Niedergang? Verpennt!

tl;dr
Lokale Zeitungen sterben, weil sie nicht mehr lokal genug sind. Überregionale sind unter Druck, weil die Verleger/Manager unfähig sind, die Realitäten der Netzes zu akzeptieren.

Ich weiß nicht, ob die Einstellung der FR den Niedergang der deutschen Tageszeitungslandschaft einläutet. Die FR war in den letzten Jahren, wie Michael Spreng es treffend zusammenfasst, schon halb tot.

Die Zeitung wurde so lange zurechtkonfektioniert, bis sie sich selbst überflüssig machte. Die vielen Geschaftsführer- und Chefredakteurswechsel, die teure und sinnlose Umstellung auf das unattraktive kleinere Format, die personelle Auszehrung, der Verlust an namhaften, analyse- und meinungsstarken Journalisten – all das konnte nur zum Niedergang führen.



Die FR ist nicht insolvent, weil das böse Netz den „Qualitätsjournalismus“ angreift, sondern weil man seit einem Jahrzehnt an den in Inhalten der FR rumdoktort. Die FR war eigentlich in Sachen Netz gut eingestellt. Als ich zusammen mit Lorenz Lorenz Mayer, Lutz Kinkel und Michael Prang Anfang 2000 an einem Newsletter-Projekt für die Zeit-Online gearbeitet habe, in dem es um die Zusammenfassung der Kommentare der deutschen Zeitungen ging, war die FR eine der wenigen Zeitungen, die die Kommentare überhaupt vor der Printausgabe online stellten. Und überhaupt hatte man Kommentare, die man lesen konnte, aber das ist was anderes.

Die FR ist pleite, weil das Management so lange rum optimiert hat, bis die Zeitung derartig stromlinienförmig und langweilig war, dass sich die Leser und Anzeigenkunden gefragt haben, warum sie sich das noch antun. Und das hat alles nichts mit der Zeitungskrise in Deutschland zu tun.

Im Grunde gibt es zwei Zeitungskrisen in Deutschland.

1. Die Lokal-Zeitungen

Die existiert, weil die Blätter in einer Zwickmühle stecken. Denn zum einen haben sie einen Stamm von Abonnenten, die meist etwas älter sind und sich freuen, wenn sie im Lokalteil Sätze lesen wie diese: „Am Wochenende kann man im Vereinsheim Hinterpfaffinghausen eine kesse Sohle aufs Parkett legen. Die Tanzkapelle der Freiwilligen Feuerwehr wird heiße Rhythmen auftragen, für das leibliche Wohl ist gesorgt.“ Auf der anderen Seite gibt es da durchaus die 20 bis 50 Jährigen, die ihre Nachrichten mehrheitlich im Netz konsumieren und für die vor allem eins wichtig ist: Geschwindigkeit. Die wollen in ihrer Lokalzeitung nicht am Donnerstag lesen, dass Barack Obama die Wahl gewonnen hat, weil sie das schon spätestens am Vortag erfahren haben.

Als „Lösung“ bieten einige Lokalzeitungen „E-Paper“ an, diese Zwitter-Ausgeburt der Hölle. Im Grunde die Printausgabe der Zeitung, nur schlechter zu lesen. Warum sollte man sich so was antun? Und selbst wenn – viele Lokalzeitungen bieten eine E-Paper-Ausgabe nur gebündelt mit einem Printabo an. Das ist derartig dumm gedacht, dass man mit dem Kopf auf den Tisch schlagen gar nicht mehr hinterher kommt.

Viele Lokal-Zeitungen werden sterben, weil sie die lokale Berichterstattung vernachlässigen und das Blatt aus Kostengründen nur noch mit dpa-Meldungen vollstopfen. Jene Meldungen, die die Leser entweder tags zuvor im Netz gelesen oder im Radio vorgelesen bekommen haben. Zeitungen wie die „Rhein-Zeitung“ werden überleben, weil sie genau das Gegenteil machen. Investigativer Lokaljournalismus. Die „Rhein-Zeitung“ hat, nach dem sie mal aufgewacht war, den Skandal um den Nürburgring angeschoben. Der Bonner „General-Anzeiger“ hat den „Wächter-Preis“ bekommen, weil sie Korruption und Missmanagement rund um den Bau einer neuen Kongresshalle entlarvten. Es geht also. (Auch wenn der „General-Anzeiger“ jetzt sein Berliner Büro zu macht).

Wenn lokale Zeitungen das machen, was sie können, nämlich lokal berichten, statt die ganze Welt per dpa abzubilden, dann werden sie auch überleben. Ich prognostiziere mal, dass es Blätter wie die WAZ schwer werden haben, weil sie keine lokale Verankerung haben und die letzten Anker in die Region in den letzten Jahren auch noch mit der Schließung vieler regionaler Büros raus gerissen haben.

