10 Fragen

Oh, ein Blogstöckchen. Das hatte ich lange nicht mehr. Nico Lumma hat mich damit beworfen, da muss es wohl aufheben. Also…

1. Dein erstes Mal im Internet sah wie aus?
Im Zimmer meines damals besten Freundes, so ca. 1988. Oder 1987? Jedenfalls hatte C. einen Akkustikkoppler, auf den man dann den Telefonhörer legte. Darob wählte er eine Nummer in den USA an und nach wenigen Sekunden baute sich in grüner Schrift auf schwarzen Grund ein Text auf, der uns auf dem Server begrüßte. Der Gedanke, dass wir beide gerade jetzt auf einem Rechner in den fernen USA sind und dort eine Nachricht hinterlassen konnten, sorgte für einen mittelmäßigen emotionalen Ausnahmezustand gepaart mit sehr viel Ehrfurcht. Den mittelmäßigen Ausnahmezustand gab es dann wohl ein paar Wochen später, als der Vater von C. die Telefonrechnung bekam.

In diesem http-Internet war ich glaube ich das erste Mal 1994. Damals™ ging das mit dem Internet so: Man kaufte sich einen BTX-Anschluss von T-Online und ein Modem (14.400er). Dann installierte man sehr viele Sachen und am Ende hatte man bei Windows 3.1 ein kleines rotes „T“ als Icon. Klickte man mutig auf das Icon öffnete sich schwerfällig ein Portal, das sich mit dem BTX-Netzwerk verband. Dort konnte man dann BTX-Seiten aufrufen, die teilweise umsonst waren, teilweise aber auch Geld kosteten (10 Pfennig meist, es gab auch Damen, die für Unterhaltungen bis 2 Mark pro Seiten nahmen). Das war aber nicht das Internet. Das erreicht man, in dem man im Portal auf eine kleine Weltkugel klickte, worauf sich ein Browser öffnete. Das war glaube ich eine Eigenkonstruktion der Telekom. Der ganze Verbindungsaufbau dauerte ein paar Minuten und war teurer. Man bezahlte für die Einwahl ins BTX-Netz und für die Einwahl ins Internet. 700 Mark war glaube ich die höchste Rechnung, die ich jemals bezahlen musste.

2. Was war Dein Aha-Moment im Internet?
Bis heute ist es die Informationsverbreitung. Das war 1988 schon so, als man auf irgendwelchen BBS oder im Use- bzw. Fidonet zu obskuren Themen Fragen hinterlassen konnte, die kaum zwei Wochen später schon beantwortet waren. Das war Mitte der 90er so, als die ersten Frühformen von Blogs kamen und mit den Blogs explodierte das dann bekanntermaßen. Informationsverbreitung war schon immer ein wichtiges Instrument der Freiheit und der Bildung, die wiederum Freiheit schafft. Und bis heute gibt es fast jeden Tag eine neue Form, wie Bildung und Information weitervermittelt werden kann. Das bedeutet auch, dass ich weiterhin sehr oft „Aha-Momente“ im Netz habe.

3. Von welchem Gesetzesverstoß im Internet konntest Du am längsten nicht lassen?
Höchstwahrscheinlich Kopien. Damals™ war das ja mit der Musik so: Man hörte einen Radiosender und drückte auf Aufnahme. Was man sich kaufte, waren Maxi-Singles oder Alben. Es war völlig normal, dass ein neues Album einem Freund aufnahm und weitergab. War ja auch damals schon durch die Kopierschutzabgabe auf Tapes abgedeckt. Tapedecks mit zwei Laufwerken gab es ja auch und niemand hat sich aufgeregt. Analog zu dieser Handhabung machten wir das auch mit Programmen. Die Frage „Kannst du mir das neue Bauhaus Album geben“ unterschied sich in keinster Weise von der Frage „Kannst Du mir die neue DOS-Version geben“. Das zog sich dann lange durch mein digitales Leben. Und im Grunde sind zum Beispiel TV-Streams im Netz heute nichts anderes.

4. Was ist der Vorteil von Politikern, die Social Media nutzen?
Wenn sie es selber nutzen, lernen sie was. Siehe Peter Altmeier. Siehe sogar Doro Bär. Sie lernen, dass das Netz und seine Freiheiten fragiler sind, als man denkt. Sie lernen, dass eine direkte Kommunikation mit Wählern zu anderen Erkenntnissen führt, als wenn man eine Agentur dazwischen schaltet. Sie lernen, dass das Netz die Menschen und ihr Leben tiefer verändert, als man das als Außenstehender vielleicht wahrnehmen kann.

