It’s the application, stupid

Facebook hat seine Userzahlen innerhalb eines Jahres vervierfacht, StudiVZ dümpelt auf hohem Niveau weiter so dahin. Kaum einer hat auch nur irgendeinen Zweifel daran, dass Facebook StudiVZ in nicht ferner Zukunft eingeholt haben wird. Und warum?

Es gibt die hässliche Bezeichnung „Unique User Experience“. Damit ist unter anderem gemeint, dass der Nutzer einer Seite während der Nutzung ein besonders Gefühl bekommt, oder mit nimmt. Dazu gehört auch, dass ein User seine Seite so gestalten kann, wie er das möchte. Beispiel: Auf Facebook kann ich meine Twitter Nachrichten einlaufen lassen, ich kann verschiedene Dienste über Facebook Connect mit einander verknüpfen, ich habe einen Livefeed, der mit einer Art SUP läuft und so weiter, und so fort.

StudiVZ findet hinter einer sehr hohen Mauer statt, die den Dienst vom Rest des Internets abschottet. Gut – ich kann „gruscheln“, (allein für das Wort gehört der Laden in die Insolvenz) aber mehr auch nicht. StudiVZ ist genau das, was der Name schon vermuten lässt. Eine schrecklich deutsche Anstalt, ein Karton voller unsortierter Profile, eine Art Behörde, die Online-Kontakte verwaltet. Es hat keine Verbindung nach aussen, es hat keinerlei Innovationen hervor gebracht, es bietet keinerlei Möglichkeiten individuelle Informationen weiter zu geben und schon gar nicht solche, die von anderen Seiten oder Diensten stammen. Doch das Internet besteht eben nicht mehr nur aus einer Seite und die meisten Leute verteilen ihre Aktivitäten quer durchs Netz.

Nicht das Facebook in allem besser wäre. Die Amerikaner sind, was das Weitergeben der generierten Feeds auf ihrer Seite angeht, keinen Deut besser. Da muss man schon eine relativ umfangreiche Pipe basteln um etwas sehen zu können. Aber immerhin haben sie einen Feed und was das Material angeht, dass man über die API zu Facebook anliefern kann, so gibt es dort eine relativ große Offenheit, wie mir Evan Prodromou, Gründer von identi.ca, am letzten Wochenende berichtete. „Rein soll alles, raus nicht so“.

Aber dann gibt es die Applikationen, die man innerhalb von Facebook nuzen kann. Es schwirren mehrere tausend Apps rum, vom Film-Quiz bis zum „Ich schenk dir ein Eis“ Dings. Die nerven mich persönlich zwar kolossal, scheinen aber beliebt zu sein. Kleine Applikationen sorgen auf Facebook nicht nur dafür, dass die User in Scharen den Dienst nutzen, sondern auch dass er nicht langweilig wird.

Das haben nicht nur Entwickler von social networks entdeckt, sondern auch Hersteller von Mobiltelefonen. Apple könnte noch so wunderschöne iPhones herstellen, wenn sie keinen App-Store hätten, würden die Leute nach einem Jahr zu einem anderen Handy wechseln. Aber mit dem Apps verändert und erweitert man sein Telefon mit jedem Download. Heute kann es Musik erkennen, morgen ist eine mobile Spielekonsole. Und genauso kann ich auch mit Facebook umgehen. An einem Tag lade ich meine Freunde zu einem Quiz ein, an einem anderen lasse ich meine Twittermeldungen in den täglichen Status einlaufen, füge Bilder hinzu usw.

Holtzbrinck ist auf einem fantastisch gutem Weg mit den ganzen VZs zu scheitern. Aber nicht, weil man nicht erfolgreich gewesen wäre (die Nutzerzahlen sprechen für sich), sondern weil man grandios sämtliche Trends der letzten 18 Monate verschlafen hat. Weil man die User als „Cash-Cow“ betrachtet hat, die einfach nur Klicks generieren sollen und weil man selber technisch und in der Kundenbindung extrem phantasielos war. Was ich nicht verstehe: gerade weil man so klickgeil wie kaum ein anderes Portal ist, hätte man schon längst auf technische Innovationen setzen müssen. Aber es gibt nicht mal ein eigenes App für das iPhone, was schon so ziemlich alles über StudiVZ sagt. Studi VZ ist das Internet wie zu Usenet-Zeiten, Facebook ist zumindest schon mal 2005 angekommen.

