Die Zukunft des Abos

In meiner Heimatstadt Bad Godesberg hat auch das gar nicht mal so schlechte Regionalblatt „General Anzeiger“ ein Außenbüro. Das gibt es schon, seit dem ich denken kann und es ist schon immer ein irgendwie gutes Gefühl gewesen, dass in dem kleinen Stadtteil der Ableger einer Zeitung sitzt und für die Bürger ansprechbar ist. Natürlich sitzen da keine Journalisten mehr, eher Mitarbeiter, die sich um die Abos und die Annahme von Kleinanzeigen kümmern. Aber die Präsenz einer Zeitung in einem Ort hatte doch immer etwas Beruhigendes. Früher machte man in diesem Büro etwas, was heute fast undenkbar ist. Statt großer Schaufenster, durch die man die Mitarbeiter beobachten kann, hingen draußen Schaukästen, in denen wiederum die gesamte, aktuelle Zeitung seitenweise aufgehangen war. Irgendein Mitarbeiter machte sich jeden Tag die Mühe, mehrere Exemplare des „General Anzeiger“ auseinander zu rupfen, um die Seiten faltenlos und bügelglatt mittels ein paar Stecknadeln in die Schaukästen zu pinnen. Die aktuelle Ausgabe hing da also, komplett umsonst und für jedermann lesbar. Und erstaunliche viele Menschen standen vor diesen Kästen, warfen mal einen langen, mal nur einen kurzen Blick auf die Artikel.

Die Zeitung hing dort umsonst, weil man einerseits auch jenen den Zugang zu einer Tageszeitung geben wollte, die vielleicht kein Geld für ein Abo hatten, und natürlich auch aus einem anderen, viel wichtigeren Grund: Man wollte Werbung machen. „Schau, Du kannst hier stehen und die Zeitung lesen, aber ist es nicht viel besser, du abonnierst das Ding und kannst es jeden Morgen zu Hause in Ruhe lesen? Und du hast noch was, worin du die Kartoffelschalen einpacken kannst.“

Für Rupert Murdoch scheint es undenkbar zu sein, dass man so etwas überhaupt macht. Er hat die altehrwürdige „Times“, nebst des wundervollen Archivs, hinter einer Pay-Schranke versteckt, und wenn man sich die Zahlen bei Alexa so anschaut, oder diesen Artikel liest, dann kann man den Eindruck bekommen, dass die Online-Redakteure nur noch für sich selbst schreiben. In einem Monat 50% seines Traffics zu verlieren, ist schon heftig. Nun kann man mit dem Argument kommen, dass 50% weniger nicht zahlende Kunden ok sind, wenn der Rest halt ein Online-Abo hat. Lieber weniger Zugriffe, aber dafür zahlende User. Aber so funktioniert das nicht, denn ein Großteil der Leser der Times zahlt gar nicht extra für die Onlineausgabe, sondern bekommt den Zugriff auf die Seite „geschenkt“ weil man ein Print-Abo hat. Anders ausgedrückt – diejenigen, die ein Print-Abo der Zeitung haben, interessieren sich nicht für die Onlineausgabe, diejenigen, die gerne die „Times“ online lesen würden, schauen halt woanders rein. Wie es aussieht, wenn man schon etwas länger eine Online Pay-Wall aufzieht, kann man hier am Beispiel einiger lokaler US-Zeitungen nachlesen. Die Zahlen sind nicht schön.

Interessanterweise haben Verlage den Erfolg ihrer Publikationen schon lange nicht mehr nur in den reinen Verkaufszahlen (heute Onlineabos) gemessen, sondern auch mittels „Leserzahlen“. Man ist irgendwann mal auf den Trichter gekommen, dass ja in einem Haushalt gleich mehrere Menschen die Zeitung lesen. Man hat ein Abo, aber morgens wird die Zeitung je nach Interesse dann in unterschiedlichen Ressorts zerrupft und am Frühstückstisch an die Familie verteilt. Oder auf der Arbeitsstelle, wo die ausgelesene Zeitung im Kollegenkreis rum gereicht wird. Listigerweise habe die Verlage die Zahl der zusätzlichen Leser, die nicht dafür zahlen, auf ihre Verkaufszahlen addiert. Mal um den Faktor 2.5, mal 3.5, sodass sich (nur über den Daumen gepeilte) enorme Reichweiten errechnen lassen, die man dann in bare Münze (Anzeigenpreise) umrechnen kann. Dass man Content umsonst weggab, war also lange eine Strategie, die man bewusst gewählt hat. Sie brauchte (kaum nachvollziehbare oder messbare) Reichweite, die brachte aber auch Werbung. Niemand wäre auf die Idee gekommen, mein Abo zu sperren, nur weil ich einen Freund mitlesen lasse.

