So Konferenzen wie der DMMK gestern gehen halt immer so: Hingehen, rumstehen, WLAN suchen, Gott und die Welt treffen, reden, Visitenkarten austauschen, poken, essen, nach Hause. Normalerweise treibe ich mich auf Konferenzen rum, bei denen ich ein Großteil der Leute kenne und die, die da auf den Podien sitzen, sagen Dinge, bei denen ich entweder nicke, oder die Sachen sagen, die ich schon kenne und deswegen nach einer Zeit in eine Art konzentrierten Kurzschlaf verfalle. Oder esse.
Wenn man DMMK ausschreibt, dann steht da „Deutscher Multimedia Kongress“. Warum das „Deutscher“ heißt, ist auch so ein Rätsel. Immerhin findet der Kongress in Berlin statt und nicht in Kuala Lumpur oder Washington. Und was jetzt so deutsch an einem Kongress ist, bei dem die Keynote von Clay Shirky kommt, ist mir auch nicht so ganz klar. Aber der Rest war ja auf deutsch, wie man teilweise ordentlich um die Ohren gehauen bekam.
Ich will die Panels nicht madig machen. Ich war zwar ein wenig überrascht, dass das Wort „Multimedia“ immer noch mit „Internet“ in einen Zusammenhang gebracht, aber das ist vermutlich nur meine persönliche Wahrnehmung. Irgendwie klingt „Multimedia“ nach einem Wort, dass mal jemand von der Deutschen Post in der 80er Jahren erfunden hat, als er die Vorzüge des BTX-Systems anpreisen wollte. Oder nach diesen alten Folien-Head-Up Dingern aus der Schulen. Aber so schlimm war es dann nicht. Man unterhielt sich auf einem Panel sehr angestrengt über Conversion-Rates bei Videoportalen und stritt sich sehr lebhaft, über was, habe ich nicht so ganz verstanden, was aber daran liegt, dass ich halt nur Content mache und keine Werbung, aber der Streit war schon sehr ernsthaft und hat Spaß gemacht. Großen Anteil an der Diskussion hatte im übrigen Moderator Andreas Türck (ja, der), der sehr kompetent und bohrend die Teilnehmer des Panels unter Feuer nahm.
Das Panel „Internet – Das neue Leitmedium in der Markenkommunikation?“ war dann schon eher meine Baustelle. Obwohl mir der Titel schon hätte Warnung sein müssen. Wenn man 2009 ein Panel auf einem Multimedia Kongress mit „Internet- unddannirgendeinefrage“ betitelt, kann hat das was von 1999, als es auf Multimedia Kongressen Panel mit dem Titel „Internet – Nur ein Hype oder echte Chance?“ auffuhr. Und ungefähr in dem Zeitfenster bewegte sich für mich dann auch die Diskussion. Ich kann leider nur einen Teil des Panels beschreiben, weil ich nach einer gewissen Zeit in eine Art Notabschaltautomatik gefallen bin, weil die Herren da vorne ernsthaft StudiVZ und Sponline verglichen und andere schlimme Dinge.
Aber das klingt jetzt arrogant, denn der Kongress richtet sich auch nicht direkt an so irre early adopter mit 156 social media accounts, sondern an Agenturen, Mediaagenturen und die Vertreter aus der Industrie. Und dort, das habe ich vom DMMK mitgenommen, steht man den Veränderungen der Medienwelt immer noch recht hilflos gegenüber. Nicht im Sinne, dass man sie nicht sehen würde, aber in dem Sinne, dass man sie nur schwer bis gar nicht einordnen kann.
Und seien wir doch mal ehrlich: wer kann das schon? Ein Teil meines privaten Geschäftsmodelles ist, dass ich mir keine Gedanken darüber machen muss, wie ich eine neue Idee in ein Großunternehmen implementiere, sondern, dass ich die Dinge entdecke, ausprobiere, sie in mein Leben integriere um dann anderen, möglichst gegen Geld, zu erzählen, wie toll diese Dinge sind. Ich habe überhaupt kein Problem damit, weil ich mir um die Nachhaltigkeit der Dinge keine Gedanken machen muss. Ich nehme sie, probiere sie, schmeisse sie wieder weg, oder bleibe eben bei ihnen hängen. Unternehmen, deren Strategie sich deutlich unterscheidet, sind da naturgemäß langsamer.
Mark Pohlmann riss dieses Problem um drei Ecken in seinem Vortrag an, als er klarstellte, dass man nun auch nicht jedem Trend hinterher laufen müsse und Twitter in einem Jahr wieder von etwas komplett anderem abgelöst werden könne. Aber wie sollen sich Unternehmen denn dann auf die rasanten Änderungen einstellen? Und wenn selbst Werbeagenturen Probleme haben, wie sollen dann erst Verlage reagieren?
Eine Antwort: „Warum fragen die nicht jemanden, der sich damit auskennt?“. Von den 50+ Bloggern/Social Media Experten, die es in Deutschland gibt und die die Entwicklungen seit Jahren nicht nur beobachten, sondern auch mitmachen, sind vielleicht ein Dutzend ab und an als Berater in Projekte verwickelt, die sich mit dem Thema beschäftigen (Discloser: Ich auch, ab und an). Das Problem, wie es jemand auf dem DMMK in einem persönlichen Gespräch ausdrückte: „Die [Blogger] sind alle nicht Unternehmens-kompatibel“. In der Tat, und das wurde auf dem DMMK zumindest mir mal wieder deutlich: die Unterschiede zwischen den Kommunikatoren sind immens. Nicht so groß wie zur Politik, aber auch nicht weit davon entfernt. Es fehlt klar noch ein Bindeglied zwischen den verschiedenen Welten. Und das ist etwas, an dem beide Seiten arbeiten müssen. Die Internetaktivisten sollten das nicht unterschätzen, denn immer nur „Wandel“ zu rufen reicht nicht. Man muss den auch transportieren wollen, wenn man etwas von der gewünschten Veränderungen umsetzen will.
Aber in einem war man sich zumindest einig: das Essen war großartig. Immerhin.
2 Antworten zu „Vom Wandel“
“Die [Blogger] sind alle nicht Unternehmens-kompatibel”.
Ich verfolge die Social Media Experten, die sich Gedanken um die Pharmabranche machen. Mir scheint, dass dies gerade in den USA von den Beratern und Vordenkern zur Zeit als letzte noch Social-Media-freie Zone angesehen und dementsprechend bearbeitet wird – aber auch so Sachen wie re:health zielen auf diesen unerschlossenen Bereich. Bei Meetings mit Product Managern und Marketing Verantwortlichen wird mir immer wieder klar, dass das nichts werden kann. Da liegen Welten dazwischen.
Ich denke, wir sind an einem Punkt, wo keine Evangelisten mehr gefragt sind, sondern Experten, die Themen, Kultur und Ziele einer Branche kennen, mit Konzernhierachien umgehen können. Dazu noch Wissen um rechtliche Fallstricke, wie die Veröffentlichung und Mitteilung kursbeeinflussender Tatsachen, das Heilmittelwerbegesetz, usw. Das ist eine andere Expertise, wie die neuesten Facebook-Anwendungen zu kennen.
Ich fühle mich gar nicht so unternehmensinkompatibel ;-). Wenn man mal davon absieht, dass ich in keinem mehr fest angestellt sein möchte.