5. Gehst Du lieber zu Barcamps oder zu exklusiven Veranstaltungen mit Profis?
Barcamps, da ist die Stimmung meist etwas entspannter. Profi-Veranstaltungen können je nach Referenten gut sein, aber viel lernt man meist nicht, weil die „Profis“ Dinger wieder darauf ausgerichtet sind, Amateuren zu erklären, was der Profi macht. Quasi die Art, wie Precht Philosophie erklärt, in dem er sie nicht erklärt. Oder so.

6. Welche Person sollte dringend mit dem Bloggen anfangen und warum?
Sascha Lobo. Ne, ernsthaft. Die Generation ab 60 aufwärts sollte dringend damit anfangen. Und gerne darüber reden, wie es früher war. Was sie gemacht haben, möglichst mit vielen Fotos. Wir erleiden gerade einen Geschichtsverlust, vor allem im Privaten. Und damit auch einen Wissens- und Erfahrungsverlust. Weil wir uns nur noch auf das „Jetzt“ und „Morgen“ und „Besser“ konzentrieren, steigt die Gefahr, dass wir das „Gestern“ vergessen. Die Leute waren in ihrer Zeit auch nicht blöd, sie haben Dinge erlebt, die erzählenswert sind. Zu viel Wissen unserer Eltern und Großeltern geht verloren, zu viele Geschichten verschwinden mit ihrem Ableben für immer. Deswegen: Geht zu euren Eltern, richtet ihnen einen Tumblr oder WordPress-Blog ein und motiviert sie zu schreiben.

7. Was sind für Dich die Grenzen der Transparenz?
Ich habe über die Jahre gewisse Grenzen gelernt, die ich einhalte. Ich schreibe nicht über mein soziales Umfeld (Ausnahme, ich bin auf Twitterpartys und alle sind betrunken). Ich stelle keine Fotos von Menschen ins Netz, deren Zusage ich nicht ausdrücklich habe. Ich schreibe keine wirklichen Details über meine Familie oder Freunde. Ich halte zwei Grenzen ein, die ich innerhalb einer anderen Gesellschaft vielleicht transparenter halten würde: Finanzen und Liebesleben. Beides ist jetzt allerdings auch nichts, was andere nicht auch kennen würden.

8. Liest Du berufliche Emails im Urlaub?
Klar. Aber ich nehme mir bewusste Pausen von ein paar Tagen. Mehr als eine Woche ist allerdings immer schwierig, vor allem als Freiberufler. Auf der anderen Seite habe ich Grand Master der Prokrastination gelernt, dass man Mails auch einfach ignorieren, dann erledigen sich viele Dinge wie von Zauberhand. Aber nicht nach machen, liebe Kinder, das will gelernt sein.

9. Hast Du schon einmal Tweets vorgeschrieben?
Die besten Tweets fallen einem im Flugzeug ein. Auf einem Langstreckenflug. Und man fliegt in ein Land, in das Roaming sehr teuer ist, weil jedes Byte mit einer Goldschleife versehen wird (Schweiz, Kanada). Diese Tweets landen dann in einer Liste bei Evernote, die ich, sobald ich Evernote zu mache, sofort wieder vergessen. Irgendwann fliege ich wieder, dann mache ich Evernote auf und finde die lustigsten Tweets der Welt, die allerdings ein zeitliches Mindesthaltbarkeitsdatum hatten und nun nicht mehr retten sind. Was übrig bleibt, twittere ich dann nachts, wenn es keiner sieht.

10. Welches ist Dein absolutes Megasuperlieblingsblog außer lumma.de?
Ich hatte nie ein Lieblingsblog, dafür lese ich zu viele. Ich bin Feedly sehr dankbar, dass sie den Google Reader ersetzt haben.

So, das hat Spaß gemacht. Wenn ich das Stöckchen richtig verstanden habe, müsste ich jetzt 10 Fragen formulieren und an 10 Blogger senden. Dazu habe ich aber keine Lust. Ich will dieses Stöckchen behalten, es ist meins, mein, meins. Und ich bin zu faul.