Apple muss sich zum Content Provider entwickeln

Apple hat ein Problem und das ist ausgerechnet die Hardware. Nicht dass diese schlecht wäre. Aber der Konzern macht knapp 80% seines Umsatzes damit. Das ist für die Zukunft schlecht wenn man nicht wieder zum Nischenhersteller werden wird.
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Ok, die neuen MacBooks sind jetzt nicht so der Bringer. Kleinerer Akku, keine Anschlüsse, kein MagSafe usw. Touchbar: Nice to have, aber wer nutzt die zu Hause, wenn der Rechner auf einem Laptopständer steht? Eben. Und weil Microsoft ein paar Stunden vor das, zugegeben sehr eindrucksvolle, Surface Studio vorgestellt hat, das halt ein besserer iMac ist, sagen jetzt viele, dass Microsoft Apple in Sachen Innovation überholt hat.
 
Ich kann den Reflex verstehen, er stimmt nur so nicht. Zum einen erwartet man von Apple halt immer die nächste Revolution und ist enttäuscht, wenn Apple nur einen winzigen, allerdings sehr revolutionären Touchscreen, entwickelt hat. Auf der anderen Seite: Bei Microsoft, von denen man einfach nichts revolutionäres erwartet ist man dann halt umso überraschter ist, wenn sie doch mal was haben. Auch wenn das 3.000 Euro kostet. Mindestens.
 
Apple ist deutlich besser aufgestellt, im gesamten Hardwarebereich. Allerdings gibt es die Gefahr, dass die fetten Jahre für Apple vorbei sind. Das letzte Quartal brachte zum ersten Mal seit 2001 (!) einen Rückgang bei den Einnahmen, die (immer noch unfassbar hohen) Gewinnen gingen etwas zurück. Die Stärke von Apple der letzten Jahre war die Hardware, das ist aber auch gleichzeitig die Achillesferse.
 
Der finanzielle Erfolg von Apple basiert auf dem iPhone (60% des Gesamtumsatz), dem iPad (11%) und dem MacBook (ca. 6 %). Der Rest kommt durch Zubehör, den iTunes Store, iCloud usw. Man ist also stark abhängig von der Hardware. Was passiert, wenn eine Sparte mal nicht mehr so gut läuft, kann man an den Tablets erkennen. Die machten 2012 noch 25% des Umsatzes aus. Man verlor also bis 2016 rund 14% des Umsatzes, was man vor allem mit höheren Preisen beim iPhone, der Apple Watch usw. kompensierte.
 
Was Apple aber, im Gegensatz zu Microsoft, fehlt, sind weitere Standbeine. Die X-Box sorgt bei MS für gute Gewinne und natürlich der Verkauf von Software. Nun braucht vermutlich niemand eine Apple-Spielkonsole, aber welchen Weg sollte Apple einschlagen, um die Abhängigkeit von der Hardware etwas zu dämpfen?
 
Werbung und Content wäre eine Möglichkeit. Im Moment gibt es auf dem US-Markt eine Konzentration im Mediensektor. Das AT&T Time Warner kauft hat vor allem was damit zu tun, dass sich AT&T fragt, wo eigentlich das eigene Geschäftsmodell der Zukunft liegt. Man hat Angst davor nur noch die billige „Röhre“ zu sein, durch die der Verkehr fliesst, während andere das Geld mit dem Inhalten verdienen, die AT&T und andere transportieren. Zudem weitet Google sein Geschäft mit Google Fiber aus, ist also plötzlich Netzwerk-Lieferant, Werbepartner und Contentprovider in einem.
 
Apple droht etwas ähnliches. Während es bei AT&T die Leitungen sind, durch die Werbe- und Contenteinnahmen rutschen, ist es bei Apple die Hardware. Man stellt die Hardware für alles her, verdient aber nur wenig daran, was auf der Hardware läuft. Doch was kann Apple dagegen tun?
 
Eigentlich hat man ja ein ganz gutes Asset im Haus: iTunes. Man müsste halt auf die „walled garden“ Philosophie verzichten, und iTunes, iCloud usw. für alle Systeme, vor allem für Android öffnen. (Ja, ich weiß, dass es einen Work-Around für die Synchronisation von iCloud auf Android gibt, aber das ist ein pain in the ass. Ich rede hier von einmal klicken, fertig). Gleichzeitig müsste man sich unabhängiger von den Content Provider machen.
 
Der Kauf von Netflix würde Sinn machen. Das Unternehmen ist im Moment rund 50 Milliarden Dollar wert, eine Übernahme würde Apple vermutlich +10% pro Aktie kosten, also rund 60 Milliarden. Das Geld hätte Apple und man wäre sofort in der Oberliga der Content Provider. Das Problem ist, dass Apple sich nicht als Content-Provider, sondern als Hardwarebude versteht. Sonst hätte man Mitte/Ende der 2000er die halbe Musikindustrie für wenig Geld kaufen können. Wollte man aber nicht, was ich bis heute nicht verstehe, wenn man sich die Gewinnanteile der Labels beim Streaming so anschaut.
 
Den gleichen Fehler macht man meiner Meinung nach auch jetzt wieder, weil man die Gewinnströme aus Content und Werbung ignoriert. Nebenbei bemerkt wäre Apple vermutlich auch gut beraten, dass gerade recht günstig zu bekommende Twitter zu kaufen. Zum einen hat den Social Media Trend verpennt, zum anderen ist es aber noch nicht zu spät, neue Revenue Streams aus dem Kombination Big Data, Werbung und Content zu ziehen. Twitter selber macht gerade positive Erfahrungen durch die Übertragung der Donnerstagsspiele der NFL auf Twitter.
 
Der Gedanke von AT&T, dass man Lieferant und Hersteller sein will, ist völlig richtig, Apple müsste in eine ähnliche Richtung denken. Sie werden nicht untergehen, wenn sie es nicht machen, aber auf lange Sicht müssen die Abhängigkeit von der Hardware etwas reduzieren. Denn zum einen schläft die Konkurrenz nicht (man kann nicht immer damit Glück haben, dass Samsung die Smartphones abfackeln) zum anderen sind chinesische Hersteller wie Xiaomi und Huawei nicht mehr weit Apple entfernt, nur dass sie halt deutlich günstiger sind.
 
Da Apple aber aus nachvollziehbaren Gründen nicht in den Preiskampf mit den Asiaten einsteigen will, wird man sich überlegen müssen, wo man sonst Geld verdienen kann. Und schon ist man wieder beim Content. Aber Apple dazu bereit ist, den Schritt vom Hardwarehersteller zum Content Provider zu machen ist dann wieder eine andere Frage.
Bild: Apple PR