Eine fatale Fehlentscheidung – Die deutsche Autoindustrie in der Diesel-Falle

Der Traum vom sauberen Diesel ist ausgeträumt. Zwei Jahrzehnte hat die deutsche Autoindustrie am Diesel festgehalten. Sie haben ihn mit Macht in den Markt gedrückt, den Dieselmotor als einzige Alternative propagiert. Eine fatale Fehlentscheidung, jetzt steht man vor den Trümmern einer Geschäftspolitik.

Am Anfang der Fehlentscheidung steht die EU samt ihren Abgasnormen. Die gab es zwar schon in nationaler Form seit den 70er Jahren, aber erst die EU verschärfte die Normen dann zu Beginn der 90er Jahre. Betroffen waren davon zunächst fast ausschließlich Benzin-Motoren. Man achtete auf die CO2-Emissionen, die als Klimakiller ausgemacht waren. Für Stickoxide bei Dieselmotoren gab es bis zur EU-Norm 2, die Anfang 2000 eingeführt wurde, nicht mal einen Grenzwert. Als der mit der Euro 3 eingeführt wurde, lag er so hoch, dass man sich seitens der Hersteller keine Sorgen machte. Erst die Euro 4 und vor allem die Euro 5 Norm sorgten für Kopfzerbrechen. Vor allem mit der 2006 vorgestellten Euro 5, weil dort die NOx-Grenzwerte halbiert wurden. Und damit startete das Dilemma der Hersteller und der Skandal nahm seinen Anfang.

Die Entscheidung der deutschen Autoindustrie auf den Diesel zu setzen, fiel Ende der 90er Jahre. Bis dahin dümpelte der Dieselanteil bei Neuwagen so vor sich hin. Der Diesel galt als schwerfällig und langweilig. Ein Motor für Taxen, schwere Kombis und ähnliches. 1998 betrug der Diesel-Anteil bei Neuwagen rund 17%. Die erfolgreichsten Dieselhersteller waren Mercedes, die in den Baureihen der Mittelklasse traditionell Dieselmotoren verwendeten und VW, die seit den 80er Jahren den Diesel in den Baureihen Golf- und Passat erfolgreich etabliert hatten. BMW hatte zwar begonnen den Diesel verstärkt einzusetzen, war aber bis Mitte der 90er Jahre von der Technologie nicht sonderlich überzeugt.

Die kommenden EU-Normen änderten das Bild für die Hersteller allerdings schnell. Ende der 90er stellte sich die Frage, wie man einerseits die Emissionen senken, andererseits aber hohe Investitionen in neue Technologien vermeiden konnte.

Diesel vs. Hybrid

Zumindest in Deutschland. Bei Toyota sah man das anders. 1997 hatte man die erste Generation des Prius vorgestellt. Ein Fahrzeug, dass einen Hybridsystem an Bord hatte. Ein normaler Benzinmotor wurde mit zwei Elektromotoren gepaart. Der Benziner lädt einen Akku auf, der wiederum die Energie speichert und in bestimmten Fahrsituationen den Antrieb voll übernimmt. Dazu wird Energie Rekuperation, zum Beispiel beim Bremsen gewonnen. Eine damals komplexe Technologie, die aber auf Anhieb funktionierte. Und in den USA, vor allem in Kalifornien, wo es massive Steuererleichterungen für den Prius gab, verkaufte sich der Prius wie geschnitten Brot.

Das Problem der deutschen Hersteller: sie hatten diese Technologie nicht. Zwar wäre es kein Problem gewesen so etwas zu entwicklen, aber man scheute die Investitionskosten in eine Technologie, von der man nicht wusste, wie der Markt sie akzeptieren würde. Die Angst, viel Geld zu versenken, rührte auch daher, dass sich Ende der 90er Jahre der Absatz von PKW in Deutschland langsam verzögerte.

Zwischen 1990 und 1995 erhöhte sich der PKW-Bestand in Deutschland, auch dank der Deutschen Einheit, um rund 10 Millionen Neufahrzeuge. Von 1995 bis 2000 waren es nur 2 Millionen Fahrzeuge. Aber die Hersteller sahen durch die neuen EU-Normen und die vor der Einführung stehenden Umweltzonen nebst Plaketten eine Chance. Jeder, der seinen alten Benziner los werden wollte, konnte man zu einem Diesel überreden.

Damit hätte man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Zum einen konnte man die Absätze stabilisieren, zum anderen konnte man den Diesel im Massenmarkt, also in der Mittelklasse durchsetzen. Das war gut für den CO2 Flottenverbrauch der Hersteller, der unbedingt gesenkt werden musste, wollte man nicht Strafzahlungen der EU riskieren.

Statt Hybride oder andere Technologien weiter zu verfolgen, setzte man alle Jetons auf den Diesel. Es wurden Marketingkampagnen beschlossen, VW schickte die Tochter Audi mit einem Diesel zum 24h Rennen in Le Mans um zu beweisen, wie sportlich, wie gut der Diesel ist. Das Ergebnis ließ nicht auf sich warten.

