Zeitzeichen in Paris

Automessen sind immer auch ein Gradmesser für die Stimmung in der Branche. Bei der ersten großen europäischen Messe seit dem Diesel-Skandal merkte man die Unsicherheit der Industrie.

Mercedes-Benz auf der „Mondial de l’Automobile 2016“ ; Mercedes-Benz at "Mondial de l'Automobile 2016";
Gleich um die Ecke vom Pariser Messegelände liegt das französische Verteidigungsministerium. Ein hermetisch abgeschottetes Gebäude vor dem schwer bewaffnete Soldaten patrouillieren und es wie eine Trutzburg abschirmen. Den Eindruck, dass auch Teile der Autoindustrie sich hermetisch abschirmen, konnte man auch auf dem Pariser Autosalon bekommen. Zukunftstechnologien fand man vor allem bei den deutschen Herstellern, der Rest zog sich hinter SUVs und große Limousinen zurück.

Die technologischen Highlights setzen dann auch zwei deutsche Hersteller. VW stellte eine seriennahe Studie namens I.D. vor. Ein großes Bild auf dem Stand von VW zeigte den Hoffnungsträger aus Wolfsburg dann auch gleich neben dem Käfer und dem VW Golf. Zumindest hätte es das Management gerne, dass sich der I.D. genau da irgendwann mal einfinden wird. Das Bild zeigte aber auch, dass man bei VW einen Schnitt gemacht hat. Neue Technologien, autonomes Fahren und vor allem der Elektromotor sollen den Konzern in die Zukunft führen. Die neue Modellreihe soll parallel mit dem Golf laufen, so Markenchef Dies.
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Das ist ganz schön viel verlangt für ein Auto, dass erst 2020 auf den Markt kommen soll. Kritiker bemängelten gleich den späten Starttermin. Bis das Auto endlich erscheint, haben Opel, Toyota, Tesla und Mercedes schon längst Elektroautos auf der Strasse. Die 600 Kilometer Reichweite seien zwar schön, aber 2020 sollte das Standard sein.

Tatsächlich wirkt der I.D. wie ein Schnellschuss aus Wolfsburg, den man im Zuge der Problematik um den Diesel aus der Taufe gehoben hat. Vor allem, wenn man es mit dem zweiten großen Elektro-Konzept aus Deutschland vergleicht.

Mercedes hat ebenfalls eine reine Elektro-Modellreihe ins Leben gerufen. EQ heißt die und als erstes wird man einen SUV mit 500 Kilometer Reichweite auf den Markt bringen. Vermutlich sogar schon Ende 2018, heißt es bei Daimler, festlegen will man sich da aber lieber nicht. Das Konzept der EQ-Reihe wirkt etwas durchdachter. Mercedes hat um das Elektrofahrzeug gleich eine ganze Industrie aufgebaut.

Die Akkus baut man selber, ebenso die Ladestation, die man sich zu Hause in der Garage aufhängen kann. Die verbrauchten Akkus werden von Mercedes in einer eigenen Fabrik zu Hausspeichern umgebaut. Mit denen kann man Strom speichern, den man entweder wieder an Autos abgibt oder für etwas anderes verwendet.

Eine Gesamtlösung, die dann auch gleich die Neuausrichtung des Konzerns einleiten soll. Bei der IAA 2015 sprach Daimler CEO Zetsche davon, dass sein Unternehmen ein digitaler Mobilitätsdienstleister werden solle. In Paris sagte er, dass er den Konzern komplett umbauen werde. Die Segmente Vernetzung (Connected), autonomes Fahren (Autonomous), flexible Nutzung (Shared) und elektrische Antriebe (Electric) werden Daimler in Zukunft formen. Wörtlich: „Um die konsequente Verbindung aller vier Zukunftsthemen zu gewährleisten, fassen wir die jeweiligen Aktivitäten zu einer neuen, rechtlich eigenständigen Einheit zusammen“

Der Vorstoss von Daimler macht die Unterschiede in der Branche klar. Während die Konkurrenz mehr oder weniger zähneknirschend Elektro-Fahrzeuge ins Portfolio zwängt um EU-Normen einhalten zu können, macht Daimler gleich eine komplett neue Strategie draus. Ob die dann aufgeht, ist dann wieder eine andere Frage.

Die französischen Hersteller sehen die Entwicklung gelassen. Bei Renault-Nissan sowieso. Immerhin hat der Konzern seit 2010 rund 350.000 Elektrofahrzeuge weltweit verkauft. Das ist dann immerhin die Hälfte aller verkauften E-Autos insgesamt. Das die E-Mobilität die Zukunft sei, würde ja niemand bestreiten, so ein Produktmanager in einem Hintergrundgespräch. Aber man sei man sich sehr sicher, dass das Tempo der Deutschen zu hoch sei. Viele Technologien seien nicht ausgereift und auch in fünf bis sieben Jahren noch zu teuer. Dazu fehlten rechtliche Rahmenbedingungen für das autonome Fahren und bei den Subventionen für die Elektromobilität. Wer denn nun die in Europa ganzen Ladestationen bauen soll, sei völlig ungeklärt.

Welche Strategie sich am Ende durchsetzen wird, kann niemand sagen. Vielleicht ist der deutsche Weg, die Entwicklung voranzutreiben richtig, vielleicht verdient man am Ende aber mehr Geld mit dem Weg des sanften Wandels. Spürbar war in Paris aber vor allem die Unsicherheit in dieser Frage.