Nach der Wahl ist vor der Wahl

Zwei Dinge haben mich gestern wirklich überrascht:

+ 8 % für die CDU
Keine FDP mehr

Nach ein wenig Nachdenken erscheint mir die Überraschung aber nicht mehr so groß. Die CDU hat einen perfekten Wahlkampf betrieben. Alle schwierigen Themen (Euro, Schulden in Deutschland, Mindestlohn, Syrien) hat man elegant beiseite geschoben, stattdessen hat man seit Juni der Bevölkerung ein „Weiter so!“ eingehämmert. Und warum auch nicht, denn kann man Merkel wirklich den Vorwurf machen, dass sie schlechte Politik betreibt? Ich mag mit der Politik der CDU nicht übereinstimmen, ich finde sogar viele Dinge, die in den letzten Jahren entschieden wurden, entweder grundsätzlich falsch (Betreuungsgeld, Netzpolitik, Bürgerrechte) oder zumindest bedenklich, aber selbst dann kann ich Merkel nicht den Vorwurf machen, dass sie eine gefährliche oder schlechte Politik betrieben würde.

Man darf auch nicht vergessen, dass es für die Bundesrepublik völlig normal ist, dass die CDU über 40 % liegt. Ich hatte gestern scherzhaft Folgendes getwittert:

Zwischenablage01

Was auch bedeutet: Bei 11 von 18 Wahlen erreichte die CDU mehr als 42 % der Wählerstimmen. Deutschland ist ein grundsätzlich konservatives Land und wären Koalitionen verboten, würde die CDU bei fast jeder Wahl als der Gewinner da stehen. Also darf man sich über die knapp 42 % der CDU von gestern auch nicht wundern, sie sind eine gewachsene Realität.

Eine ebensolche Realität war es, dass die FDP den Sprung in den Bundestag irgendwie schaffen würde. Seit gestern dann halt nicht mehr. Ich komme aus einem bürgerlichen Haus, die FDP wurde vor allem deswegen gewählt, damit SPD oder CDU nicht alleine regieren können. Die Einstellung meiner Eltern basierte zu 50 % auf dieser Überlegung, die anderen 50 % kamen aus der Überzeugung, dass der bürgerliche Liberalismus ein Schutzwall der Demokratie ist, weil er mögliche rechte wie linke Bestrebungen ausbremst. Weil Leute wie Ollenhauer, Scheel, Genscher, Baum und selbst Lambsdorff ihre liberalen Überzeugungen Ende dann doch vor Partikularinteressen stellen konnten. Nicht immer, aber oft genug, damit meine Eltern und viele andere mit einem genervten Augenrollen bei der Wahl dann doch das Kreuz bei der Zweitstimme für die FDP platzierten.

Dummerweise hat sich die FDP seit 15 Jahren komplett des postdemokratischen Kapitalismus verschrieben und außer „Schnarri“ schien es niemanden zu geben, der noch ansatzweise liberale Politik betreiben wollte. Im Gegenteil, man war ja in den letzten Jahren teilweise froh, dass die CDU die Ideen von Rösler & Co ausgebremst haben. Nicht CDU zog marodierend durch die Sozialgesetze und musste gestoppt werden, die FDP versteigerte sich in absurde Forderungen und vom Liberalismus blieb nichts mehr übrig. Kein Wunder, dass die Wähler dann lieber gleich die CDU gewählt haben.

Die FDP in ihrer jetzigen Verfassung braucht kein Mensch. Und ob Lindner und Kubiki jetzt gerade die Personen sind, die dem Liberalismus wieder neues Leben einhauchen können, sehe ich eher kritisch. Der ganze Laden müsste sich neu erfinden, Programme aus den 70ern ausgraben und mit neuen Ideen versehen.

