Lose Gedanken zur Wahl des Bundespräsidenten

#Da hat Merkel nun also ihr Unterschriftenduracellhäschen im Schloss Bellevue. Und ihren letzten großen wirklichen innerparteilichen Konkurrenten ist sie auch los. Merz weg, Koch weg, Rüttgers weg, Schäuble zu alt, Seehofer angeschlagen, Guttenberg zu jung und in der falschen Partei. Bleiben die Kauders und Pofallas. Wäre ich die CDU, ich würde mir Sorgen machen.

#Die Linke hatte ihren eigenen Kandidaten, der wurde nicht gewählt, folglich haben sie sich enthalten. Demokratisch ok. Das Bild würde auch nicht glaubwürdiger, wenn man nach zwei Wahlgängen plötzlich einen anderen Kandidaten nimmt. Das macht die Glaubwürdigkeit rund um die Aufstellung eines eigenen Kandidaten eher lächerlich. Dass sie Gauck aber von Anfang an nicht unterstützt und gewählt haben, ist dann wieder eine andere Sache. Die Linke hat mit dieser Verweigerung viel, viel Kredit verspielt, weil sie dokumentiert, dass ihr an Aufklärung der eigenen Vergangenheit immer noch nicht so recht gelegen ist. Statt sich als eigenständige Partei zu profilieren, hat sie sich wieder hübsch ganz links ins Abseits gestellt und den labilen Wechselwählern gleiche eine ganze Hand voll Argumente in die Hand gegeben, doch wieder die SPD zu wählen. Sigmar Gabriel wird sich freuen.

#Man konnte schön sehen, was aus einer Demokratie wird, wenn man sie den Fraktionen überlässt. Oder anders gesagt: ohne Fraktionsdisziplin, ohne Anheizer, ohne die Reden und Appelle von Merkel, Koch, Seehofer und anderen in den langen, langen Pausen, wäre das Abstimmungsergebnis anders ausgefallen. Es wäre spannend gewesen, wenn man alle Wahlgänge sofort und direkt hintereinander absolviert hätte. Die dauernden Unterbrechungen der Wahlgänge taten der demokratischen Wahl nicht gut. Man konnte das Gefühl bekommen, dass Abstimmung eben nur der öffentliche Schein war, den es zu wahren galt. Die Entscheidung war schon längst vor drei Wochen gefallen. In einem Hinterzimmer, zwischen wenigen Menschen, ohne Beteiligung der Abgeordneten oder der Bürger. Das die Wahl so lange dauerte, dass man drei Mal wählen musste, war dann ein kosmetischer Fehler, ein kleine, vermutlich erwartete, Schramme. Partei- und Fraktionsdisziplin haben gesiegt, was besonders angesichts der vielen, eigentlich mehr oder weniger unabhängigen, Wahlmänner traurig ist. Mit Demokratie hat das dann, nach meinem Empfinden, nur etwas am Rande zu tun. Aber, das muss mann auch deutlich sagen, das hatte die Wahl des Bundespräsidenten im Grunde ja auch nie.

#Am besten kamen heute wohl die FDP und die Grünen weg. Hatten ja auch vorher schon den Kopf eingezogen.

# Die ARD wollte nach der Tagesschau live berichten, hatte aber offenbar keinen Plan. Anders kann man es sich nicht erklären, das man in 45 Minuten zweimal eine Tageszusammenfassung brachte. Warum man nicht einfach sich nicht einfach bei Phoenix bediente, die einen Politiker nach dem anderen vorm Mikro hatten, ist mir schleierhaft.

#Wulff mag ja ein netter Mensch sein, er ist mir auch nicht mal unsympathisch. Aber irgendwie wirkt er auch wie der Butler, dessen Gesicht man schon vergisst, so bald er den Tee serviert hat. Mir fehlt ein wenig das staatstragende, das „senatorische“, die Aura von Intelligenz, Wissen und Weisheit. Anders gesagt – es ist schon ein weiter Weg von Richard von Weizäcker zu Christian Wulff.

7 Antworten zu „Lose Gedanken zur Wahl des Bundespräsidenten“

  1. Was für einen Kredit bitte? Die Linke hatte in Westdeutschland nie irgendeine Form von Kredit, wurde unter Druck gesetzt und ausgegrenzt solange sie existiert. Und sowieso: Warum sollte die Linke Kredit verspielen, indem sie einen Kandidaten nicht unterstützt, der kein linker Kandidat ist, keine linken Positionen unterstützt, in Interviews vor der Wahl die Linke brandmarkt?

    Ich weiß, dass das so dargestellt wird. Aber der Vorwurf ist ziemlich absurd, wenn man darüber mal ohne Medienbeeinflussung nachdenkt.
    Gruß

  2. […] Auch Michael Spreng siniert darüber, dass die Wahl zum Bundespräsidenten zeige, wie die CDU Angela Merkel entgleite. Don Dahlman vermisst an Christian Wulff das staatsmännische Auftreten. […]

  3. Zustimmung @onli

    Ich wundere mich wirklich wie dieser Tage massenweise mediale Beißreflexthesen nachgeplappert werden.

