Shitstörmchen

Der rasant wachsende Schnappschnussdienst Instagram, der seit dem Frühjahr Facebook gehört, hat seine AGB geändert. Die User regen sich dabei über diese Passage auf:

„Some or all of the Service may be supported by advertising revenue. To help us deliver interesting paid or sponsored content or promotions, you agree that a business or other entity may pay us to display your username, likeness, photos (along with any associated metadata), and/or actions you take, in connection with paid or sponsored content or promotions, without any compensation to you.“

Jürgen Kuri, stellvertretender Chefredakteur der c’t meint auf Google+, dass das alles halb so schlimm sei:

„Da geht es, wenn ich das richtig verstehe, doch lediglich darum, dass Instagram personalisierte Werbung verkaufen will, bei der Anzeigenschalter auf Instagram oder anderen Facebook-Firmen die Daten der Instagram-User benutzen.“

Aber die Diskussion um die in englischer Juristensprache verfassten AGBs wird damit nicht beendet, zu mal der Satz einiges an Interpretationsmöglichkeiten lässt, was die Nutzung der Bilder zu Werbezwecke angeht. Ob Instagram die Bilder im Sinne einer Fotoagentur verkaufen kann und möchte, ist dann wieder eine andere Frage. Die Instagram allerdings auch nicht klar beantwortet.

(Update 18.12.2012, 23:47h: Mittlerweile hat Instagram auf die Kritik reagiert und verspricht „nicht böse zu sein“, sondern nur ein Unternehmen, dass „innovative Werbeformen“ ausprobieren möchte. Die Fotos der User sollen nicht für Werbezwecke verwendet werden.)

Die Diskussion um veränderte AGB bei Umsonst-Diensten ist nicht neu. Facebook und Google haben da schon einiges einstecken müssen, teils zu Recht. Geändert hat sich deswegen aber nichts. Und interessieren tut es am Ende offenbar dann auch niemanden mehr. Teils aus reiner Ignoranz, teils, weil sich rausstellt, dass die Dienste dann soooo böse am Ende dann doch nicht sind. Man wird wohl kaum massenweise Bilderlizenzen verkaufen, ohne die User in irgendeiner Form daran zu beteiligen.

Das Problem mit Shitstorms dieser Art ist, dass sie keine sind. Ein Shitstorm führt meist zu einem Ergebnis. Die angegriffene Firma entschuldigt sich oder ändert etwas, die User lehnen sich zufrieden mit einem „dem hamwas aber gezeigt“ Blick zurück. Nur bei Facebook und Co passiert nichts.

Das hat meist zwei Gründe:

1. Der Dienst ist umsonst, wenn ich mich morgen verabschiede, passiert der Firma erst mal gar nichts.
2. Nur ein Bruchteil der User interessiert das alles überhaupt.

Wenn ein Unternehmen innerhalb der kritischen Wachstumsphase plötzlich böse werden kann das unschön enden. Denn vor allem Early Adopter nutzen den Dienst früh, und sind wiederum äußerst aufmerksam, was Änderungen der AGB angeht. Meist stürzen sich Blogs auf das Thema, wenn einflussreiche Seiten wie Techcrunch den Daumen senken, war es das meist. Posterous war so ein Fall.
Hat ein Dienst die aber kritische Masse an Usern erreicht und weit überschritten, passiert gar nichts. Ich schätze mal, dass 98 % der angemeldeten Instagram-User die AGB weder lesen, noch sie verstehen wollen. Von den anderen 2 % werden mehr als 80 % laut schreien, am Ende aber bleibt man, weil ja alle da sind und man sich sowieso daran gewöhnt hat. Der Rest geht, ein Teil kommt dann vielleicht später wieder zurück.

Verpuffte Shitstorms sind auch nichts Neues. 2007 hatte Flickr in Deutschland ein kleines Problem, weil sie ihre Jugendschutzeinstellungen für den deutschen Markt generell auf „darfst du nicht“ gestellt haben. Wollte man nackte Haut sehen, musste man sich einen US-Account besorgen. Der Aufschrei war groß, einigen gingen (ich auch). Kathrin Passig hat das elegant bei Facebook zusammengefasst:

„Naja, ich habe Flickr ca. 2007 türenschlagend verlassen wegen irgendwelcher neuer Nacktheitsverbote, es aber seitdem hin und wieder bereut, denn anderswo war es auch nicht so toll. Türenschlagendes Verlassen, hat es je was gebracht?“

Nichts. Und Flickr hat sich auch nicht geändert. Als ich in diesem Jahr meinen Flickr-Account auftauen wollte, stellte ich fest, dass ich meine Bilder nicht per WordPress usw. teilen kann. Mein Account war, trotz Bezahlung, für solche Sachen gesperrt. Grund: Ein Bild, auf dem eine entblößte Brust zu sehen war. Mehr nicht. Das reichte den gestrengen Flickr-Moderatoren aber schon aus. Erst als ich das Bild aus der öffentlichen Ansicht nahm, wurde die Funktion freigegeben.

Shiststorms gegen Dienste, die einen Monopol darstellen, bringen nichts, weil die User meist nicht den Kontakt zu ihren Freunden abbrechen wollen. Die soziale Verbindung ist deutlich wichtiger als die Frage, ob Instagram oder Facebook vielleicht mal ein lustiges Katzenbild aus der persönlichen Timeline verkauft. Und selbst wenn es Konkurrenz gibt, ändert das wenig. Während der kleinen Flickr-Revolte verzeichneten Angebote wie „Ipernity“ einen deutlichen Zuwachs, eine neue Community bildete sich aber nicht, weil die Reichweite fehlte. Mittlerweile sind die meisten zu Flickr zurückgekehrt.

Und was hat sich Facebook nicht schon alles geleistet? Da wurden Accounts von politischen Aktivisten gelöscht, AGB so verändert, dass die Firma mit den Daten machen kann, was sie will und seit Neustem sieht man nicht mal mehr alle Postings seiner Freunde, weil Facebook zu wissen meint, was wir gerne lesen wollen. Sind die Menschen deswegen scharenweise weggelaufen? Nein, die meisten interessiert es gerade so lange, bis ein jemand „Oh, ein neues Katzenvideo“ ruft.

Angebote wie Facebook, Google, Twitter oder Instagram haben sich zu unverzichtbaren Diensten im Netz gemausert. Man kann nicht mehr ohne sie, selbst wenn man will. Entweder brauche ich diese Sachen beruflich, oder der soziale Druck im Umfeld ist so hoch, dass man nicht verzichten will. Natürlich kann man sich von einem Dienst zurückziehen, aber von allen? Und genau dies ist der Grund, warum diese Dienste so schnell keinen Massenexodus erleben werden, seien die AGB noch so hanebüchen.

Verlieren können diese Dienste vermutlich nur, wenn sie die User anfangen zu langweilen. Dann verliert man die Reichweite vermutlich schneller, als bei jeder noch so schlimmen Änderung der AGBs.

3 Antworten zu „Shitstörmchen“

  1. Und genau aus solchen Gründen bin ich nie in solche sozialen Netzwerke eingestiegen, die Unberechenbarkeit mit der in Laufe der Zeit dann AGB geändert werden, ohne die Möglichkeit eines wirklichen Widerspruchs

  2. Und es gibt ja so viele Plattformen wo man sich eintragen könnte, da dann alle AGB im Auge zu halten :(

  3. GH

    Mal schauen, ob Dein Beitrag – dem ich inhaltlich gar nicht widersprechen möchte – (leider) auch für Unternehmen wie ama*** gilt: http://www.boersenblatt.net/594936/