Die Freuden der Echt-Zeit

Paul Carr macht bei Techcrunch gewisse Sorgen über die Gefahren des Echt-Zeit-Webs.

Still, he had the measure of his fans: “remember,” he said “this is a secret gig, so shhhhhh, no writing about it on Facebook or Twitter.”

Somewhere across the room, a MySpace PR groaned, and threw herself off the VIP balcony.

Cuomo was joking of course – a ham-fisted attempt at a target reference – but there was a strange and tragic truth in his plea. I mean, what were we all doing? Filming and tweeting and checking in rather than just putting our phones away and enjoying the gig. Why does the world need two thousand photos of the same band on the same stage, all taken from a slightly different angle. That kind of 360 degree imagery might have been useful on the day Kennedy was shot – not least because it would have kept Oliver Stone quiet – but for a Weezer gig?

Es geht ihm aber nicht nur um die spaßige Seite des Web 3.0 (uuuuaaaah). Es ist sicher spannend, so wie Konstantin die Tage schrieb, dass sich Netz von einer Auslage, in die andere was rein stellen und wo es Stunden braucht, bis es bei Google auftaucht, hin zu einer Art Markt wird, auf dem jeder sein Angebot ausruft. Aber da liegt dann auch wiederum ein Problem begraben, das nicht nur dann zum tragen kommt, wenn ein paar Leute zufälligerweise einen Flugzeugabsturz mitbekommen und den Tod von Menschen live ins Netz per Twitter, Qik und Flickr stellen.

Auf die moralischen Implikationen will ich gar nicht eingehen. Die Frage ist da eher, wie wir mit unserem eigenen Leben umgehen. Ob und wie viel man preis gibt. Die Diskussion hatten wir schon mal in der Anfangszeit der Blogs, als man sich darüber Gedanken machte, in wie weit es erlaubt ist, das soziale Umfeld in seinen Einträgen auftauchen zu lassen. Aber mittlerweile hat sich die Situation geändert, denn der eigene Freundeskreis besteht nicht mehr skeptischen Lesern, sondern aus Menschen, die selber bei Twitter, Facebook usw. aktiv sind. Man ist nicht mehr der alleinige Beobachter, der ein oder zwei Tage nach einem Event, einer Party oder einem Konzert etwas schreibt. Oder anders ausgedrückt und um mal bei dem Bild von Paul Carr zu bleiben – es ist ganz schön voll geworden auf dem Beobachtungsbalkon.

Schafft das nun mehr Freiheiten? Bei einem Blogeintrag überlege ich mir, was ich schreibe, was ich preisgebe. Ich beobachte alleine, ich reflektiere, ich mache mir Gedanken. Echt-Zeit-Mitteilungen haue ich so raus. Schnell ein Foto von der Party, wo gerade jemand betrunken dieses oder jenes macht, schnell ein Tweet wer hier mit dem wem auf der Bank sitzt. Das sind alles scheinbar harmlose Dinge – und doch warnen Personalberater eindringlich davor, sich in solchen Situationen sehen zu lassen. Und dank Bing und Google kann der Personalchef dann demnächst auch noch bei Twitter und Facebook nachforschen, was andere Menschen so über einen schreiben. Man steht unter permanenter Beobachtung.

Das ist in etwa so, als würde man immer gefilmt werden. Man mag den Druck vergessen, der durch die Kamera ausgelöst wird, aber man vergisst nie so ganz, dass sie noch da ist. Man verändert sein Verhalten und bemüht sich keine Blöße zu zeigen. Wie oft habe ich in den letzten Monaten schon den Satz von Bekannten gehört „Das twitterst du aber nicht!“. Die Angst, das etwas im, nun auch durchsuchbaren, Echt-Zeit-Web landet, was man nicht mehr raus bekommt, ist größer als man denkt. Auch wenn man selbst nicht mal die Idee kommen würde, etwas zu twittern. Das Wort „Reputationsmanagement“ wird im Echt-Zeit-Web wichtiger, als man denkt. Sorgt das also dafür, dass das neue Web dafür sorgt, dass man sich unfreier fühlt, weil Schwäche in der Gesellschaft immer noch nicht gerne gesehen werde? Oder wird es sich durchsetzen, dass genau das Gegenteil passiert? Das die gegenseitige Offenheit dafür sorgt, dass man sich nicht mehr verstellen muss? Darauf wird es wohl erst in ein paar Jahren eine Antwort geben.

4 Antworten zu „Die Freuden der Echt-Zeit“

  1. Kixka Nebraska

    Das Thema ist viel zu groß, um in einem Kommentar angemessen darauf eingehen zu können – außerdem weiß man ja nie, wo sich das anschließend im Netz wiederfindet! Wann bist Du mal wieder in Hamburg, damit wir das besprechen können? ;P

    Nein, ganz im Ernst:
    In meinen Augen eines der größten Themenfelder mit der zunehmenden Aktivität von Menschen im Netz, denen zumindest von einigen jegliche Medienkompetenz, sich die gewünschten Privatsphäre-Settings einzustellen, abgesprochen wird – und das von Meedia.de u.a. freudig aufgegriffen und weiterverbreitet wird, ohne Überprüfung auf Richtigkeit oder Relevanz dessen, was sie da verbreiten. Im Regelfall wird auf diese Weise nur Verunsicherung (bzw. je nach Hintergrundwissen: Kopfschütteln) erzeugt.

    Trotzdem: Die Balance zwischen „Ist der Ruf erst ruiniert, twittert es sich völlig ungeniert“ und „Von mir findet sich nichts im Netz“ wird jeder für sich selbst bestimmen müssen.

    Und selbstverständlich stellt sich die Frage, wer sich die letzte Haltung noch wie lange erlauben kann. Im Zweifel bestimmen dann andere über die eigene digitale Reputation …

  2. […] Die Freuden der Echt-Zeit – Irgendwas ist ja immer – Reloaded (tags: internet twitter Echtzeitweb) […]

  3. Diese Echtzeitformate wie Twitter oder Facebook geht mir voll auf die Nerven;-)

  4. Danke für den Beitrag, regt zum Nachdenken an. Leider macht sich nicht jeder bei der Nutzung von Twitter oä soviel Gedanken und der kurzre Ruhm ist vielen wichtiger als Zurückhaltung im entscheidenden Moment.