Netzneutralitäten

Die Telekom hat also den ersten Schritt gewagt und klemmt bei Neuverträgen und ab 2016 (wenn es nötig sein sollte) andere Anbieter von ihrem Netz ab. 75 oder auch 100 GB sind in einem Monat schnell verbraucht, vor allem wenn man an Angeboten der diversen Mediatheken folgt. Ein wenig Fernsehen, ein wenig Musikstreaming, und schon steht man da, mit seinen 0,3 Mbit/s für den Rest des Monats. Das trifft im übrigen vor allem auch Freiberufler, wie Fotografen, Grafiker usw. die komplett andere Datenmengen zu verschicken und empfangen haben. Netterweise rechnet die Telekom ja auch Up- und Download zusammen, sonst würde es ihnen vermutlich keinen Spaß machen.

Nun kann die Telekom ja mit ihren Preisen machen, was sie will. Sie sagen, dass nur ein Bruchteil der User überhaupt mehr als 30 GB im Monat verblasen. Was sie nicht sagen ist, wie alt diese Zahlen sind und wie sich der Verbrauch in den nächsten drei Jahren weiterentwicklen wird, wenn noch mehr Streamingangebote (Netflix usw.) und Cloud Dienste den Weg in die Netze gefunden haben. Vermutlich dürfte selbst jemand, der seinen Rechner wenig nutzt, in der Zwischenzeit seinen Datendurchsatz verdoppelt haben. Unverständlich ist auch, warum die Telekom keine gestaffelten Preise anbietet, (zum Beispiel: 75 GB für 20 Euro, 150 GB für 35 usw.) statt direkt mit der Drosselung um die Ecke zu kommen.

Die große Frage ist ja, wie die anderen ISPs reagieren werden. Noch behaupten alle, dass man keine Drosslungen vornehmen werde. Mag sein, dass man dies zunächst nicht plant, man wird aber drüber nachdenken, denn der Schritt der Telekom kommt ja nicht unangekündigt, sondern hatte sich in den letzten zwei Jahren schon angedeutet. Natürlich ist es im Moment ein Vorteil für Neukundenverträge keine Beschneidung der Bandbreite im Programm zu haben. Aber selbst wenn ISPs wie „1und1“ keine Drosslung anbieten wollen, ist die Frage, wann sie es vor allem bei VDSL-Angeboten müssen. Die Telekom hat hier nämlich den Finger drauf und darf Konkurrenzanbieter schlichtweg aussperren. (Die Konkurrenz darf das auch, wenn ihnen die letzte Meile gehört).

Im Grunde bedeutet das, dass die Telekom nicht mehr die letzte Meile vermietet, sondern Pakete anbieten kann, die eben zum Beispiel auch nach Datendurchsatz gestaffelt sind. So kann die Telekom (theoretisch) die Konkurrenz zur Drosslung zwingen, da die Kosten für einen Fremdanbieter sonst entgleisen könnten. Eine Alternative bieten nur jene ISPs, die mittlerweile die letzte Meile mit eigenen Kabeln überbrückt haben oder die auf eine andere Technologie setzen (Kabelnetz).

Interessant dürfte die Frage sein, wie die Netzdienste reagieren werden, hier vor allem Google, Amazon und Apple, deren Angebote alle komplett von einem offenen Netz abhängig sind. Eine logische Schlussfolgerung wäre, dass zum Beispiel Amazon damit beginnt, sich Bandbreite bei der Telekom zu kaufen, um diese an ihre Kunden weiterzugeben. Entweder über das Angebot des „Managed Service“ (Dämliche Wortidee der Telekom) oder in dem sie eventuell selber als ISP auftreten, in dem sie Services von „1und1“ oder „O2“ aufkaufen. Quasi also als Reseller unter eigenen Namen agieren. Man hat also ein „Telekom Netz“ ohne Amazon (Lovefilm, AWS usw.) und ein „Amazon Netz“ ohne Telekom, Mediatheken, Google oder sonstigen Inhalten. Darunter leiden werden Dienste wie „Soundcloud“ usw. deren finanzielle Decke kaum ausreichen wird, um sich den Service von allen ISPs zu leisten. Wie zersplittert die Medienlandschaft aussehen kann, sieht man im TV-Bereich in den USA. Verschiedene Kabel- und Satellitenanbieter bieten unterschiedliche Programme an, nicht alle Zuschauer können alle Programme sehen. Scheinbar möchte die Telekom einen ähnlichen Weg einschlagen. Die Hoffnung, dass zum Beispiel Google mit einem eigenen Glasfasernetz in Deutschland aufschlägt, kann man wohl direkt vergessen, da die Kosten dafür viel zu hoch sind.

Was mich allerdings bei der Sache noch interessiert, ist die rechtliche Frage, also, ob die Telekom eine Bandbreitenbeschränkung überhaupt durchsetzen kann. Es geht hier immerhin auch um die freie Verbreitung von Informationen. Wie werde zum Beispiel die umfangreichen Medienangebote der Ministerien und Ämter behandelt? Bisher sind diese ja nicht im Transfervolumen der Telekom mit einbezogen. Steht man nach drei Tagen „BundestagsTV“ also dann schon ohne Netz da? Eine andere Frage ist auch, wie sehr die neuen Verträge der wirtschaftlichen Entwicklung im Bereich Start-ups entgegen stehen. Dienste wie Soundcloud oder TapeTV wären nie in der Lage, sich innerhalb von Deutschland zu etablieren. Statt die Gründung also in Deutschland vorzunehmen, wäre man gezwungen ins Ausland abzuwandern. Dem Staat entgehen so Steuereinnahmen und er schafft ein investitionsfeindliches Klima. Deutschland hat in den letzten Jahren, dank schlechter Verfügbarkeit von Breitbanddiensten, international hier sowieso an Boden verloren. (http://cloudscorecard.bsa.org/2013/)

Der Schritt der Telekom ist also nicht nur eine Ohrfeige für die Netzneutralität, sondern gefährdet auch den Internetstandort in Deutschland.

3 Antworten zu „Netzneutralitäten“

  1. Torsten

    1und1 drosselt schon lange im Tarif DSL Surf&Phone Flat Special ab 100GB Übertragungsvolumen auf 1000 kBit/sec. Das erwähnt niemand ….

  2. Das ist eines der Angebote, die sie haben. 1und1 hat aber weiterhin auch offene DSL-Leitungen im Angebot.

  3. Es ist zudem auch eine kartellrechtliche Frage. Wenn Entertain von der Drosselung ausgenommen wird, Maxdome und Co. aber nicht, dann ist das doch wohl Wettbewerbsverzerrung. Zumindest will das die Prüfministerin Aigner mal untersuchen (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/flatrate-plaene-der-telekom-bundesregierung-kritisiert-internet-bremse-a-896215.html).