Werbung und Wirklichkeit

Zur Diskussion „Adblocker“: Ich habe mich ja schon gewundert, wann die Diskussion mal los geht, aber es scheint es ja jetzt so weit zu sein. Ich nutze auch einen Adblocker, vor allem wenn ich unterwegs bin, weil ich keine Lust habe meine UTMS Brandbreite mit irgendwelchen Flashbannern abzuarbeiten. Im Büro schalte ich den Adblocker bei der ersten Netzrunde morgens ab. Zum einen, weil ich Werbung unterstütze (ich leben um zwei Ecken davon) zum anderen weil ich beruflich wissen muss, was gerade so an Werbung läuft. Meist nervt mich das Geblinke aber irgendwann zu sehr und ich schalte ihn dann im Laufe des Tages wieder an. Und da sind wir schon mitten im Thema, liebe Werbetreibende, denn vermutlich würden weniger Menschen einen Adblocker nutzen, wenn man folgendes beachtetet würde:

1. Nie, und ich meine das so, wie ich das sage, also wirklich nie, nie, nie, egal wie verzweifelt man auch sein mag, niemals Banner machen, in denen sich dauernd etwas bewegt, angeblich lustige Dinge passieren oder kleine Filmchen laufen.

2. Noch weniger nie als in Punkt 1 beschrieben: Banner mit Geräuschen oder Ton. Nein, sie sind nicht lustig. Oder anders gesagt: Wenn ihr wollt, dass man ein Produkt in so richtig schlechter Erinnerung behält, dann macht man ein Banner, dass animiert ist und los plärrt, möglichst bevor die gesamte Seite geladen ist.

3. Wenn es geht, sollte man auf Flash verzichten. Flash nervt, kostet unterwegs Bandbreite und zu Hause geht mancher Rechner in die Knie. Ich hab nichts gegen sanft animierte Banner, die einmal ablaufen, bzw. aktiviert werden, wenn ich sie explizit ansurfe.

4. Eine Layer-Werbung. Zumindest nicht, wenn ich sie nicht anfordere (siehe unten)

5. Keine Popups, – under, oder -closing.

Natürlich gibt es das Argument: „Aber dann fällt Werbung ja gar nicht auf“, wenn es nicht blitzt und dingst.“ Mag sein, oder auch nicht. Werbung in Zeitschriften hat das jahrzehntelang nicht gestört, dass sie sich nicht bewegen konnte. Vielleicht geht es ja auch mal ein wenig kreativer, als immer nur Werbung zu gestalten, die einen anbrüllt. Ich hätte zum Beispiel nichts dagegen, in einem Text auf ein aussagekräftiges Bild zu stoßen, etwas was mich neugierig macht, was spannend ist. An dem steht: „Werbung“ und „Klick mich“. Mache ich das, geht ein Layer auf, ich sehe das Bild groß samt der Werbebotschaft. Nur mal so als Beispiel.

Das Argument: „Ihr müsst Werbung ertragen, sonst geht der Journalismus kaputt“ halte ich auch für arg kurz gegriffen. Davon abgesehen, dass es ungesund ist und jeder Unternehmer weiß, dass man sich nicht nur eine Einnahmequelle verlassen sollte, missfällt mir der Ton. Werbung muss nicht schlecht sein, im Gegenteil. Sie kann anregen, unterstützen, helfen, Spaß machen oder lustig sein. Dann muss man sie auch nicht „ertragen“ sondern man nimmt sie gern wahr. Aber die Allianz zwischen dem Journalismus und der Werbung hat sich in den letzten 20 Jahren immer mehr als unheilvoll heraus gestellt, weil die Werbekunden immer mehr Einfluss auf die redaktionellen Inhalte genommen haben. Das fängt bei der Seitenplanung an und hört bei PR-Texten und unterdrückter kritischer Berichterstattung auf. Man darf sich da keinen Illusionen hingeben, schon gar nicht wenn es um journalistische Nischen geht, wie ich neulich drüber im racingblog mal festgestellt habe.

Die Konsequenz wäre, dass man Werbung nur dosiert einsetzt und andere Formen der Mischfinanzierung findet. Was aber, zumindest im Moment nicht geht. Die Variante, dass Konzerne sich Zeitungen halten, sie quasi nebenbei mit finanzieren, geht nicht so wirklich Hand in Hand mit der Vorstellung eines unabhängigen Journalismus. Die Frage, wie man den Journalismus, außer mit Werbung finanzieren, könnte, ist nicht gerade neu, eine Antwort hat es bis nicht gegeben und ich kenne sie auch nicht. Aber sie lautet sicher nicht, dass man Webseiten betritt und sich dort vor lauter Flashgebrüll wie auf der Reeperbahn vorkommt, unter all der Neonbeleuchtung und den Kobereren.

10 Antworten zu „Werbung und Wirklichkeit“

  1. 4. liest sich unter der Headline so, also ob du gerne Layer-Ad hättest.

