Paid Blödsinn

Ich sitze gerade an einem längeren Artikel über Paid Content, dieses Zombie-Ding, das alle paar Jahre aus seinem Grab schlurft und für glänzende Augen in Verlagshäuser sorgt. Gerade lese ich, dass DuMont für jedes Artikel 30 Cent haben will. Das klingt nicht nur viel, das ist es auch. Zumindest für den Käufer, wenn man bedenkt, dass eine ganze Zeitung gerade mal 2 Euro kostet.

Für den Autor ist es allerdings erbärmlich wenig. Im Schnitt wird online im Moment 2 Cent pro Zeichen für einen freien Autor gezahlt. Macht bei einem mittleren 7000 Zeichen Artikel gerade mal 140 Euro. Mal angenommen, man verkauft pro Werktag einen solchen Artikel, dann macht das im Monat 2800 Euro brutto. Steuer, KSK, Versicherungen, Vorsorge – am Ende bleibt ein 1000 für Miete und den Rest. Klingt schon nicht so dolle, und wer verkauft und schreibt schon 140.000 Zeichen Text im Monat? Wer schon mal 7000 Zeichen geschrieben hat, weiß, was das für eine Arbeit sein kann. Und von Recherche und die Kosten, die dadurch entstehen, ist an dieser Stelle nicht mal die Rede. Die Verlage können aber nicht mehr zahlen, weil sie per Online nichts einnehmen.

Das Problem, vor dem die Verlage stehen, ist kurz gefasst, dreierlei:

1. Zu wenig Ertrag durch Online-Werbung
Das haben sich die Verlage teilweise auch selber zuzuschreiben. Statt die Media-Agenturen mehr einzuspannen, lässt man sich die Preise diktieren und unterbietet sich auch noch gegenseitig.

2. Beliebige Inhalte
90% der Inhalte, die ich auf den großen und kleinen Verlagsportalen finde, ist austauschbar. Warum dafür zahlen?

3. Wie umgehe ich das Double Opt-In Verfahren?
Bezahlsystem müssen einfach sein, was auf Grund der geltende Gesetze nicht zu bewerkstelligen ist.

Punkte Eins und drei lass ich jetzt mal weg, sonst kann ich mir den langen Artikel für next247 sparen. Punkt Zwei ist aber wichtig. Denn ist klar, dass man kaum Geld für beliebige Agentur-Meldungen bekommen wird. Man muss hochwertigen Content schaffen, also das Zeug, das man so selten findet und was teuer in der Produktion ist. Ein guter Autor wird sich kaum mit 2 Cent pro Zeichen zufrieden geben wollen, ein gut recherchierte Geschichte kostet auch mehr, mal abgesehen davon, dass man dem kaufenden Leser in Sachen Bildern und Layout auch etwas anderes bieten sollte, wenn er schon dafür zahlt.

Es wäre ja einerseits durchaus zu begrüßen, wenn die Inhalte wieder besser werden würden, wenn Qualität und Schärfe in der Berichterstattung wieder zunehmen kann, weil man wirtschaftlich auf gesunden Füssen steht. Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass man ausgerechnet den Content hinter verschlossene Türen stellen will, mit dem man gleichzeitig den eigenen Namen heraus polieren kann. Und dabei spielt es keine Rolle, ob das Schloss jetzt „Paid Content“ oder „E-Reader“ heißt. Wenn es keiner liest, hilft es nicht. Dazu kommt, dass man zufällige Leser, die per Suchmaschine kommen (und bei den SEO-optimierten Seiten sind das durchaus mehr als 50% des Traffics) mit einem Schloss vermutlich verliert.

Kurz gesagt (und wenig überraschend) ich halte nichts davon. Zumindest nicht auf diesem Weg. Es mag Nischen geben, die sich in Zukunft lohnen (E-Reader), aber das wird nicht so schnell die Kosten auffangen. Man hat versäumt, Online von Anfang an über vernünftige Werbepreise zu refinanzieren, außerdem hängt man vielen Erzeugnissen den Mühlstein um, andere, unrentable Bereiche eines Verlages zu finanzieren. Jetzt versucht man ein neues Spielfeld zu etablieren, wo man von Anfang die Preise anderes diktiert. Die Reaktion ist nachvollziehbar, aber nicht entschlossen genug. Es zeigt, dass immer noch das alte Kaufmannsdenken herrscht, in dem man für eine Leistung eine Forderung stellen kann. Open Source Businessmodelle haben in der Logik der Verlage scheinbar keinen Platz.

7 Antworten zu „Paid Blödsinn“

  1. Hallo Don,

    na, ich bin gespannt auf den Text – mit sowas befasst sich also Next247?

    Vielleicht magst Du den Text von Picard bei uns auf der Seite aufnehmen.

    Und vielleicht die Sache mit den Bundle-Abos. Einzelverkauf wird gar nicht gehen, sondern nur Bundles, wie beim Kabel-TV.

    lg,

    Robin

  2. Ob Verlage ein Open Source Businessmodell wirklich gewinnbringend nutzen könnten? Ich bin mir da nicht so sicher. OS wird immer so gerne als Allheilmittel in den Raum gestellt. Aber Verlage zB sind nunmal content-Lieferanten und keine Dienstleister.

  3. Das haben sich die Verlage teilweise auch selber zuzuschreiben. Statt die Media-Agenturen mehr einzuspannen, lässt man sich die Preise diktieren und unterbietet sich auch noch gegenseitig.