    Allein die Vokabel: „Verweigerung“!? Was ist das für ein Demokratieverständnis?

    All diesen Einlassung liegt die verquere Logik zugrunde, dass eine bundesdeutsche Partei, in dessen Reihen natürlich auch Idioten verkehren, die sich insgeheim liebend gern ihren totalitären Staatssozialismus zurückwünschen, unbedingt einen Kandidaten wählen muss, der irgendwie allein die Mauer niedergerissen hat, gleichwohl welche politische Positionen dieser darüber hinaus vertritt.

    Ich glaube Gauck könnte den kompletten Rückbau wohlfahrtsstaatlicher Institutionen zugunsten der totalen Freiheit fordern – die Linke müssten ihn immer noch wählen, um mal richtig glaubwürdig rüberzukommen…

    Aber nur so, durch Enthaltung, geht tatsächliche Glaubwürdigkeit.
    Einen Kandidaten wählen, der Agenda 2010 und Afghanistan toll findet, was diametral den programmatischen Grundsätzen entspricht, um Rot-Grün einen Gefallen zu tun? Um mal zu zeigen, dass man die DDR als Partei ja auch doof findet?

    Sorry, das wäre ja irgendwie programmatische Verweigerung.

    Auch die Linke betreibt – wie jede andere Partei auch – vote-seeking. Insofern hat sie sich verhalten wie jede Partei mit ähnlichen programmatischen Grundsätzen dies wahrscheinlich auch getan hätte.

  4. Ich fand, ehrlich gesagt, den Teil mit den Fraktionen, die versuchen alle ihre Schäfchen ins Boot zu bekommen, noch mit am unterhaltsamsten. Man hat sozusagen auf großer Bühne mitbekommen, was normalerweise eher hinter den Türen abläuft.
    Die Linke hat für mich auch einiges an Ansehen verspielt (wobei das falsch ist, da sie vorher schon keines bei mir hatte), sowohl durch die Ablehnung von Gauck bzw. die Gründe dafür als auch durch die Enthaltung bei der Wahl. Sicherlich müssen sie nicht umkippen, aber dann können sie auch ihre Kandidatin weiter aufstellen. So finde ich das nur sehr schwach.
    Wulff ist mir persönlich auch etwas zu nichtssagend, zu glatt. Ich gebe zu, ich habe seine Karriere nicht so verfolgt, allerdings kann ich auch in meinem Gedächtnis kramen und finde keine Aussage, die mir in irgendeiner Weise gesagt, wofür er steht, wer er ist. Gut, ähnliches könnte ich auch von Rau behaupten und der war jetzt nicht der schlechteste Präsident, den wir so hatten.

  5. Na ja, in Ihrer Aussage über die Linke „… weil sie dokumentiert, dass ihr an Aufklärung der eigenen Vergangenheit immer noch nicht so recht gelegen ist“, da stimme ich Ihnen nicht zu. Die Linke hat Gauck nicht gewählt, weil der für einen Linken auf Grund seiner Überzeugungen (Afghanistan, Sparpaket, Antikommunismus) schlicht nicht wählbar ist. Aber schön, es ist heute Mainstreammeinung, dass die Linke sich einer Gesinnungsdisziplin verweigert habe, da ist schwer gegen anzukommen.

    Und wo Sie schreiben „Man konnte das Gefühl bekommen, dass die „Abstimmung eben nur der öffentliche Schein war, den es zu wahren galt. Die Entscheidung war schon längst vor drei Wochen gefallen. In einem Hinterzimmer, zwischen wenigen Menschen“ – ja, was haben Sie sich denn gedacht? Natürlich war das so, das hat auch nie jemand zu verschleiern versucht.

  6. ml

    Manchmal wünsche ich mir eine Ersatzrealität, in der sich die SED nach 1989 aufgelöst hätte um in neuen Parteien aufzugehen. Sicherlich wäre dann alles besser. Oder so.

    Dann würde nämlich auffallen, dass die restlichen Parteien der DDR (ja, die gab es) einfach so, sang- und klanglos in den Westparteien aufgegangen sind, ohne sich je zu Fragen wie Vermögen oder Stellungnahme zur DDR selbst beantworten zu müssen. Viele würden sich fragen, was denn aus den 2 Millionen Mitgliedern der SED wurde, welche diese Ende 1989 noch hatte.

    So aber – in der Tatsächlichkeit – hat die bundesrepublikanische Öffentlichkeit etwas zum draufhauen, wenn es gerade passt oder eben nicht.

  7. gundel gauckelei vs. teen wulff

    die merkelmiene tiefgefroren
    und guido? lamentiert und jammert
    der seehorst reibt entsetzt die ohren
    geschockt ist auch der nobby lammert

    die reguläre spielzeit endet
    kein sieger, niemand geht vom platz
    das grundgesetz wird angewendet:
    verlängerung im zweiten satz

    aber auch dieser endet bitter
    der sekt bleibt zu, er darf nicht fließen
    wie’s ausgeht? noch ein wahlgang (dritter!)
    danach kommt dann elfmeterschießen