Bis zu 85% Diesel-Anteil

Lag der Dieselanteil bei Neuwagen wie erwähnt Ende der 90 bei 17%, schnellte er bis 2004 auf 44%. Neue Technologien wie die Direkteinspritzung beim Diesel, ruhigere Motoren und vor allem der steuerliche Vorteil auch an der Zapfsäule machten den Diesel plötzlich hoffähig. Wie rasend investierten die Hersteller in den Diesel und neue Fabriken, in denen Dieselmotoren hergestellt wurden.

Ein gutes Beispiel für die schlagartige Abhängigkeit vom Diesel ist BMW. Lag der Dieselanteil in den 90ern bei Neuverkäufen in Deutschland bei nicht mal 30%, schnellte er bis 2015 auf sage und schreibe 70% hoch. Und das ausgerechnet bei einer Marke die wie kaum eine andere für den Benziner und seine sportlichen Eigenschaften gestanden hat. Aber BMW war da beileibe nicht alleine. Der Anteil der Dieselfahrzeuge bei Audi stieg laut eines Berichts des Focus in der Mittelklasse (A4, A5, Q5) auf 80% in der Oberklasse (A6, A7, A8, Q7) auf 85%. Bei VW in der oberen Mittelklasse liegt sie ebenfalls bei 80%. Nur bei Mercedes liegt sie, laut Schätzungen, in Deutschland bei rund 60%.

Ein weiteres Element führte zum Ausbau der quasi besinnungslosen Liebe der Hersteller zum Diesel: der Trend zum SUV. Die meist sehr schweren und in Sachen Luftwiderstand eher schwierigen Fahrzeuge, konnte man nicht allein mit Benzinmotoren bestücken. Das hätte den Flottenverbrauch hoch getrieben und den Hersteller damit das Problem beschwert, dass sie den von EU genehmigten Flottenverbrauch, vor allem bei den CO2-Werten nicht hätten einhalten können. Da die Industrie keine Hybride im Angebot hatte und die Elektro-Technologie bis vor kurzem als „nicht verkaufbar“ galt, erhöhte die Industrie in Europa weiter den Dieselanteil.

Betrug als Lösung

Dabei war auch klar, dass der Diesel die EU-Normen bald nicht mehr schaffen würde. Man musste zu extremen Mitteln greifen, damit die Abgasreinigung funktionierte. Das war und ist zum einen das jetzt diskutierte Verfahren bei dem Harnstoffe (AdBlue) dem Abgasstrom zugefügt werden. Man muss sich das mal vorstellen. Wie bei einem Zweitakt-Motor darf der Autofahrer ab und zu ein Additiv in sein Auto kippen, damit das überhaupt noch funktioniert. Und das zu einer Zeit, in der Hybrid-Antriebe auch nicht mehr kosten, als ein Diesel. Das mancher Hersteller so verzweifelt war, dass er sich nicht mehr anders zu helfen wusste, als mit einer Betrugssoftware die Abgaswerte auf dem Prüfstand zu simulieren, dies allein zeigt einerseits die Verzweiflung, andererseits die Borniertheit der deutschen Autoindustrie.

Jetzt steckt man endgültig in der Diesel-Falle. Selbst die neuen Motoren reissen im Real-Betrieb die Grenzwerte. Zur Zeit versuchen Daimler und Audi die Euro 5 und Euro 6 Fahrzeuge mit Software-Updates auf den neusten Stand zu bringen. Welche Konsequenzen das wieder für die Motoren hat (kürzere Laufleistungen, höherer Verbrauch) ist schwer abzuschätzen. Und es wird vermutlich nicht die letzte freiwillige Aktion der Hersteller sein. Gleichzeitig brechen am Gebrauchtwagenmarkt die Preise für die Diesel ein. Weil keiner weiß, wie lange man mit seinem EU4 Diesel noch in die Innenstadt darf.

Weil man fast zwei Jahrzehnte geglaubt hat, dass man mit dem Diesel über die Runden kommt, weil man keine zehn Jahre voraus gedacht hat oder denken wollte, weil die Quartalabschlüsse wichtiger waren, steht man mit dem Rücken an der Wand. Der Vertrauensverlust ist immens, denn er besteht aus zwei Dingen. Die Verbraucher werden sich fragen, in welchen Dingen die die Industrie noch gelogen hat. Schwerwiegender dürfte aber der Umstand sein, dass ausgerechnet die selbst ernannten „Premium Hersteller“ jahrzehntelang aus Kostengründen eine veraltete Technologie propagiert und in den Markt gedrückt haben. Auf Kosten der Käufer.

5 Antworten zu „Eine fatale Fehlentscheidung – Die deutsche Autoindustrie in der Diesel-Falle“

  1. Ciro

    Ein weiterer Baustein zum zweifelhaften Erfolg des Diesels ist sicherlich auch der, seit den 90ern, kontinuierlich gestiegene Anteil an geleasten Firmenwagen. Je nach Baureihe bis zu 80% und meist deutscher Provenienz. Bedingt durch teilweise lächerliche Leasing-Raten für Businesskunden, werden bereits mittlere Etagen mit Firmenwagen ausgestattet. Und noch immer gilt Firmenwagen = Dieselantrieb. Mit dieser Praxis wird vielen Autofahrern die Entscheidung UND Verantwortung über mögliche alternative Antriebskonzepte aus der Hand genommen, weil im Unternehmen eben schnell mal ein Golf TDI für 199,00 netto geleast wird. Da diese Firmenwagenfahrer in der Regel auch eine Tankkarte des Arbeitgebers im Handschuhfach liegen haben, ist es mit verantwortungsvoller und sparsamer Fahrweise meist leider nicht weit her.