  2. ich klinge ungern klugscheißend, aber: hier in der sidebar ist ja auch ein flashbanner, das sich permanent bewegt .. (also: nicht bös‘ gemeint. ich mein‘ .. ich mein‘ ja nur.)

  3. Den Punkten stimme ich fast ausnahmslos zu. Allerdings empfinde ich gut gemachte Werbung nicht nur als nicht nervend, ich schaue sie mir sogar sehr gerne an. Ideenreichtum kombiniert mit einem gewissen Oh-Ah-Effekt nehme ich auch in erster Linie nicht als Werbung wahr, sondern als Unterhaltung. Und das ist doch der eigentliche Punkt. Vor nicht allzu langer Zeit machte ein Werbevideo für [irgendwas mit]-Salsa die Runde, das nur als Beispiel.

    Das große Kopfzerbrechen über die Zukunft von Qualitätsjournalismus will mir noch nicht so recht bewusst werden. Printmedien werden natürlich zukünftig nicht mehr in dem bisherigen Umfang vertrieben werden können. Das hat in meinen Augen jedoch nichts mit dem Verhalten der Leser zu tun, sondern mehr mit dem jeweiligen Angebot. Es dürfte doch leicht nachzuvollziehen sein, dass sich nur eine Minderheit dazu bereit erklärt für Inhalte zu zahlen, wenn es parallel eine andere Möglichkeit gibt, kostenlos zu lesen. Mit Werbung finanziert, kann und wird es jedenfalls nicht funktionieren. Ich denke vielmehr, dass das Angebot eine Webseite anzuwählen und kostenlose Nachrichten zu lesen derzeit ein großer Luxus ist, den es in der Zukunft in dem Umfang nicht mehr geben wird. Vielleicht müssen wir auch in ein paar Jahrzehnten mal erklären, was eine URL ist und wie man sich vor dem großen App-Hype im Netz bewegt hat.

  4. […] Bis heute gibt es auf unzähligen, auch seriösen Webseiten s.g. Layer-ads oder Ressourcenfressende Flashwerbung. Weder die Werbeindustrie noch die Marketingabteilungen der werbenden Unternehmen haben größtenteils also begriffen, dass Werbung im Internet besser funktioniert, wenn man dem User nicht mit dem Hammer alle Zähne ausschlägt. […]

  5. […] Dahlmann beteiligt sich mit Werbung und Wirklichkeit an der aktuellen Blog-Debatte über die Finanzierung von Journalismus im Internet durch […]

  6. OK. Der vielgepriesene „Qualitätsjournalismus“ will natürlich bezahlt sein (auch wenn die, die die Texte schreiben tatsächlich immer weniger bezahlt werden).
    Aber mir fällt es denn doch recht schwer, die Qualität der mir präsentierten Artikel zu würdigen, wenn ich mich vor lauter Gezappel links und rechts, oben und unten nicht darauf konzentrieren kann.

  7. Ich kann dem Artikel in weiten Teilen zustimmen, blinkende Werbung nervt, erst recht, wenn sie zusätzlich mit Ton versehen ist. Allerdings findet man immer häufiger Seiten, bei denen man von einem Herrn oder Dame begrüßt wird oder automatisch ein Video gezeigt wird, und das oft bei ganz seriösen Angeboten, wie etwa Krankenkassen. Ich finde das eher störend als ansprechend.

  8. starman

    Sehr schöne Beschreibung der Situation.

    Mein Scoring wäre in etwa

    -15 Sound/Musik unaufgefordert
    „Guten Tag, ich bin… und ich..“ kann ich gar nicht ab
    -10 Seiten, die so grottiges HTML/CSS/JS haben, dass nur ein bestimmter
    Browser sIE halbwegs gescheit darstellen kann
    – 7 Popups
    – 5 Blink-/Hüpf- und sonstwie animierte Bilder
    – 3 kreischbunte Farben

    Was bei mir, als fast-nur Konsument von Webseiten, gerne mal in Vergessenheit gerät, ist die Notwendigkeit, Werbung in irgendeiner Form zuzulassen, damit eine Seite sich finanziert. Gar nicht auszudenken, wenn diese Art der Werbung den Werbenden irgendwann mal so ineffektiv erschiene, dass es kein Geld mehr dafür gäbe.

    Vielleicht gibt es ja sowas wie einen smart-ad contest oder etwas in der Art, wo die Konsumenten ein Urteil abgeben, was sie am meisten/wenigsten stört an der Art wie Werbung präsentiert wird.

  9. Manueller Trackback:
    Hand drauf: Werbeblocker brauchen wir
    http://hyperkontext.at/weblog/artikel/hand-drauf-werbeblocker-brauchen-wir/

    […] Welche Argumente Ihr immer anführt, die Antwort kann nicht lauten, „dass man Webseiten betritt und sich dort vor lauter Flashgebrüll wie auf der Reeperbahn vorkommt“, wie Don Dahlmann in einem lesenswerten Beitrag schreibt. […]