Tag Eins der re:publica, die ich mehr oder weniger draußen in der Sonne verbracht habe. Dabei war das Programm nicht schlecht, aber wie es eben meist auf diesen Konferenzen so ist – man steht in den Gängen oder eben draußen und trifft mal wieder die Menschen, die man sonst nur online sieht. Was eine nette Sache ist, aber auch etwas von einem Klassentreffen hat.
Zwei Panels habe ich erlebt, in beiden drehte es sich darum, was denn nun mit den Medien usw. los ist. Eine Antwort gab es nicht, was mich nicht überrascht hat. Was aber durchschimmerte, sowohl in den Panels, als auch in den persönlichen Gesprächen, war eine gewisse Ratlosigkeit, in welche Richtung sich denn nun alles bewegt. Medienwandel – klar. Online – auf jeden Fall. Aber niemand hat einen Plan oder eine Vorstellung davon, wie und ob Online in all seinen Facetten die Leitmedien ablösen kann. Und ob das überhaupt möglich ist.
Den mehr oder weniger schlecht gelaunten Eintrag bei Girlism kann ich schon nachvollziehen, auch den Rant, dass da ja nur „alte“ Leitfiguren rumhängen, die ihre Ratlosigkeit ans Publikum weiterreichen. Das sich Strukturen gebildet haben, die leichte Anzeichen der Verkrustung zeigen, was man auch hübsch darin erkennen kann, auf wen die vor Ort auftauchenden Sender und Radiosstationen zulaufen. (Und ich nehme mich da nicht aus)
Tatsächlich ist diese gewisse Ratlosigkeit, bei Bloggern wie bei den Vertretern der „alten“ Medien, omnipräsent. Jakob Augstein, Inhaber und Verleger der „Freitag“ zum Beispiel, der heute auf dem Panel zum Thema „Medien im Wandel“ etwas schlecht gelaunt rum saß, war ein schönes Beispiel. Er stellte klar, dass es, zumindest im Moment, keine Alternative zum Print gibt. Nicht, weil die Angebote im Netz schlecht wären, sondern weil für große Teile der Politik und der Fakten-schaffenden Elite (Lobbys, Pressesprecher, Spin-Doktoren etc.) das Netz einfach nicht existent ist. Seine, mit deutlichem Standesdünkel, vorgetragenen Argumente zeigten aber dann auch zwei Dinge. Zum einen ist für ihn seine eigene Community letztlich nur ein publizistisches Anhängsel, was sich hervorragend dafür eignet, eine gewisse Verzahnung mit dem Netz zu erreichen, was letztlich der Reichweitenverlängerung dient. Zum anderen macht es eine Position klar, für die man Verständnis haben muss. Als Verleger mit der Verantwortung für seine Angestellten und deren Familien, muss er Geld verdienen, mit Online lässt sich nicht so viel erwirtschaften, dass man eine Redaktion und jede Menge freier Autoren bezahlen kann. Und zusätzlich man wird nicht ernst genommen, wenn man nicht ausgedrucktes abliefert.
Niemand negiert, dass der Wandel da ist, aber keiner weiß, was man mit ihm anfangen soll. Online mag ja toll sein, aber man verdient innerhalb großer Strukturen nichts damit, Print steckt bis hin zu Vorzeigeblättern in einer tiefen Krise, aber bringt noch Geld ein. Nicht nur der Journalismus, auch die Form der Publikation steckt in einer Transitionsphase, die wahrscheinlich noch drei bis fünf Jahre andauernd wird. Man kann aber von einer neuen Form der Wahrnehmung und Verarbeitung von Information nicht verlangen, dass sie eine Stelle einnimmt, die seit 150 Jahren von einer anderen Form besetzt wird. Online-Journalismus ist gerade mal zehn Jahre alt.
Die Ratlosigkeit, wie man den Wechsel von Print zu Online schafft, merkt man in jedem Gespräch. Das Problem ist nur unzureichend damit beschrieben, wenn man von einem reinen Medienwandel spricht. Es geht deutlich tiefer, denn es geht um einen grundlegenden Struktur- und Gedankenwandel. Wer hat innerhalb einer Gesellschaft die Macht über die Information und deren Verbreitung?