  2. Simon

    Einen Prius mit einem Dieselpassat zu vergleichen hinkt natürlich ein wenig, aber ok. Die Firmen haben es über Marketing geschafft, den Diesel als Motor für jedermann salonfähig zu machen, obwohl es gerade im Betrieb mehr Probleme mit Dieseln als mit Benzinern gibt. Die ewige Mär von den Dieselmotoren die länger halten als Benzinern wird auch hochgehalten – die Injektoren sind nach 200tkm hinüber, der Turbo verschlissen, das AGR verstopft.
    Kleinwagen wie Polos, Ford a, Corsa oder Rentnerautos (Golf Plus – Entschuldigung – Golf Sports Van) überhaupt mit Dieselantrieb anzubieten ist schon hirnrissig genug. Aber es rechnet ja keiner mehr nach, ab wann sich ein Diesel wirklich lohnt. Und diejenigen, die wirklich Strecken fahren, kaufen o.g. Fahrzeuge schon wegen den kurzen Achsabständen und dem daraus resultierenden bescheidenem Langstreckenkomfort nicht.

    Man wollte den Diesel unbedingt in den Markt drücken und hat das auch sehr erfolgreich geschafft. Gerade bei BMW und deren Dieselanteil finde ich es lächerlich, wie man überhaupt man mit der „Sportlichkeit“ werben konnte – wäre der Dieselskandal nicht gewesen, vielleicht wäre der nächste M3 mit einem Turbodiesel an den Start gegangen.

    Wegen AdBlue:
    Das Verfahren funktioniert, das zeigen die NFZ. Grundsätzlich kein Problem. Das Problem besteht darin, dass man es den PKW Kunden nicht zugestehen wollte, so viel AdBlue nachzutanken (beim NFZ etwa 1L AdBlue auf 10-15L Diesel je nach Lastsituation). Dazu hirnrissige und kaum überhaupt noch mit den Regeln der Physik einhaltbare EU Verbräuche = klar wird dann beschissen.

    Alle wussten es, alle haben mitgemacht, jetzt bekommen sie die Quittung. Ich bleibe meinen Benzinern treu, die laufen mittlerweile auch 300tkm und sind weit unauffälliger und brauchen kein AbBlue.

  3. 80% Diesel ausgerechnet bei BMW? Nur noch absurd. Ich fand Diesel zum Fahren zwar immer angenehmer als Benziner, fahre aber gar nicht genug für einen Diesel und würde, wenn ich schon doch mehr zahlen will, als mir ein Auto nunmal wert ist, sofort ein Elektroauto nehmen.

  4. […] hat ja eine gute Tradition seit der Abfuckwrackprämie. Derzeit wird ja gerade mal wieder gegen den Diesel gestänkert, wohl um seine Besitzer schon mal mental weichzuklopfen für die nächste Runde Fahr- und/oder […]

  5. Lothar Ludwig

    Schauen wir einmal zu den Nutzfahrzeugen den großen Fernverkehr-LKWs.Hier wurde am Anfang auch versucht zu tricksen.Heute sind die mit Hubräumen jenseits der 12 Liter die Abgaseerte besser als bei einem 2 Liter PKW.Klar mit Harnstoff.Auf ca 2000 Liter Diesel bekommt der dann noch einmal 70 Liter AD Blue.Also ich sehe das entspannt.Ein Passart zB oder eine E Klasse käme mit einem 5-10 Liter Tank AD Blue aus.Jede zweite Tankfüllung einmal AD Blue tanken.Die AD Blue Preise in kleinen Mengen sind natürlich hier in Deutschland Mondpreise.LKW haben heute direkte Zapfsäulen wo der Literpris so um die 50 Cent liegt.Aber hier könnte die Bundesregierung auch einmal die Besteuerung einwenig senken zum Wohle der Umwelt.Dann ist der Diesel auch wieder fit für viele Jahre.Klar es wird halt einwenig teurer Diesel zu fahren.Es wird sich nicht mehr lohnen einen Diesel zu kaufen der weniger als 30000 km fährt.Aber für diese Strecken ist der Diesel eben wirtschaftlich noch der beste Antrieb.Auch Elekroautos brauchen Energie die erst einmal in Strom umgewandelt werden muss.Aber was für unsere Umwelt viel schlimmer ist sind die Ozeanriesen.Die fahren nämlich auswendig sie den Hafen verlassen haben auf Schwehröl ohne irgendwelche Filter ist doch egal. Ich glaube hier sollte man auch einmal etwas machen.Also PKWs mit AD Blue Technik umrüsten und fertig.