    Media-Agenturen mehr einspannen? Was soll das denn konkret heißen?

    Im Übrigen ist das doch kein verlagsspezifisches Problem, unter dem unterirdischen Preisniveau leiden die verlagsunabhängigen Vermarkter wie United Internet oder Interactive Media ganz genau so. Was die Preise drückt, ist die Tatsache, dass das Angebot an Werbeflächen im Internet nahezu unendlich ist. Ein derart gigantisches Überangebot haben wir weder im Fernsehen, in Print noch im Hörfunk. Und man muss es leider sagen: Die Onliner machen verdammt wenig aus ihren angeblich valideren Erfolgsnachweisen und Möglichkeiten zur genaueren Zielgruppenansprache wie Targeting etc.

  4. Hans Solo

    OS-Businessmodelle haben also keinen Platz bei Verlagen. Lieber Don Dahlmann, sie machen wie alle überschätzten Blogger den Fehler des Bullshit-Bingos, stellen keine Modelle auf, stellen keine Rechnungen auf, belegen nichts sondern finden alle blöd und sagen dann „OS“. Mit Verlaub, aber das ist der Grund, warum Sie eben da stehen, wo Sie stehen, Herr Dahlmann. Ohne Beleg und Argumentation und ohne jemals in einem Verlag gearbeitet zu haben einfach mal altklug was in den Blog meinen – Respekt. Gibt es denn nichts neues aus der Formel 1 zu berichten?

  5. Ich habe lange genug in und für Verlage gearbeitet. Sonst würde ich das da oben nicht schreiben. Und ich muss auch keine Modelle oder Lösungen entwickeln. Das tolle an einem journalistischem Kommentar ist nämlich, dass er dafür nicht zuständig ist. Gibt es denn was neues aus dem Star-Wars-Universum zu berichten?

  6. Hans Solo

    Das ist die armseligste Replik, die ich seit langem gelesen habe. Sie arbeiten doch schon sehr lange nicht mehr in einem Verlag, Sie kennen keine aktuellen Strategien, Probleme und Diskussionen, tun aber altklug, wie man es in Ihrer Lage eben tut. Und dann antworten Sie mir allen ernstes, Sie müssten Ihre Behauptung von OS nicht einmal in Ansätzen konkretisieren, weil Sie einen journalistischen Kommentar geschrieben haben? Sie haben eine Leermeinung abgesondert, ohne Gehalt, ohne nichts. Mache ich jetzt auch: „Bei hängen gebliebenen Bloggern hat Fundierung keinen Platz“. Aber was ist denn jetzt mit Formel 1?

  7. Man hat versäumt, Online von Anfang an über vernünftige Werbepreise zu refinanzieren,(…)

    Also dieser Punkt würde mich wirklich interessieren (und zwar nicht nur, weil ich beruflich das Themenfeld Werbung beackere und eine mir sehr nahestehende Person in einer Mediaagentur arbeitet).

    Ich denke nicht, dass „vernünftige Werbepreise von Anfang“ am Markt durchsetzbar gewesen wären. Das hat auch in keinem anderen Medium so funktioniert, erst muss nun mal ausreichend Reichweite und Leistungsnachweis da sein, dann kann man auch ordentliche Tarife verlangen. Privatfernsehen war anfangs auch mehr eine Spielwiese für Werber als eine wirkliche Macht am Werbemarkt, solange die technische Reichweite unter 70 Prozent der Fernsehhaushalte lag.

    Und wie im vorigen Kommentar schon gesagt, die Verlage hätten auch nicht gegen T-Online, Yahoo, AOL, Lycos und wie die Wettbewerber der frühen Internetjahre alle hießen höhere Preise am Markt durchsetzen können. Die gesamte Online-Werbung, nicht nur die von Verlagsangeboten, ist doch (nicht zuletzt mangels Reichweite) stets mehr vermarktet worden wie Direktmarketing – mit dem Versprechen, man wisse genau, wer wo klickt und könne Erfolg jederzeit sofort messen. Nun, wenn diese Werbeerfolge wirklich da gewesen wären, hätte man auch höhere Preise nehmen können. Aber es sind halt doch nie so richtig viele Nutzer gewesen, die Banner anklicken oder gar direkt werbeinduzierte Kaufakte tätigen. Mit der Folge, dass sich erst in den letzten Jahren einige reichweitenstarke Seiten leisten können, ihre Werbeplätze auf Basis von Tausendkontaktpreisen zu vermarkten, während das Gros der nicht so superreichweitenstarken Angebote auf Basis von Cost-per-whatsoever-Modellen abgerechnet werden, die im Endeffekt nur „lousy pennies“ einspielen (wenn man nicht gerade Google heißt und diese Pennies zu Milliarden addieren kann).

    Wenn sich nun irgendwelche Internet-Topchecker hinstellen und rummanifestieren, Online sei anders, dann kann man andererseits auch nicht so tun, als müsste man Verlagsangebote nur mit genau so „vernünftigen Preisen“ vermarkten wie Print und TV, und schön wäre alles geritzt. Aber es ist nun mal so, dass der Preis vor allem durch Angebot und Nachfrage erzielt wird, und bei einem tendenziell unendlichen Angebot an Werbeflächen im Internet kann man eben nicht den selben Wertigkeitsmaßstab anlegen wie an ein Dutzend relevanter TV-Kanäle oder die regionalen Monopolzeitungen.