Eine andere Sache, die gestern schon auffiel, sind die 15 % der Wähler, die zwar abgestimmt haben, aber deren Stimmen nach der Wahl nicht mehr zählen, weil ihre Stimme bei einer Partei gelandet ist, die die 5%-Hürde nicht geschafft hat. Allein FDP und AfD machen schon knapp 10 % dieser Stimmen aus. Stefan Niggemeier schreibt, dass es vielleicht mal an der Zeit wäre, die 5% Hürde zu überdenken.

Die Idee der 5 % stammt aus der Weimarer Republik, als viele kleine Parteien eine Regierungsbildung unmöglich gemacht haben. Die Situation Weimars ist aber nicht mehr mit der heutigen zu vergleichen. Weder leidet das Land (im Moment) unter einer Wirtschaftskrise noch unter einem verlorenen Krieg und dem Drangsal eines Versailler Vertrages. Dazu kommt, dass das Land weitaus weniger in Landesgruppen zersplittert ist, als es in den 20er Jahren der Fall war. Die Demokratie ist gefestigt, warum also nicht kleineren Parteien und deren Wählern das Parlament öffnen?

Das Problem ist nur, dass eine Absenkung der Hürde auf 4 % oder 3 % die Koalitionsverhandlungen noch komplizierter macht. Geht eine Wahl wie diese aus, ist die Sache einfach. Die CDU schnappt sich die FDP und man macht einfach weiter. Wenn die Stimmen zwischen den großen Volksparteien aber gesplittet sind und man ein Wahlergebnis hat, bei dem die CDU 35 % und die SPD 32 % hat, sieht die Sache dann schon wieder anders aus. Beide Volksparteien wären gezwungen, entweder miteinander zu arbeiten, oder sich zwei bis drei kleinere Parteien zu suchen, die wiederum eigene Interessen und Wahlversprechen in eine Koalition mitbringen. Das riecht schon nach Chaos und vor allem vielen Neuwahlen, wenn dann mal eine Mini-Partei nicht mehr kann oder will. Große Koalitionen haben auch oft zur Folge, dass die Wähler bei einer neuen Wahl dann zu den kleinen Parteien wandern, siehe 2008. Koalitionen mit drei Parteien mögen auf Kreistagsebene funktionieren, auf Landes- oder Bundesebene sicher nicht. Die Idee, dass sich im Falle einer Eurokrise gleich drei oder vier Parteien auf einen gemeinsamen Kurs einigen müssen, macht mir dann eher Sorgen. Und so sehr, dass ich der Meinung bin, dass die „verlorenen“ 15 % Wählerwillen, wenn sie den demokratischen Prozess vereinfachen, das Opfer wert sind.

Und dann waren da ja noch die Piraten, die vor lauter „My little Pony“ Folgen auf You Tube und Selbstdemontage aus Neid vergessen hatten, dass es noch so was wie eine Wahl gibt. Es fehlten nicht mal die Ideen, aber die Personen, die sie nach außen hin so vertreten konnten, dass man sie auch wahrgenommen hätte. Die Piraten müssen aber auch nicht in den Bundestag, es reicht auch völlig aus, wenn sie bei den nächsten Wahlen in die Landesparlamente kommen. Christoph Lauer hat dazu auch ein paar kluge Sachen geschrieben. Marina Weisband und er scheinen sowieso die Einzigen zu sein, die verstanden haben, wie Wahlen funktionieren. Die Frage, wie viel Stimmen die Piraten bekommen hätten, wenn man diese beiden Personen als Spitzenkandidaten aufgestellt und durch den Medienzirkus getrieben hätte, sei zumindest mal hypothetisch erlaubt.

Nun also vier Jahre Merkel/CDU. Vier Jahre vor allem für die kleineren Parteien, ihr eigenes Profil zu schärfen, damit manche 2017 vielleicht nicht mehr ihr Kreuz dort machen, wo es am einfachsten erscheint. Sondern dort, wo es sinnvolle Alternativen gibt.

Eine Antwort zu „Nach der Wahl ist vor der Wahl“

  1. Di

    Auf den . gebracht!