Bei einer Pay Wall geschieht aber genau das. Ich bekomme als Gegenleistung für meine gezahlten Abo-Gebühren einen Zugang, den ich, so sagen es die meisten AGBs, mit keiner anderen Person teilen darf. Theoretisch nicht mal mit meiner Frau oder meinen Kindern. Natürlich kann ich meiner Familie mein Passwort weitergeben, aber rechtlich gesehen darf ich es nicht, weil ich für die Weitergabe meiner Login-Daten verantwortlich bin. Stellt der Verlag mehrere, gleichzeitige Zugriffe unter meinem Login fest, kann er den Zugang sperren lassen. Bei Applikationen fürs iPhone/iPad wird es noch komplizierter. Hier kann ich zwar mein Tablet an meine Familie weiterreichen, aber ich kann keine „Kopie“ meines Abos auf das Tablet oder den E-Reader meines Sohnes erstellen.

Schafft man sich eine Pay-Wall, jedenfalls nach den bisherigen Modellen, dann schottet man sich ab. Man kann den Content nicht mehr umsonst weggeben, man verschreckt Familien, die vielleicht gerne auf Papier verzichten wollen, nicht aber auf die gemeinsame Lektüre einer Zeitung und man bewirbt online das eigene Blatt nicht mehr. Woher soll ich wissen, ob was Brauchbares in der „Times“ zu lesen ist, wenn ich erst zahlen muss? Der Verkauf eines „Times“ Abo an einen Gutverdienden Single mit iPad mag ja funktionieren, aber wie viele gibt es davon? Vermutlich nicht genug, um wirklich Geld zu verdienen.

Was einige ausländische Verlage mit der momentanen Politik in Sachen Paid-Wall aber machen, ist purer Selbstmord. Sie verschließen sich der Masse zugunsten eines einzelnen Lesers und ignorieren dabei Familien, Kollegen, zufällige Mitleser oder größeren Wohngemeinschaften. In Deutschland wollen die Verlage auch mittels des Leistungsschutzrechtes so weit gehen, dass man nicht mal mehr winzige Textfragmente oder Überschriften zitieren darf, ohne das man dafür zahlen muss. Und Firmen sollen gefälligst ein Abo abschließen, damit die Angestellten nicht mehr „umsonst“ die Online-Ausgaben lesen können. Das kann nicht funktionieren, schon gar nicht mit einem breit aufgestellten System der Öffentlich-Rechtlichen Anstalten, die sich als Anlaufstation eignen, weswegen die Verleger es gerne sehen würden, wenn ARD und ZDF gar nichts Netz machen dürften. Siehe den sinnlosen Streit um die Tagesschau App.

Die Verlage müssen sich Gedanken machen, wie sie in Zukunft ihre Abo-Modelle im Netz gestalten wollen. Sie haben schon den Fehler gemacht zu glauben, sie könnten ihr bisheriges Printmodell ins Netz übertragen, jetzt versuchen einige ansatzweise Selbiges mit den Abo-Modellen zu machen. Das kann aber angesichts der neuen Strukturen, in denen der Zugang zu Informationen einen hohen Freiheitswert besitzt, nicht funktionieren. Das Einzelabo in Form einer Applikation oder eines nur für einen User gedachten Zugang, kann im Netz nicht funktionieren. Nicht nur, weil es Seiten wie bugmenot gibt, und es vermutlich sehr schnell, sehr viele mehr davon auftauchen werden, auch weil die Außenwirkung dieser restriktiven Einzelabos nicht gut ist. Es ist also nicht einfach damit getan, eine Bezahlschranke einzurichten und das altbekannte Abo-System zu übertragen. Man muss flexible Abo-Strukturen schaffen, darüber nachdenken, wie man Familien und Wohngemeinschaften einbindet usw. So lange davon nichts zu sehen ist, werden die Pay-Walls nur Schaden anrichten. Bei den Verlagen, weil sie zu wenig Geld einnehmen und bei den Verbrauchern, die sich über den Tisch gezogen fühlen.

10 Antworten zu „Die Zukunft des Abos“

  1. carmen

    „Die Verlage müssen sich Gedanken machen“

    darauf läuft es hinaus und danach kommt auch wirklich keine idee mehr hier im text. das ist schade, denn den status quo zu beklagen, fällt jedem leicht. wohl aber dem, der eine idee hat.

  2. Na ja, ich habe ja schon ein paar Hinweise gegeben, in Sachen Flexibilisierung der monolitischen Abostruktur. Ich werde bestimmt nicht den Verlagen die Arbeit abnehmen, dafür lasse ich mich normalerweise auch bezahlen :)

    Aber es stimmt natürlich, dass ich auch nicht die rettenden Idee habe, mit der Verlage sich und ihr Geschäftsmodell in die Gewinnzone bringen können. Blogs und Einträge wie dieser sind ja auch dazu da, dass man solche Dinge im Sinne einer losen Ideensammlung diskutiert. Nur zu sagen „Huch, da steht ja nicht die Lösung, das ja schade“ hilft der Diskussion auch nicht weiter.