Die Angst, dass die ungezügelte Verbreitung von Information, gleich jedweder Art, auslöst, macht sich einerseits innerhalb der ausufernden Datensammelwut bemerkbar, aber auch darin, wie hilflos die Rechtssprechung und die bisher tonangebende Verwalter der Information (Zeitungen, Urherberrechts-Verwalter etc) damit umgehen. Für den Journalismus bedeutet das: Print hat überkommene Strukturen, der klassische Journalismus ist zahnlos, ineffektiv und weit weg von seinen Lesern. Aber auch: die Online-Community überschätzt sich in einem blinden Narzismus selbst und erweckt den Eindruck sich ein goldenes Kalb geschaffen zu haben, um dass man selbst tanzt.
Das Problem ist nicht mal ein speziell Deutsches. In den USA schließen die Zeitungen schneller, als Online-Medien nachwachsen können. Und das schöne Beispiel der „Huffington Post“ ist ein sehr schlechtes, weil es weltweit das einzige ist, was zumindest teilweise die brachliegenden Funktionen der alten Medien übernommen hat. Und das auch nur, weil die Gründerin eine Ausnahmepersönlichkeit ist, die das Geld und den Willen zum Wandel hat. Arianna Huffington war die Woche zwei Stunden lang bei CNBC, wobei sie fünf Minuten zum Medienwandel befragt wurde. Ihre Zukunftsvision: Zeitungen gehen ein, die Onlineportale der Medien übernehmen die schnelle Information und Online übernimmt das Investigative. Weswegen sie gerade 1.5 Millionen Dollar in ihr Projekt buttert.
Davon sind wir in Deutschland weit entfernt. Zusammen mit ein paar anderen Bloggern und Journalisten habe ich im Winter an einem Projekt gearbeitet, was recht vielversprechend klang, letztlich aber bisher an der Finanzierung gescheitert ist. Weil wir, trotz namhafter und kompetenter Unterstützung, nicht mal 100.000 Euro zusammen bekommen haben, um ein neuartiges Onlineportal/Medium für ein knappes Jahr zu finanzieren. Und wir uns die Frage gestellt haben, ob es überhaupt genügend journalistische Substanz in der deutschen Blogszene gibt, die ein solches Medium für ein Jahr befeuern kann.
Das hat mich, ich gebe es gerne zu, ein wenig ratlos gemacht. Das hat mich auch (neben einer erhöhten Arbeitsbelastung) davon abgehalten, mich in diesem Jahr auf der re:publica einzubringen. Es war nicht nur die Zeit die mir gefehlt hat, sondern auch das Gefühl, dass ich nichts substanzielles beisteuern kann. Visionen sind ja nett, aber es wäre hilfreicher, wenn man auch einen Ansatz findet, diese umsetzen zu können.
Woran sich nahtlos die Frage anschließt, die Girlism andeutet: Ob man nicht weitaus radikaler an den Wandel gehen sollte. Ob der Gedanke eines „Wandels“ nicht schon deswegen eine Form von Verwässerung in sich trägt, weil es in ihm darum geht, dass die Strukturen sich letztlich nur amöbenhaft eine neue Behausung suchen. Ob man statt auf Ablösung, nicht auf Ersetzung setzen sollte. Mit neuen journalistischen Philosophien und den dezentralen Ansätzen der Open-Source Kultur. Ob man die Foucaultschen Mechanismen des Karrieristen-Darwinismus nicht mit etwas Radikalerem ablöst. Oder zumindest mit der Erkenntnis an den Wandel herangeht, dass man noch lange nicht da ist, wo man eigentlich hinwollte.
Darauf eine Antwort, oder gar ein finanzierbares Modell zu finden überfordert mich gerade aber auch.
[Nachtrag] Ein hübsches Beispiel für die Hilflosigkeit, mit der nicht wenige einer Individualisierung der Informationsfreiheit gegenüber stehen, ist dieser Text von Gregor Dotzauer im Tagesspiegel, dessen Ansatz im Grunde eine Rückbesinnung auf das Gatekeeping ist und ein Unverständnis gegenüber des Open Source Gedanken der im Web vorhandenen Informationskultur widerspiegelt. Das Missverständnis liegt dabei im Stichwort, dass die Blogossphäre „entpolitisiert“ sei.
