalt anwenden kann. Ob mein Verhalten nun eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat ist (Nötigung kommt bei Sitzblockaden unter Umständen im Einzelfall in Betracht), ist dabei dann doch eher unerheblich.
Und dann noch mal: Das rechtfertigt nicht das Vorgehen und das Ausmaß an Gewalt durch die Polizei.
Hallo,
Was, in dieser Diskussion besonders von den Gegnern, gerne vergessen wird ist das S21 nur ein Grund ist, aber nicht der Grund. Die Menschen in Deutschland sind frustriert von einer Politik an der sie nicht mehr teilhaben und die gefühlt(?) nur noch für die Lobby ist, an denen die Politiker verdienen.
Hartz IV, Krankenkassen, Afghanistan – es gibt dutzende Gründe auf die Straße zu gehen, aber es fehlt das Konkrete, Greifbare, das vereinende wenn man so möchte. Und mit dem, was gestern in Stuttgart passiert ist, haben die Menschen ein Ventil dafür bekommen was sie gegenüber der Politik empfinden: Ohnmacht. Der Staat hat zuerst angegriffen – und zwar keinen schwarzen Block der auch die Autos anderer Bürger anzündet, sondern Schüler, Alte, Frauen, Bürger wie du und ich.
Damit hat man auf einmal etwas konkretes auf das man seine Wut richten kann, ein Symbol für das was im Land soviele empfinden und das Bedürfnis, sich das nicht länger bieten zu lassen.
Der Umgang der Medien mit dem Thema und die schamlosen und offensichtlichen Lügen von Rech und Co giessen nur Öl ins Feuer.
Ich bin sehr gespannt, wie das weitergeht. Ich kann jeden verstehen der sagt: „Es ist nur ein Bahnhof, seid ihr blöd?“, aber das ist imho zu kurz gedacht und an der Realität in Deutschland vorbei.
My few cents,
silber_augen
[…] Grundrechteforum · DER FREITAG · Der Schockwellenreiter · Die Sargnagelschmiede · Irgendwas ist ja immer Oktober 1st, 2010 in Fundstücke | tags: Bahnhof, Gewalt, s21, […]
[…] Gewalt ausgeübt, sondern maximal passiver Widerstand geleistet, der, wie es auch Don Dahlmann schreibt, im Sinne der “Verhältnismäßigkeit der Mittel” keinesfalls ein derartiges Vorgehen seitens […]
Aus Müdigkeit hier nur noch ein weiterer Buchtipp: Christoph Möllers Demokratie – Zumutungen und Versprechungen“.
[…] guter Text von Don Dahlmann über das Vorgehen der Polizei hier im Schlossgarten: Die Unverhältnismäßigkeit Share/Bookmark This entry was posted in Allgemein and tagged Berichte. Bookmark the permalink. […]
Staatsgewalt, noch Fragen!
Wenn sie so etwas mit Staatsgewalt durchsetzen, sollte man ihnen mit Volksgewalt antworten.
Seit nicht so dumm und stellt euch frontal gegen die Polizei sondern veranlasst sie mit anderen Mitteln ihre Posten zu verlassen.
Die Staatsgewalt hat keine Chance, wenn das Volk antwortet (siehe ehemalige DDR).
deutsche logische Partei (nicht eingetragen aber wünschenswert)
Na, hör mal – der ‚Schwarze Block‘ war sehr wohl vor Ort: Er trug Vollvisierhelme, Gummiknüppel und Pfefferspraydosen, und verstieß damit eindeutig gegen das Vermummungsverbot …
Wenn immer wieder von „Alten“ oder „Rentnern“ berichtet wird, so geht diese Information ein wenig in die Irre. Diese Protestierer sind seit 1995 dabei – vermutlich heute in Rente – aber sie sollten besser als „Alt-K21er“ bezeichnet werden. Dieser Bürgeraufstand ist keine vorübergehende Beschäftigungstherapie aus dem Altenheim oder Kindergarten. Deshalb wird er sich auch nicht auflösen, sondern wachsen. Im übrigen: Die Bäume sind widerrechtlich gefällt worden! http://twitpic.com/2tpb3u
Innenminister Rech hat mit seiner Bemerkung im ZDF, es wäre „bedrohlich für die Freiheit der Bürger“, (genauer: die Demonstrationsfreiheit) wenn die Polizei das Recht nicht mehr durchsetzen können (im Satz davor präzisiert: die Durchführung der angekündigten Baumaßnahmen). Na klasse. Das heisst doch: Das Interesse der Deutschen Bahn steht über der Verfassung. Wenn IHR versucht, mit Demonstrationen den Bau zu verhindern, werden WIR das Demonstrationsrecht einschränken oder beseitigen, damit ihr endlich die Klappe haltet.
Zuuuurücktreten, bitte! Das ist für einen Innenminister ein ebenso ein skandalöses Verfassungsverständnis wie das von Herrn Köhler bzg. Wirtschaftskriege.
Es gab im Vorfeld ein Schreiben des Eisenbahnbundesamtes,
wonach allen Beteiligten klar war, dass das Abholzen der Bäume ILLEGAL war.
Das schnelle nächtliche Kommando muß man also auch als gezielten
von interessierten Kreisen begangenen Rechtsbruch ansehen,
um noch schnell Fakten zu schaffen, bevor die Presse davon erfährt.
Inzwischen hat die Presse davon erfahren:
http://www.stern.de/politik/deutschland/stuttgart-21-war-das-abholzen-illegal-1609749.html
Das absichtliche Verhindern von Sanitätern, Hilfs- und Rettungskräften für die Demonstranten von Seiten des Stuttgarter Ordnungsamtes halte ich ebenso für rechtlich sehr problematisch:
http://www.parkschuetzer.de/statements/28535
Mir ist das Geschreibe vom „Staat“ zu abstrakt und wischiwaschi. Ich bin auch „der Staat“, zu einem kleinen Teil. Hier geht es aber nicht um so etwas abstraktes wie den Staat. Es geht um die Exekutive, die Regierung, welche die ihr gegebenen Machtmittel einsetzt, um Teile des Souveräns zusammen knüppeln zu lassen.
[…] genau ist hier also unverhältnismäßig? Klar gibt es – wie immer – ein paar Schreihälse, die in ihren Tweets und […]
[…] Form der “Demokratie” habe ich persönlich nichts gemeinsam. Aber auch rein gar nichts. Manche fragen nach der Unverhältnismäßigkeit des Einsatzes. Mir bleibt dazu nur folgendes zu sagen: Ihr würdet euch wünschen, dass ich am besten das Land […]
[…] ignoriert als oberster Dienstherr der Polizeibehörden, daß die Gewalt am 30. September 2010 nachweislich von der Polizei ausging. Die falsche Tatsachenbehauptung der Senkung der Gewaltschwelle bei … […]
[…] Don Dahlmann: Die Unverhältnismäßigkeit […]