9 Antworten zu „It’s the application, stupid“

  1. […] zu studiVZ vs. Facebook, die momentan im Netz die Runde machen, verlinke ich einfach mal zu einem Eintrag von Don Dahlmann in seinem neualten Blog, den ich so unterschreiben kann. Aber viele andere haben bestimmt auch […]

  2. Stefan

    Vielleicht muss man noch einen Unterschied zwischen Kindern, 20ern und Erwachsenen machen.

    Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass SchülerVZ ab der 6. Klasse eine absolute Marktbeherrschung und die Kommunikation via E-Mail abgelöst hat. Es ist wirklich jeder drin und irgendwie finde ich die dicken Mauern in dem Alter ganz beruhigend. Nichts rein, nichts raus, ist OK.

    Ähnlich scheint es bei StudiVZ zu sein. Die meisten Internetnutzer wollen vielleicht auch gar keine Zusatzfunktionen, irgendetwas einbinden oder irgendetwas reinfließen lassen (btw: Dieses Mehrfachverbreiten von ein und denselben Einträgen in verschiedenen Blogs, Microblogs, Tumblelogs und Streams halte ich sowieso für unhöflich). Ich glaube, die Community steht im Vordergrund und wenn die RL-Freunde bei StudiVZ sind, ist man es praktischerweise auch. Ich habe aber nie verstanden, warum man da so ein Ghetto für Azubis schafft, anstatt die Plattform zu öffnen. Sollen die Leute denn andauernd altergemäß wechseln? Und was machen die Freunde? Alle zeitgleich wechseln?

  3. Wechsel passieren in Wellen. Wenn man sich die Entwicklung bei studivz und Facebook anschaut, dann sieht man, das die Verluste dann los gingen, als die eine Seite interessanter wurde. Letztlich gehen die User dahin, wo sie a) den grösseren Mehrwert bekommen, und b) die Freunde sind. Geht aber ein Entscheider einer Gruppe, ziehen viele andere bald nach. Das StudiVZ nicht komplett leer sein wird, weil sehr, sehr vielen Leuten das Angebot reicht, ist klar. Aber viele Leute suchen auch nach Mehrwerten und StudiVZ liefert keine.

    Ich bin auch der Meinung, dass Facebook mit seiner Politik, kaum etwas an Informationen von der Seite zu lassen, nicht lange durchhalten wird. Das funktioniert im Moment, weil alles „klicki-bunti“ ist, aber auf Dauer wird es den Leuten da auch langweilig. So wie man von Foren, über Blogs hin zu Networks gewandert ist, wird der nächste Schritt vermutlich zu einer Schnittstelle sein, die alle dezentralisierten und verstreuten Aktivitäten einerseits zusammenfasst, andererseits aber auch frei gibt.

  4. So wie ich es sehe wechseln die Leute nicht von StudiVZ zu Facebook, sie sind eher parallel in beiden Netzwerken. In Facebook sind insbesondere die, die viele Freunde im Ausland haben, beispielsweise nach einem Auslandssemester oder berufsbedingt.

  5. Die ganzen Facebook Apps bergen aber auch Gefahren, dann, wenn sie aufs Profil zugreifen, wo sie eigentlich nicht sollen. Evtl. ist hier weniger auch etwas mehr (Sicherheit).

    ( http://www.nytimes.com/2009/01/29/technology/personaltech/29basics.html?partner=permalink&exprod=permalink )

  6. Shaddy

    In den nächsten 3 Monaten wird StudiVZ extreme PI zahlen verlieren da FB gerade einen immensen Zusturm erhhält….die Übernahme wird denke ich gar nicht stattfinden, da sich das von selbst erledigen wird.

  7. Also ich habe den Trend festgestellt, dass auf studivz viele Leute nicht mehr ihren Realnamen fuehren und man echt Probleme hat jemanden zu finden. Ich bin schon vor langer Zeit zu Facebook gewechselt und so langsam verlagert sich immer mehr von meinem Freundeskreis dorthin. Fuer mich der entscheidenste Punkt fuer Facebook ist der Feed, der staendig ueber Aktivitaeten von Freunden informiert (falls diese das wollen).

  8. Der Trend geht zur Facebook. Auch bei meinen Freunden wechseln immer mehr Leute Richtung Facebook. Das User-Profil bei StupidVZ bleibt zwar erhalten, aber wie oben richtig beschrieben, geht der Punk eben bei Facebook ab.
    StudiVZ wird einfach zu einer Wüste und wirgendwann abgestellt werden.

  9. […] zu studiVZ vs. Facebook, die momentan im Netz die Runde machen, verlinke ich einfach mal zu einem Eintrag von Don Dahlmann in seinem neualten Blog, den ich so unterschreiben kann. Aber viele andere haben bestimmt auch […]