Murdoch

Ich weiß gar nicht, ob die Idee von Murdoch, die Schotten dicht zu machen, so schlecht ist. Er denkt darüber nach, so heißt es, ein Teil seiner Angebote hinter Paid Content Schranken zu stellen und gleichzeitig die Suchmaschinen und Aggregatoren-Bots vor der Tür stehen zu lassen. Mit anderen Worten: er verschwindet quasi aus den Suchmaschinen und kann nicht mehr verlinkt werden. Und verstösst damit gegen zwei Grundsätze der letzten 10 Internetjahre. Wachse und mach SEO.

Bisher beruhte ein Grundgedanke im Netz auf zwei Dingen. Das ist Reichweite (also PIs) und der Grad der Verlinkung. Beides ist Quatsch, wenn es um den Grundgedanken der Qualität geht. PIs sind sowieso himmelschreiender Unsinn. Die IVW listet für zum Beispiel für SchülerVZ im Oktober 2009 sage und schreibe 6.444.226.130 PIs aus. Also 6.4 Milliarden Pageimpressions. Theoretisch könnte also jeder Mensch der auf der Erde lebt, im Oktober einen Klick beim Netzwerk hinterlassen haben. Wie man weiß, kann seine PIs mittels billigen Tricks (Klickstrecken usw.) beliebig nach oben treiben. Das treibt dann die Werbepreise in die Höhe, weil man mit diesen irrsinnigen PI-Zahlen angeben kann. Media-Agenturen haben dann schöne große Zahlen und Balken, mit denen sie auf Kundenfang gehen können. Aussagekräftiger sind zwar die Besuche pro IP-Adresse, ob jemand einen Adblocker einsetzt und vor allem die Verweildauern auf einer Seite, aber das interessiert ja im Moment keinen.

Verlinkungen sind auch nicht mehr so wichtig, jedenfalls nicht für große Medien. Links sind für kleine Seite wichtig, also Blogs, kleine Magazine, Shops usw. weil sie das Google Ranking beeinflussen und damit dann Massen an Besuchern vorbei geschwommen kommen. Große Medien brauchen das nicht, denn die haben auch genug Geld sich Keywords zu kaufen um jederzeit aktuell vorne auf der ersten Seite auftauchen zu können.

Verlage, auch in Deutschland, brauchen nicht die Suchmaschine Google um gefunden zu werden, sondern sie brauchen sie, damit sie Keywords und damit Werbeplätze kaufen können. Man traut sich nur deswegen nicht Google raus zu werfen, weil es einen die PI-Zahlen runter fährt. Was, ganz grob gefasst, die Einnahmen und Preise weiter drückt.

Was würde in einer (zugegeben) perfekten Welt wichtiger sein? Da wäre zum einen die Qualität der Artikel, zum anderen eine andere Vermarktungsstrategie. In der perfekten Welt habe ich eine Zielgruppe die ich kenne, der ich Artikel liefere, die sie lesen wollen und die dafür auch bereit sind, etwas zu bezahlen. Ich weiß, wer mich liest. Ich kann dann folgendes machen, um Geld zu verdienen: Entweder erhebe ich Abogebühren, oder ich schraube meine Werbepreise so hoch, dass ich davon leben kann. Ich kann das machen, weil ich dank der Abo-Struktur sagen kann, wer meine Leser sind, also kann ich Firmen genau sagen: „Wenn sie hier werden, bekommen sie diese Leser mit solchen Interessen“. Die Streuung wird reduziert, die Klickraten erhöht. Man hat sich ein komplett neues Einnahmemodell gesichert, dass gegen alle bisher propagierten Gesetze des Netzes funktioniert.

Murdoch hat mit dem „Wall Street Journal“ und der „New York Times Post“ zwei Blättern, die das liefern könnten. Aber wir sind ja hier nicht in der perfekten Welt und schon gar nicht bei „Wünsch Dir was“. Im Moment gibt es auch in den USA niemanden, der nicht auf PIs und Reichweite setzt.

Die Frage ist aber auch, was Journalismus und die Portale in Zukunft leisten sollen? Wenn die reine Berichterstattung mehr und mehr bei den Agenturen liegt, die selber aktiv Portale bestücken, dann braucht kein Mensch 150 weitere Portale, die die wortgleichen Meldungen weiter verbreiten. Interessanterweise baut sich per Twitter und anderen Echtzeit-Portalen gerade auch ein komplett andere Struktur des Agentur-Journalismus auf.