  3. […] Die Zukunft des Abos: Don Dahlmann denkt über paywalls bei Zeitungs-Websites […]

  4. […] Die Zukunft des Abos “Die Verlage müssen sich Gedanken machen, wie sie in Zukunft ihre Abo-Modelle im Netz gestalten wollen. Sie haben schon den Fehler gemacht zu glauben, sie könnten ihr bisheriges Printmodell ins Netz übertragen, jetzt versuchen einige ansatzweise Selbiges mit den Abo-Modellen zu machen. Das kann aber angesichts der neuen Strukturen, in denen der Zugang zu Informationen einen hohen Freiheitswert besitzt, nicht funktionieren. Das Einzelabo in Form einer Applikation oder eines nur für einen User gedachten Zugang, kann im Netz nicht funktionieren.” […]

  5. SvenR

    Es scheint so zu sein, das jeder Fehler erst einmal von jedem auch gemacht werden muss. Die Musikindustrie eilt mit großem Eifer voraus, die Film-/Video-/DVD-Industrie ist knapp dahinter und die Verleger geben sich redliche Mühe. Gut, die HDTV-Anbieter setzen gerade mit aller Macht zum Überholen an…und werden genauso kläglich scheitern.

    Bei der Musikindustrie kann ich mir vorstellen, bald Licht am Ende des Tunnels zu ahnen. iTunes, Amazon, MusicLoad und wie sie alle heißen haben mittlerweile Preismodelle und eine Produktgüte erreicht, dass ich da mitspiele.

    Langfristig wird sich das alles einspielen. Aber zwischendurch werden noch einige »Kunden« kriminalisiert werden.

  6. Turtle

    Also ich haette da schon ein paar Ideen: Digitale Abos so gestalten, dass sie nicht nur auf dem iPad schick aussehen. Was man mitunter von den Zeitungen auf technischer Seite geboten bekommt ist unter aller Kanone (und laaaaangsam). Oder die Moeglichkeit bei Regionalzeitungen auch mal nur den Lokalteil zu abonnieren. Oder ein Lesegeraet, dass mehr ist als ein eBookreader aber nicht so verrammelt und teuer wie das iPad, meinetwegen als Gemeinschaftsprojekt, gern auch mit einem Hardwarehersteller.

  7. Visionär

    Wie wird die Zukunft aussehen?
    Bezahltfernsehen: Nur wer das Abo bestellt und bezahlt darf den Sender nutzen. Alle Anderen sind „Kriminelle Schwarzseher“.
    Kino: selbst wer für die Familie die Karten kauft, darf diese nur alleine nutzen. Die Andern müssen draußen bleiben.
    Automobil: nur wer das Auto gekauft hat darf damit fahren.
    Wohnung: nur wer den Mietvertrag unterschrieben hat darf in die Wohnung.
    Die Wirtschaft wird boomen, so die Prognose.
    Die Wirtschaft wird sterben, so die Wirklichkeit.

  8. Tim

    Herr Dahlmann schreibt von einem Abo. Die Zukunft ist eher der Leserzirkel. Die Verlage werden Bouquets zusammenstellen mit dem online-Zugriff auf Zeitungen, Zeitschriften, online-Angebote. Angebote, die sich ergänzen und in die Lebenssituation und Interessen passen. Für die Technik, wie mobile Nutzung, Familiennutzung, Archivnutzung usw. finden sich Lösungen.

    Ich denke, solche Ideen gibt es schon. Sie scheitern derzeit an den Strukturen in den Verlagen. Jede Redaktion und Redaktionsmanager wird an ihren Ergebnissen gemessen, Auflage, Zugriffe, Anzeigenerlöse, usw. Bei gemeinsamen Angeboten ist das nicht ohne weiteres zuordenbar. Das fängt bei der Frage an, auf welche verlagseigene Seiten z.B. beim ASV aus einem Feuilleton-Artikel der Welt zum Prince-Konzert verlinkt werden soll. Zum Partner Music-Shop, zum Rolling Stone, zu Sounds, zum Musikexpress? Am Besten natürlich zu der Musik-Zeitschrift (der ASV hat 4 davon), die der Leser mit in seinem Bouquet hat. Sehr komplex. Mich würde es nicht wundern, wenn es schon Leute gäbe, die an technischen Lösungen dafür arbeiten.

  9. anonym

    Genau, das mit den Schaukästen für die Zeitung kenne ich auch noch, das gab es, glaube ich, an vielen Orten, bei ganz unterschiedlichen Zeitungen. Vielleicht gibt es das sogar heute noch irgendwo. Ich fand es auch immer eine schöne Geste.

  10. Obwohl bei der Times sicherlich die online Leserzahlen eingebrochen sind, denke ich trotzdem, dass sich dieses Modell langfristig durchsetzen wird, besonders in Kombination mit neuartigen Lesegeräten wie dem IPad. Denn meiner Meinung nach bekommt man z.B. in den online Ausgaben der deutschen Medien sehr viele nichtssagende Artikel, die nur von irgendwelchen Agenturmeldungen umformuliert wurden.
    Ich denke diejenigen die aktuell eine richtige Zeitung lesen, sind vielleicht demnächst auch bereit online dafür ein paar Euro zu zahlen.
    Bin gespannt wie sich flattr in diesem Zusammenhang entwickelt.