Vom Fliegen

Ich fliege relativ viel durch die Weltgeschichte. Meistens mit Lufthansa, auf den Deutschland und Europastrecken zwangsweise oft mit Germanwings, ab und zu mit Air Berlin. Vor 20 Jahren hatte ich mal eine Phase, in der ich fürchterliche Flugangst hatte. Die legte sich, je öfter ich flog. Denn entgegen meiner irrationalen Ängste passierte ja nichts. Ein paar Turbulenzen, ein paar ruppige Landungen, ein paar Verspätungen wegen technischer Probleme. Und eine etwas unschöne Sache. Mittlerweile liebe ich das Fliegen. Auch wenn es Alltag geworden ist, fasziniert mich das Fliegen wie kaum etwas anderes. Die technische Leistung, eine 100 Tonnen schwere Alu-Röhre mit zwei Triebwerken in die Luft zu bringen, erstaunt mich jedes Mal. Und egal, wie oft ich im Leben schon geflogen bin, wenn ich einen Platz am Fenster habe, schaue ich die ersten und letzten Minuten eines Fluges aus jenem Fenster. Wenn sich die Erde entfernt, man abhebt, die Dinge da unten kleiner werden, wenn die Welt zur Miniatur wird und schließlich ganz verschwindet, wird man selber ein Stück leichter. Ich kann gut schlafen in Flugzeugen, selbst auf Kurzstrecken. Die Landung bringt einen wieder zurück, die Dinge werden wieder größer, der Alltag holt einen zurück.

6tag_300114-121544

Ich mag Flughäfen. Nicht wegen ihrer Architektur oder der mittlerweile weit verbreiteten Unsitte, die Passagiere nach der Sicherheitsschleuse erst einmal durch einen Supermarkt zu jagen. Ich mag die Stimmung an Flughäfen. Die Menschen, die dort sind, haben meist einen Grund zur Freunde. Weil sie sich auf ihre Reise freuen, weil sie sich einen guten Geschäftsabschluss erhoffen. Oder weil sich freuen jemanden zu begrüßen. Ich fühle mich wohl unter den Reisenden, weil ich selber einer bin.

An Bord fühle ich in 99% aller Fälle wohl. Ich habe Respekt vor der Arbeit der Crew, egal ob Pilot oder Flugbegleiter/innen, egal ob Bodenmitarbeiter oder Wartungspersonal. Ich habe genug Fantasie zu wissen, dass ein kleiner Fehler bei nur einem Menschen in der langen Kette von Mitarbeitern zu fatalen Folgen führen kann. Als jemand, dessen Aufmerksamkeitsspanne eher nur so mittellang ist, erst recht. Ich bedanke mich, wenn ich von Bord gehe, weil ich weiß, dass mein Leben in der Hand dieser Menschen ist. Und weil ich weiß, dass die Flugbegleiter/innen einen harten und mittlerweile nicht mehr gut bezahlten Job ausüben.

6tag_200215-065256

Ich weiß, dass das Fliegen nicht ohne Risiko ist. Und je häufiger man fliegt, desto größer sind die Chancen für… nun ja… einen Unfall. Einmal hatte ich so einen Moment, als eine Maschine beim Anflug nach Heathrow knapp 800 Meter über Grund die Nase so scharf nach unten senkte, dass in der ganzen Maschine Krempel durch die Gegend flog. Ein Scherwind, meinte der Pilot. Ich dachte „Oh“ und trank einen Gin im Flughafen. Aber ich habe mehr Ängste neben unsicheren Autofahrern ausgestanden, als im Flugzeug.

Wenn Flugzeuge abstürzten, dann passierte das woanders. In Afrika, Südamerika oder Asien. Nicht hier. Nicht in Europa. Und schon gar nicht bei einer der großen Airlines. Der Gedanke ist natürlich Quatsch. Egal ob Billigflieger oder Premium-Airline – die EU-Wartungsvorschriften gelten für alle. Und es sind meist die menschlichen Fehler, die für Probleme sorgen.

WP_20150310_18_14_39_Pro

Natürlich ist da auch etwas Verdrängung dabei. So sehr ich die technische Leistung eines Flugzeugs bewundere, ich weiß auch, dass es ein ganz kleines bisschen unnatürlich ist in einer unter Druck gesetzten Kabine in 12.000 Meter Höhe mit 850 km/h durch die Luft zu fliegen. Aber die Freude an diesem Kunststück der Ingenieure überwiegt die schlechten Gedanken.

Morgen steige ich wieder ein Flugzeug. Es geht, ausgerechnet, nach Nizza, danach, mit dem Auto, in die Richtung der Absturzstelle der Germanwings Maschine. Ich werde mit Lufthansa fliegen und wie so oft, werde ich beim Start aus dem Fenster schauen und mich sehr leicht und wohl fühlen. Aber meine Gedanken werden bei den Familien und Angehörigen sein, die jemanden beim Absturz des Fluges #4U9525 verloren haben.