Aber Murdoch ist auch nicht blöd und keiner, der kurzfristig denkt, er könne mit ein paar Tricks seine Einnahmen aufbessern. Stattdessen liegt der Gedanke durchaus nahe, dass er damit beginnt, sein Imperium aufzuteilen. Die tages/stundenaktuelle Berichterstattung kanalisiert er über zum Beispiel über FOX News und ein paar weitere Portale. Die qualitativ hochwertige Berichterstattung, die Analysen usw. verschließt er. Es wäre zumindest eine Möglichkeit, wie man einen neuen Ansatz zur Finanzierung suchen könnte.

Ich vermute ja, dass er spätestens ein halbes Jahr nach dem er Google raus geschmissen hat, bei MSN landet. Er verkauft den Zugang zu seinen Portalen dann exklusiv an „Bing“, also kann man dann auch nur per „Bing“ seine Seiten finden. Warum das noch keiner gemacht hat, verstehe ich sowieso nicht, aber egal. Das mag auch schon moralisch gegen eine bestimmte Form der Netzneutralität verstoßen, aber das dürfte ihm komplett egal sein.

Murdoch kann es sich leisten, so eine Sache mal auszuprobieren. Deutsche Verlagen hingegen nicht, dafür produziert man einfach zu wenig exklusive Inhalte und der deutschsprachige Markt ist einfach zu klein für so was. Statt zu jammern, Google zu beschimpfen (aber nicht auszusperren) und bei der Politik Leistungsschutzrechte zu fordern wie viele deutsche Verleger, hat Murdoch immerhin die Eier auf einen Konfrontationskurs mit Google zu gehen. Einer muss es ja mal ausprobieren. Allein dafür gebührt ihm Respekt, wenn er es denn macht.

17 Antworten zu „Murdoch“

  1. Malte Diedrich

    Kleine Korrektur: Die NY Times gehört nicht Murdoch. Meinst du evtl. die NY Post?

  2. Mein Verdacht wäre auch, dass Murdoch da auf einen Trend setzt, ihn noch zu verstärken hofft: Traffic verlagert sich derzeit in social networks hinein und diffundiert daraus zu Websites. Da spielt Google dann eine weniger wichtige Rolle.

    … und wenn man der erste ist, der Google aussperrt, hat man noch den Aha-Effekt auf seiner Seite. http://s.ring2.de/4g

  3. Ich frage mich, ob das nicht ein Versuchsballon ist, das Netz in die kontrollierte Richtung zu lenken, wie es die Medienindustrie vom Rundfunk gewohnt ist, nur eben angepasst aufs Internet. Nur ein Baustein, von seiten der Inhalteanbieter, dem noch weitere folgen müssen, um ein geschlossenes System zu bilden, aus dem sich das Publikum dann bunte Häppchen abonnieren darf. Perfekt wird das Ganze, wenn ISPs nicht mehr pauschal den Zugang bereitstellen, sondern sich den Zugang zu verschiedenen Inhaltspaketen bezahlen lassen. Dann ist das Internet so frei wie in „Free TV“.

  4. mischa

    Murdoch und „qualitativ hochwertige Berichterstattung“ passen nicht in einen Satz. Alle seine Hefte/Sender sind so schlimm wie Bild oder schlimmer.
    Und ja NY times ist falsch, es ist NY Post und sieht wie Bild aus, inhaltlich und äußerlich.

  5. llamaz

    Das Problem ist doch ein ganz anderes: Im Internet ist die vorherschende Werbeart die Kontextwerbung. Neben einem Artikel über Fahrräder stehen Anzeigen für Fahrräder, neben einem Artikel über Britney Spears stehen Anzeigen für CDs oder MP3s von Britney Spears. Das funktioniert für Themenwebseiten und vielleicht noch für Magazine, für Nachrichtenseiten funktioniert das nur sehr schlecht.

    Was für Werbung blende ich ein neben einem tödlichen Autounfall? „Ford, designed for living.“ oder was? Was blende ich ein neben einem toten Nationaltorwart? Was blende ich ein neben der Regierungserklärung von Angela Merkel?

    Die meisten Nachrichten sind nunmal schlechte Nachrichten, wer wirbt freiwillig in solch einem negativen Umfeld? Früher blieb einem nichts anderes übrig, heute hat man das nicht mehr nötig. Und schon gar nicht wirbt man mit Kontextanzeigen in einem Nachrichtenumfeld, das ist viel zu gefährlich, das reinste Minenfeld. Die Gefahr einer fatalen Anzeigenplatzierung ist bei einer automatisierten Keywordwerbung viel zu hoch.

    Schlagzeile: Gedenken an den 65 Jahrestag zur Befreiung von Auschwitz.
    Anzeige: Wir liefern das Gas von morgen.

    Sowas in der Art gabs mal in der Printausgabe einer Tageszeitung – das war ein bedauerlicher Einzelfall. Bei Kontextwerbung im Internet droht das aber für Werber der Alltag zu werden wenn sie auf Nachrichtenseiten Kontextwerbung schalten.

