Als Daimler 2012 die neue A-Klasse auf den Markt brachte, war man allenthalben skeptisch. Nicht nur wegen der komplett neuen Form. Die alte A-Klasse, ein bei Senioren beliebtes Fahrzeug, hatte man renoviert und mit einer neuen Identität ausgestattet. Aus einem Einkaufskörbchen wurde ein keilförmiger Kompaktwagen mit sportlichen Ambitionen. Es war ein Experiment für Daimler und ein gefährliches dazu. Das Ziel war zum einen die Marke für neue, junge Kunden zu öffnen, zum anderen wollte man auch bei der Konkurrenz Kunden abwerben.
Das Experiment eine neue Kompakt-Klasse einzuführen, ist Daimler gelungen. Im letzten Jahr verkaufte man über 600.000 Autos allein mit den Kompakten (A-Klasse, GLA, CLA, B-Klasse), was immerhin 25% aller verkauften Fahrzeuge entspricht. Anders gesagt: die A-Klasse hat einen erheblichen Beitrag dazu geleistet, dass Daimler wieder die Nummer Eins der Premium-Hersteller ist. Das Daimler nun nach nur sechs Jahren Lebenszyklus eine komplett neue A-Klasse präsentiert zeigt, wie wichtig der Wagen in der Planung des Unternehmens ist.
Exterieur
Design ist immer ein wenig Geschmacksache, aber generell hat Daimler mit der neuen A-Klasse wohl den Zeitgeschmack getroffen. Chef-Designer Gordon Wagener ist aber einen anderen etwas anderen Weg gegangen. Wo sich bei vergleichbaren Kompakten Linien, Kanten und Wölbungen gegenseitig überbieten, hat Wagener bei der A-Klasse auf ein reduziertes Äußeres gesetzt. Das neue Gesicht von Daimler, mit dem CLS neulich erst eingeführt, wirkt durchaus aggressiv und gefällig. Dafür erstreckt sich hinter den Scheinwerfern eine sehr ruhige, linien- und kantenlose Motorhaube. Das ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig, könnte aber einen neuen Trend einläuten.
Seitlich passiert dann etwas mehr. Die Schulter wirkt höher, die Dachlinie flach. Die Keilform der A-Klasse ist aber geblieben und wirkt durch die abfallende Front noch etwas stärker. Auffallend ist, dass man die hinteren Fenster nun etwas größer gestaltet hat.
Das Heck – nun ja, da diskutierte man schon bei der Weltpremiere in Amsterdam. Die einen fanden es nicht so schön, andere waren begeistert (mich eingeschlossen). Es wirkt bullig, die geteilten Heckleuchten dominieren die Ansicht. Ein bisschen geschummelt hat Daimler beim Auspuff. Das sind reine Blenden, die nur dem Design dienen.
Interieur
Mit der A-Klasse von 2012 führte Daimler das freischwebende Display im Cockpit ein. Da war nicht jeder mit glücklich. Es wirkte ein wenig wie ein Fremdkörper und fügte sich überhaupt nicht in den Innenraum rein. In der neuen Version ist das Display raus geflogen. Stattdessen setzt Daimler auf ein komplett digitales Cockpit. Analoge Instrumente gibt es nicht mehr, auch nicht in der Basisversion. Die im Bild zu sehende breite Variante der beiden Displays kostet natürlich Aufpreis, in der kleinsten Version handelt es sich um zwei 7-Zöller.
Darunter findet man die im „Jet-Design“ gehaltenen Lüftungen und die Klimaanlage. Bedient wird das Display auf der rechten Seite per Touchscreen oder über die berühungsempfindlichen Felder am Lenkrad. Oder, wenn man die volle Ausstattung bucht, per Sprachbefehl.
MBUX
Das MBUX genannte neue Entertainmentsystem ist das Herzstück der neuen A-Klasse. Wie schon berichtet, ist dem Konzern damit ein echter Quantensprung gelungen. Kein anderes System ist derartig weiterentwickelt und hat eine so gut funktionierende Sprachsteuerung. Allein wegen dieses System dürften sich einige Käufer für die A-Klasse entscheiden.
Bei einem ersten Test in der Halle tat das System dann auch alles genau so, wie man es versprochen hatte. Ein intensiver Test folgt noch.
Sicherheit
Daimler hat sämtliche Sicherheitssysteme der im letzten Jahr renovierten S-Klasse in die A-Klasse gestopft. Das bedeutet: teilautonomes Fahren auf der Autobahn, sämtliche Notbrems- und Ausweichassistenten. Vollmundig wirbt man auch damit, einen „kleine S-Klasse“ in Sachen Sicherheit geschaffen zu haben. Die Systeme von Daimler sind tatsächlich „state of the art“ und liegen im internationalen Vergleich auf den vordersten Plätzen. Nur VW/Audi und Tesla sind da in Sachen teilautonomen Fahren auf Augenhöhe.
Fazit
Das Paket, dass Daimler da mit der neuen A-Klasse geschnürt hat, kann man als gelungen bezeichnen. Mehr noch – es ist eine Kampfansage an Audi, BMW und auch an VW. Die A-Klasse wird den Platzhirsch Golf nicht vom Thron stossen. Dafür dürfte der Grundpreis des Wagens (vermutlich um die 24.000 Euro) zu hoch sein. Aber: kein Auto verfügt in der Basisversion über ein rein digitales Cockpit, kein Kompakter hat einen derartig guten, voll vernetzten Sprachassistenten und kein Kompaktwagen hat (als Option) das teilautonome Fahren und die umfassenden Sicherheitsassistenten an Bord. Damit definiert Daimler die Golf-Klasse komplett neu. Die Konkurrenz wird sich was einfallen lassen müssen.
Bilder: Daimler