Die Zeitung ist nicht tot

Es wird ja gerade wieder viel über die Zukunft der Zeitung gesprochen, vor allem angestoßen durch die Artikelserie bei Spiegel Online. Da wird einiges Richtiges geschrieben, zum Beispiel, dass die Verlage zu langsam auf den digitalen Wandel reagiert haben, dass zu wenig für an eigenen Konzepten gearbeitet wurde, und das vor allem regionale Tageszeitungen sich mit ihren Portalen oft einen Bärendienst erweisen, weil sie mehr dpa als eigene Meldungen produzieren, die dann zudem auch noch mit hässlicher Werbung vollplakatiert werden. Oft hat man den Eindruck, die Geschäftsführer wollen die Portale möglichst schlimm gestalten, damit die Besucher dann doch lieber die Printausgabe kaufen.

Ich denke, dass man bei der ganzen Diskussion überhaupt einen Unterschied zwischen denn überregionalen Tageszeitungen, regionalen Tageszeitungen und Magazinen machen sollte. Es ist ja nicht so, dass die gesamte Printbranche vom Aussterben bedroht ist. Allerdings merkt man auch in Nischen wie der IT/PC Berichterstattung oder den Automobilmagazinen der Druck aus dem Netz so groß geworden ist, dass es die ersten Opfer gibt.

Aber zurück zu den Tageszeitungen. Der Verkauf etlicher Zeitungen des Springer Konzerns an die Funke-Gruppe ist schon ein wenig überraschend. Vor allem, weil es vermeintliche „Cash-Cows“ wie die „Hörzu“ oder das „Hamburger Abendblatt“ betraf. Dass TV-Magazine in ihrer bisherigen Form eine aussterbende Gattung sind, ist keine Überraschung. Immer mehr Menschen stellen sich ihr Fernsehprogramm selber übers Netz selber zusammen, dabei spielt es keine Rolle, ob das auf legalen oder illegalen Weg geschieht. Am Ende bleibt, dass keiner mehr ein gedrucktes und meist wegen der vielen Sender extrem unübersichtliches TV-Programm braucht. Der Titel „Hörzu“ sagt ja schon einiges über den Medienwandel aus.

Was den Verkauf des „Hamburger Abendblatt“ und der „Berliner Morgenpost“ angeht, so wird der meist als ein Abgesang auf die regionalen Tageszeitungen gesehen. Wenn selbst der reiche Springer-Konzern seine Traditionsblätter abstößt, wer sonst kann sich regionale Berichterstattung auf Dauer noch leisten? Die Funke-Gruppe wird (vermutlich) mit beiden Zeitungen das machen, was man mit allen anderen Zeitungen in NRW gemacht hat: Mantel zentral produzieren, regional nur das wichtigste von kleinen Redaktionen vor Ort erstellen lassen.

Und genau das scheint mir der falsche Weg zu sein. Ich hatte Anfang des Jahres für den „Journalist“ schon mal eine kleine Einschätzung geschrieben, wo ich die Zukunft der regionalen Tageszeitungen sehe. Hier der Text dazu, an dem ich nichts geändert habe:

—schnipp—

Wäre ich Verleger einer lokalen Tageszeitung, würde ich die lokale Berichterstattung wieder in den Vordergrund stellen. Ein Großteil der Leser braucht die tagesaktuelle Berichterstattung in Form von dpa-Meldungen nicht, da sie diese eh schon zuvor im Netz oder im Fernsehen konsumiert haben. Wenn man über nationale oder internationale Dinge berichtet, sollte man diese mehr unter Blickwinkel der Einordnung betrachten. Den Leser also Hintergründe und Meinungen liefern, nicht nur die reine Information, mit dem der Leser alleine stehen bleibt.

So bleibt mehr Platz für die regionale und lokale Berichterstattung. Komplett lokale Portale zeigen sich im Netz immer erfolgreicher, selbst in Großstädten. Das deutet daraufhin, dass ein großes Interesse an dieser Form des Journalismus gibt, der durch die Verlage häufig nicht mehr abgedeckt wird. Auch das Interesse an Lokalpolitik ist groß, betrifft es doch den eigenen, engeren Lebensraum.

Lokaljournalismus muss wieder seine Wurzeln finden, nicht nur der Bericht, sondern die Hintergründe müssen klar gemacht werden. Eine Berichterstattung über die lokale Politik sollte nicht nur aus dem Abdruck der Gemeindebeschlüsse bestehen, sondern die Beschlüsse und Hintergründe kritisch begleiten.
In der Ausbildung muss klar gemacht werden, dass guter Lokaljournalismus genauso rechercheintensiv ist, wie jede andere Form des Journalismus auch. Es geht nicht nur um Vereinsfeste, sondern um das soziale wie politische Zusammenleben der Menschen in einer Region. Volontäre müssen angeregt werden, selber aktiv zu werden, eigene Geschichten zu entdecken und das es wichtig ist, sich ein eigenes Netzwerk aus Kontakten aufzubauen.

Die Redaktionen müssen stärker die Leser einbinden. Das kann über eigene Communitys geschehen, oder über eine Facebook-Seite, auf der man die Stimmen der Bevölkerung sammeln kann. Online-Communities können auch eine sinnvolle Ergänzung für die Berichterstattung darstellen. Fotowettbewerbe und das Sammeln historische Fotografien der Leser bringen nicht nur eine stärkere Bindung zum Leser, sondern schaffen auch einen Mehrwert, der die Zeitung stärker im Bewusstsein der Region verankert.

—schnipp—

Ich sehe eine große Chance für regionale Tageszeitungen, wenn sie einen solchen Weg einschlagen, gerade in Großstädten. Denn „Kiezberichterstattung“ ist wichtig. In Berlin macht das keine der ansässigen Zeitungen mehr. Hier geht es nicht um lokale Projekte, Bauvorhaben, Skandale oder auch mal positive Entwicklungen, sondern nur noch um das, was in Berlin Mitte passiert, bzw. um Themen, die aus dem Senat der Stadt kommen. Die kleinen Geschichten werden oft liegen gelassen. In Hamburg bietet das „Abendblatt“ ein ähnliches trauriges Bild.

Aber warum sollte ich eine Tageszeitung lesen, die a) aus Meldungen besteht, die ich am Vortag schon dreimal im Netz gelesen habe und die b) ansonsten keinen lokalen Mehrwert bietet? Da muss man sich über den Auflagenschwund nicht wundern. Tageszeitungen sollten das Rückgrat der journalistischen Berichterstattung einer Stadt sein. Sie sollten kritisch sein, sie sollten genug Redakteure haben, die Lust an und auf lokale Berichterstattung haben. Sie sollten zu den Menschen gehen, nicht zur Politik in den Senat.

Der Trend, dass sich in Großstädten eine neue, Kiez-orientierte Berichterstattung durchsetzt, ist ja schon da, auch wenn es außerhalb der „Prenzlauer Berg Nachrichten“ bisher kaum weitere Beispiele gibt. Die Leser haben nicht die Lust an lokaler Berichterstattung verloren, sie haben nur die Lust auf eine Tageszeitung verloren, die den Bezug zum Lokalen verloren hat. Von daher ist der Weg der Funke-Gruppe, Lokalredaktionen zu schließen, genau der Falsche.

Ich bin davon überzeugt, dass eine gutgemachte Tageszeitung mit einem breiten Lokalteil keine Angst vor der Zukunft haben muss.