  6. @mischa Zur News Corp. gehört auch die „Times“ in England.

  7. Interessante Gedanken. Aber nein, ich glaube nicht, dass das Erfolg haben wird.

    Gerade im englischsprachigen Raum hat sich die Blogosphäre derart professionalisiert, dass sie gerade in Sachen Analysen und Hintergrund eine fast unerschöpfliche Breite und Tiefe erlangt hat, dass man – zumindest im Zweifelsfall – immer auf den Kontent der Verlage verzichten kann. Zumindest dann, wenn man dafür plötzlich bezahlen soll.

    Und da diese Blogger auch schon von ihrem Kram leben können, haben sie kein Interesse, diese Zäune mit hochzuziehen.

    Was natürlich bleibt: Die Maßeinheiten mit dem die Geldverteilungsschlüssel generiert werden, werden hoffentlich nicht so weiter laufen. Das einzige was ich mir also vorstellen kann, ist dass die Mediaagentueren irgendwann die genaue Personalisierung der Leser verlangen werden, was dann zumindest zur flächendeckenden Ausbreitung von geschlossenen subscriptionmodellen führen könnte. Da könnten dann wieder die Social Networks eine Rolle spielen… Dann hat man zwar noch keine Bezahlinhalte aber immerhin personifierbare Leser.

    Und wenn man das wieder mit Twitter und Facebook weiterdenkt… ach, das reicht jetzt.

  8. Habe heute eine Pröveninge gemacht, wie das denn konkret aussieht. Eine Meldung, zwei Wege. Beim Murdoch-Blatt Wall Streeet Journal muss ich zahlen, bei Reuters gibt es sie gratis. Link: http://arlesheimreloaded.ch/article/murdoch-paid-content-verleger

    Gedanke: Vielleicht gibt es einfach zu viele Medien.

  9. […] Murdoch und sein Weg zum Paid Content – oder: Was sind PI’s und SEO wirklich wert? – Interessante Ansichten, gefunden bei Irgendwas ist ja immer […]

  10. Muriel N.

    Sehr interessante Gedanken. Diese wären aber wesentlich angenehmer zu lesen, wenn die Sätze vollständig und weniger Schreibfehler enthalten wären. Danke

  11. Emil

    Er denkt darüber nach, so heißt es, ein Teil seiner Angebote …

    –> einen Teil

    … auf zwei Dingen. Das ist …

    –> sind

    Die IVW listet für zum Beispiel für SchülerVZ …

    (für-für)

    Wie man weiß, kann seine PIs …

    –> kann man/jeder (?)

    Links sind für kleine Seite wichtig, …

    –> Seiten

    … eine Zielgruppe die ich kenne, der ich Artikel liefere, die sie lesen wollen und die dafür auch bereit sind, …

    –> will & ist („Zielgruppe“ = Einzahl!)

    Wenn sie hier werden, …

    –> werben (!)

    Murdoch hat mit dem “Wall Street Journal” und der “New York Times Post” zwei Blättern, die das liefern könnten.

    –> Blätter

    … ein komplett andere Struktur …

    –> eine

    Deutsche Verlagen hingegen nicht,

    –> Verlage

    Plus: ca. einem Dutzend Kommas (fehlend).

    :-)

  12. […] Murdoch – Irgendwas ist ja immer – Reloaded Murdoch will seine Medien für Google abschließen. Lesenswerte Gedanken zu PIs, Backlinks und Qualitätsjournalismus. (tags: mediadata Journalismus Google) […]

  13. Die Idee ist ganz nett, auch gut überlegt, aber sicher nicht bis zu Ende gedacht.
    Alerdings: Bis heuten haben immer wieder ein paar verrückte Ideen die Welt revolutioniert und vielleicht gehört Murdoch schon heute mehr Respekt für sein Vorhaben.
    Weltweites Aufsehen gibts dafür auf jeden Fall…
    ich lasse mich überraschen

    herzliche Grüße aus Spaichingen
    schimmi

  14. […] Google soll dabei wohl ausgeschlossen werden. Und Microsoft soll für dieses Recht bezahlen. Nicht Wenige sind der Meinung, dass das durchaus sinnvoll sein könnte. Immerhin würden die Verlage sich damit […]

  15. tobi

    Laut Pressemitteilung vom Juli will die IVW ab Dezember Visits bei der Messung stärker bewerten: http://ivw.de/index.php?menuid=52&reporeid=268

    PIs spielen dann wohl nur noch eine untergeordnete Rolle.

  16. Wie Murdoch für Bush die Medien manipulierte, sagt er uns selbst.
    http://www.youtube.com/watch?v=0K2pLo8JV5Y