2. Überregionale Zeitungen

Welt, FAZ, SZ & Co haben sich zumindest politisch positioniert, man steckt die Claims der Leserschaft ab. Der „Newsroom“ hat fast überall Einzug gehalten, „Print first“ bröckelt selbst bei FAZ und SZ. Was den Blättern fehlt, ist weiterhin eine digitale Strategie und vor allem die Einbindung von Social Media (Twitter). Was man mit Twitter anstellen kann, blitzt immer mal wieder auf (ZDF Reporter), die meisten Zeitungen finden aber, dass ein Newsticker ausreicht.

Überregionale Tageszeitungen müssen lernen, dass sie keine Tageszeitungen mehr sind, sondern Newsaggreatoren, die minutengenau arbeiten. Journalismus besteht zu einem großen Teil nicht mehr aus dem Schreiben großer Geschichten, sondern aus dem hektischen Newsalltag, in dem Fakten schnell recherchiert und verifiziert werden müssen. Journalismus verzahnt sich eng mit Social Media, ob es Twitter, Facebook oder Instagram ist. Der moderne Journalismus lebt von Push-Notifications und einer Aufmerksamkeitshysterie. „Spiegel Online“ macht es vor. Das mag unschön und unbequem sein, lässt sich aber leider nicht ändern. Auch nicht mit einem Leistungsschutzrecht, das die längst überfälligen strukturellen Änderungen des überregionalen Verlagsjournalismus nur weiter rauszögert.

Schneller und schnell erklärender Newsjournalismus ist die eine Seite, die andere die politische Ausrichtung. Schon jetzt ist zu sehen, dass die „Welt“ weiter nach rechts rutscht, die „SZ“ die liberal-konservativen einsammelt, die „FAZ“ im gleichen Becken schwimmt und die „taz“ ihr Linksspektrum nicht aus den Augen verliert. Analog zu den Entwicklungen der News-Sender in den USA, prognostiziere ich, dass wir eine ähnliche Situation auf dem deutschen Printmarkt haben werden.

Die „Zeit“ wird hoffentlich das weitermachen, was sie bisher machen: Sich aus dem hektischen Quatsch raushalten und tolle brummelige Tageskommentare schreiben.

Bleibt die Frage nach dem Geschäftsmodell. Springer packt die „Welt“ teilweise hinter eine Bezahlschranke. Kann gut gehen, ich bin da gar nicht mal so skeptisch. Es gibt in England mittlerweile so eine Art „Freemium“ Modell. 50 Artikel im Monat kann lesen, danach muss man bezahlen. Auf der anderen Seite: Spiegel Online lebt ohne solche Modelle auch ganz gut.

P. S.: Ach ja, und die FTD geht ein, weil der Wirtschaftsjournalismus augenscheinlich seit Jahren komplett versagt und sich dem Neokapitalismus verschrieben hat. Kein Mitleid.

3 Antworten zu „Niedergang? Verpennt!“

  1. Ja. Im Großen und Ganzen.

    Bei den überregionalen Zeitungen allerdings halte ich es auch für denkbar, dass sie gerade dann überleben, wenn sie sich nicht als hektische Newsaggregatoren positionieren. Zumindest im Print-Bereich. „Die Zeit“ macht es ja vor.

    Und als Leser brauche ich am Morgen nicht die aktuellen Nachrichten vom Abend. Was ich dann haben will, ist Hintergrund, Analyse, Einordnung, ggf. auch Richtigstellung (über eigene Recherche – wie viele Falschmeldungen werden heute ohne Prüfung im Netzt und später im Print herumgereicht!?). Also genau das, was im hektischen News-Geschäft der Online-Medien gerne zu kurz kommt.

    Aber vielleicht ist das auch mein ganz persönliches Wunschdenken.

  2. Was ist „Neokapitalismus“? Meinst Du „Neoliberalismus“? Damit könnte ich was anfangen.

    Ansonsten weiß ich nicht, ob ich mich freuen soll, dass die Tageszeitungen sich künftig am Modell von „Spiegel Online“ zu orientieren haben. Ich glaube nicht.

    Stimme Stefan auch zum Teil zu – eine Tageszeitung (gedruckt) wird für mich dann interessant, wenn ich Hintergründe lesen will. Oder Lokales. Den ganzen dpa-Quatsch brauche ich nicht, das kriege ich in der Tat im Netz für lau.

  3. baranek

    Ja, sehe das alles absolut genauso. Finde allerdings, dass die Lokalzeitungen neben lokaler Berichterstattung außerdem die Chance haben, sie als DIE lokale Öffentlichkeit im Web zu positionieren. Wo konstituiert sich denn sowas ansonsten, wenn nicht bei denen? Von daher sehe ich auch durchaus Chancen, hier Premium-Community-Angebote, vorsichtig eingeführt und hochwertig gemacht, meinetwegen auch für Abonnenten zugänglich, eine Bezahl-Leistung etablieren.