16 Antworten zu „Die alte Garde“
Wenn ich mir das Online-Angebot der beiden größten Zeitungen bei mir im Kreis ansehe ist das auch eher ernüchternd.
Die eine hat gerade mal seit Ende letzten Jahres überhaupt journalistischen Inhalt auf der Seite, bei der anderen hatte mir der Eigentümer mal selber gesagt, dass die Website bewusst minimalistisch und unübersichtlich gehalten wird um keine Printleser zu verlieren.
Auch nicht gerade die richtige Denkweise :-(
„Weil wir, trotz namhafter und kompetenter Unterstützung, nicht mal 100.000 Euro zusammen bekommen haben, um ein neuartiges Onlineportal/Medium für ein knappes Jahr zu finanzieren.“
Wo habt ihr denn die Finanzierung gesucht; gab es die Moeglichkeit, sich zu beteiligen und Anteil zu erwerben?
"Diese gewisse Ratlosigkeit": Don Dahlmann über den Medienwandel. http://is.gd/qbwj
RT @8mt "Diese gewisse Ratlosigkeit": Don Dahlmann über den Medienwandel. http://is.gd/qbwj
[…] Lesenswert ist der Beitrag von Don Dahlmann (der hier gerade während des wahrscheinlich guten, aber leider abgelesenen Vortrags von Peter […]
reading: die Online-Community überschätzt sich in einem blinden Narzismus selbst und erweckt den Eindruck sich ein gold… http://is.gd/qbwj
Super Text, wie ich finde. Genau den Eindruck hatte ich vom ersten Tag auch. Es riecht so etwas nach Eitelkeiten und Selbstüberschätzung. Man fühlt sich als ein elitärer Kreis. Um die Aufgaben der klassischen Medien übernehmen zu können, muss man erstmal im Mainstream ankommen. Und das ist man noch bei Weitem noch nicht. Und ich denke, dass auch langfristig nur eine bestimmte Anzahl an Leuten erreicht werden können. Wie sich sonst in der Gesellschaft auch Subkulturen bilden, geschieht dies auch im Netz. Und die Blogosphäre ist nur eine Subkultur davon. Das Netz hat definitiv Potenzial, zumindest ein Zusatz zum klassischen Angebot darstellen zu können. Dieses ist aber noch lange nicht ausgeschöpft. Ausserdem werden sich noch solche Angebote durchsetzen, die auch einen Mehrwert und persönlichen Nutzen versprechen – und zwar keinen künstlich geschaffenen. Und auch hier wird dieser Mehrwert nur von einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe anerkannt.
Nun, schlecht gelaunt sollte mein Beitrag eigentlich nicht wirken. Eher kritisch, vielleicht verwundert. Eine Konferenz die sich die Zukunft derart selbstbewusst auf die Fahnen schreibt, sollte meiner Meinung nach diese auch zelebrieren und mutig genug sein neue Gesichter zu präsentieren. Aus meiner Sicht ist es weder zukunftsfähig noch interessant, die üblichen Verdächtigen zu Dingen sprechen zu lassen, die sie bereits mehrfach beschrieben, geschrieben und ausgerufen haben. Schlechte Laune macht mir das auf keinen Fall, denn dass die Zukunft nicht auf der re:publica gemacht und gedacht wird, muss nicht bedeuten, dass dies andere Leute nicht an anderer Stelle tun.
Beste Grüße
Tessa
Der beste Artikel zu dem Thema, kommt meiner Meinung nach von Clay Shirky:
http://www.shirky.com/weblog/2009/03/newspapers-and-thinking-the-unthinkable/
Geht in eine ähnliche Richtung wie du, nur ausführlicher und fremdsprachiger ;)
ich brauche mal einen neuen namen für mein blogbaby. den namen zu erklären braucht ein wenig wein, weib & gesang. http://is.gd/qbwj #rp09
[…] dann voll eingestiegen in das klassentreffen, wie andere das empfinden. ich sehe das nicht so, außerdem hasse ich klassentreffen, die ja doch […]
Wenn man für ein Gut Geld haben will, dann muss man dem Käufer einen gewissen Wert bieten, damit er zahlt. Wenn der Käufer dieses Gut dann jedoch auch kostenlos beziehen kann, dann ist man auf den guten Willen des Kunden angewiesen, einfach etwas zu spenden.