8 Antworten zu „Vom Fliegen“

  1. Wirklich selten sind Abstürze in Europa nicht – siehe Concorde-Flug 4590 in Paris, Lockerbie, MH17 (auch die Ukraine gehört zu Europa) oder diese Statistik.

    Ändert aber nichts daran, dass Fliegen erheblich sicherer ist als eine Mitfahrt in meinem Auto (oder gar auf dem Motorrad) – und der Anflug auf Nizza ist ohnehin was Besonderes. Da siehst Du bis kurz vor der Landung nur das Mittelmeer und denkst: „Hä? Wo ist denn da der Flughafen? Landen wir jetzt im Wasser?“

  2. „So sehr ich die technische Leistung eines Flugzeugs bewundere, ich weiß auch, dass es ein ganz kleines bisschen unnatürlich ist in einer unter Druck gesetzten Kabine in 12.000 Meter Höhe mit 850 km/h durch die Luft zu fliegen. Aber die Freude an diesem Kunststück der Ingenieure überwiegt die schlechten Gedanken. “

    Es sind nicht GEDANKEN, sondern Gefühle. Evolutionshistorisch sind wir grade von den Bäumen gestiegen, haben den aufrechten Gang gelernt, das Wandern…

    Die Seele reist nicht mit im Flugzeug. In Tegel einsteigen, in Malaga nach gut zwei Stunden aussteigen – fast wie Beamen!

    Maischberger sprach davon, dass „Flugangst heute sagbar“ sei, wogegen Tunnelangst und andere „klaustrophobische Ängste“ unsagbar seien. Ich weiß, was sie meint: als ich mal in einem ICE mitten im längsten Tunnel Deutschlands einen 15-minütigen Stopp ohne jede Erklärung erlebte, an deren Ende sich auch noch der Geruch verbrannten Gummis verbreitete….

    Wir sind nicht dafür „gebaut“, uns weit von der Erde zu entfernen, bzw. vom Default = Wandern.
    Klar haben wir Angst. Mich wundert eher, dass man trotzdem alle Tage fliegt.

  3. Tom

    59 seit 1945 findest du nicht selten??? Soviel Unfälle finden täglich im Straßenverkehr in jeder mittleren Großstadt statt … Überleg mal wieviele Flüge täglich in Europa stattfinden und dann sprechen wir über 70 Jahre … also ich kann mir absolut nichts sicheres mehr vorstellen — statistisch gesehen muss man 14000 Jahre leben und jeden Tag 1 Stunde fliegen um mal abzustürzen … also das beruhigt mich doch sehr.

  4. @Tom: Wieso 59? Es ging in Dons Text um Abstürze in Europa – und da zählen außer Deutschland doch noch ein paar mehr Länder dazu. Allein in der verlinkten Statistik komme ich auf ca. 400 und da fehlen noch die kleineren Staaten wie Benelux, wo’s auch noch Unglücke gab.

  5. Der Übergang in den schnellen Sinkflug über den Alpen ohne erkennbare Gegenmaßnahmen der Piloten könnte durch einen plötzlichen Druckverlust mit Sauerstoffmangel und Bewußtlosigkeit des Flugpersonals als Maßnahme des Autopiloten ausgelöst worden sein. Deshalb erfolgte während dieser Phase auch keine Antwort auf die Anfrage der Flugsicherung. Bei niedriger Flughöhe um 3000 m kehrt das Bewußtsein wieder zurück, der Pilot kann die Steuerung übernehmen und eine Notlandung veranlassen. Diese Möglichkeit wurde durch die Alpen verhindert.
    Ein ähnlicher Unfall ist vor ca. 10 – 15 Jahren in Griechenland geschehen, Piloten und Passagiere eines Fluges der Olympic Airways (?) waren bei einer Flughöhe über 4000 m bewußtlos, was aus begleitenden Jagdfliegern beobachtet werden konnte. Das Flugzeug flog mit dem Autopilot weiter und stürzte nach Verbrauch des Treibstoffs ab, oder wurde über einer unbewohnten Gebirgsregion abgeschossen.
    Dr. Manfred Zimmermann
    manzimm@aol.com

  6. Schöner Beitrag, danke! Ich wollte erst kommentieren, dass es mir ganz ähnlich geht, aber dann ist ein eigener Blogbeitrag daraus geworden: https://buggisch.wordpress.com/2015/03/27/fliegen/

  7. Bevor ich das erste Mal geflogen bin war das Fliegen für mich etwas unglaublich Faszinierendes, Unglaubliches. Der erste Flug war dann enttäuschend unspektakulär und heute finde ich die Vorstellung vom Fliegen viel spannender als das Fliegen selbst.
    Ein paar meiner Gedanken übers Fliegen habe ich in diesem Beitrag festgehalten: http://vomfliegenlernen.blogspot.de/2015/02/uber-die-diskrepanz-zwischen-vogeln-und.html

    „[…] Flugzeuge sind tonnenschwere Kolosse, die sich durch die Lüfte schieben und einem nicht das Gefühl von Freiheit vermittel, sondern das Gefühl von Kraft. Die Kraft Naturgesetze zu überwinden, die Macht alles zu können ohne es zu begreifen. […]“