Diese zwei Sätze stellen den Grund für die aktuelle Zeitungs-(und auch Blog-)krise dar. Es ist wirklich so einfach.
Information kann man im Internet kostenlos beziehen. Also zahlt man nicht dafür.
Niemand zahlt für Dinge, die es kostenlos gibt.
Und egal wie man es dreht, es läuft immer darauf hinaus, dass es einfach keinen Grund für Leser oder Konsumenten gibt, den Medienschaffenden Geld in die Hand zu drücken, es sei denn sie weisen direkt darauf hin, dass sie sonst eben keine Medien mehr machen können.
Es fehlt an diesem grundlegenden Verständnis der Konsumenten, dass sie da etwas von Wert aufnehmen. Etwas, für das jemand gearbeitet hat.
Wenn dieses Verständnis jedoch da ist, dann gibt es für den Konsumenten häufig keine Möglichkeit, seine Dankbarkeit monetär auszudrücken – es sei denn es gibt einen Paypal Donate Button.
Aber das macht keiner. Kein Blogger den ich kenne hat einen Button auf seiner/ihrer Seite auf dem steht: „Hey, gefällt dir das hiert? Dann gib mir Geld. Ich will auch leben.“
Warum macht es keiner? Erstens ist es peinlich zu betteln. Nach Geld zu fragen. Macht keiner, verstößt gegen das eigene Selbstwertgefühl. Man will ja kein digitaler Penner sein.
Zweitens ist sogut wie kein Artikel mehr wert als ein paar Cent.
Mal Hand aufs Herz: wer würde nicht 3 Cent abgeben, wenn es da einene Button gibt, der eine solche Microtransaktion möglich macht?
Einfach als kleine Anerkennung, quasi als Geste. Unterlegt mit einer vernachlässigbar kleinen monetären Einheit. Ein solches Micropaymentsystem liesse sich richtig schick vermarkten. So als intellektueller Ablasshandel. Push a Button, show your love, make someone a little less broke. Das kann lustig sein und trotzdem die Basis für ein internationales Bezahlsystem für jede Art von Content. Youtube Millionäre mal anders…
Dieses System wäre auch eine direkte Alternative zur Finanzierung durch (Banner-) Werbung. Was allerdings eher als Problem zu sehen ist, da die einzige Firma, der ich eine Implementation eines solchen Systems zutraue, Google ist.
Man stelle sich ein Micropaymentsystem vor, welches den Overhead bei einer Microtransaktion so klein hält, dass tatsächlich solche Transaktionen im Centbereich immernoch sowohl für den Spender, Spendenempfänger als auch den Betreiber des Systems immernoch profitabel sind. Ist durchaus machbar. Aber man braucht halt erstens jemanden der das technisch lösen kann, als auch genügend Marktmacht hat, um dieses System zu etablieren.
Gott… langer Kommentar geworden. Ich denke ich schreib selbst mal was dazu.
@Sebastian: Genau die Systeme von denen Du sprichst könnten tatsächlich dazu führen, dass online zu einem realistischen Geschäftsmodell wird. Es gibt durchaus Beispiele (http://www.stevepavlina.com/blog/2006/01/how-to-build-a-high-traffic-web-site-or-blog/) die dafür sprechen, dass man mit einem Spenden System in Kombination mit Werbeeinnahmen einen Blog oder ein Nachrichtenportal finanzieren kann. Die Hürden sind nicht technischer Natur, siehe z.B. http://aws.amazon.com/fps/. Man muss sich allerdings von dem Gedanken verabschieden, dass ein donate Button etwas mit Betteln zu tun hat.
meine Freundin befasst sich mit Journalismus und kennt die sache besser als ich… Ich liebe es nicht so sehr, auf Blogs Nachrichten zu lesen
WORD!
[…] Auf der Suche nach Geschäftsmodellen […]