Klout-Falle

Bei Score-Dienst Klout wird man auch dann bewertet, wenn man gar nicht Mitglied ist. Ein Kafkaeskes-System.

Ich melde mich ja gerne bei jedem neuen Scheiss interessanten neuen Social Media Dingsen an. Davon mal abgesehen, dass ich nicht mehr so richtig weiß, bei wem ich so alles angemeldet bin und warum Kosmar immer schon vor mir da ist, stosse ich in letzter Zeit gerne und oft auf Apps bzw. Startups, die sich entweder das Data-Mining oder die Zusammenfassung von Daten zur Aufgabe gemacht hat. Die meisten wollen meine/deine/unsere Daten. Das ist auch in Ordnung, sollen sie bitte schön haben, zumindest in dem Umfang, in dem ich zulasse. Und so lange es nur um meine Daten geht, ist es eh mehr oder weniger mein Problem.

Was anderes ist es jedoch, wenn die Daten meiner Freunde, Bekannten und Social Media Verknüpfungen rein geraten. Jede auch nur halbwegs klug programmierte App erlaubt sich bei Facebook zu schauen, mit wem ich so verbandelt bin und wieso. Und man kann mit den Daten schon jede Menge machen. Zum Beispiel rauslesen, ob man schwul ist, Kinder hat, wo die Interessen liegen usw. Aber auch hier gilt, wie gesagt, kann man regulieren, vor allem das fortlaufende Data-Mining, in dem man Apps zwischen drin mal wieder rauskickt. Dennoch erlebt ja immer wieder die ein oder andere Unverschämtheit, wie zum Beispiel neulich bei Instagram, als kleinlaut zugeben musste, dass die hochgeladenen Adressbücher der User noch irgendwo auf den Servern rumflogen.

An derartigen Quatsch hat man sich ja schon gewöhnt, was allerdings „Klout“ macht, ist eine ganze andere Nummer.

Nur zur Erinnerung: Klout ist dieses Bemessungssystem, mit dessen Hilfe man angeblich erkennen kann, ob jemand im Netz gut oder weniger gut vernetzt ist und wie viel Einfluss er hat, also ob die Frau/der Mann wichtig ist, oder nicht. Niemand kennt die Bemessungsgrundlage von Klout, aber offenbar hat es was mit der eigenen Aktivität, der Retweet-Zahl, Likes usw. zu tun. Ein Score von mehr als 50 gilt als wichtig. Das kann einem eigentlich egal sein, wäre da nicht Tendenzen zu erkennen, dass der Klout-Score zu einem wichtigen Faktor für Personalabteilungen wird. Eine Meldung gab es da schon aus den USA und neulich berichtete mir eine Headhunterin, dass sie für Pöstchen im Internet keine Menschen mehr einlädt, deren Klout-Score unter 30 liege.

Gut – kann man machen, muss man aber nicht. Die „Score“ Werte sind ungefähr so aussagekräftig, wie die RTL2-Nachrichten. Zum Beispiel haben Regierungssprecher Steffen Seibert und ich ungefähr den gleichen Score. Er 62, ich 58. Im Notfall dürfte Seibert deutlich einflussreicher sein, als ich es bin. Das viel erstaunlichere ist aber – Steffen Seibert ist gar nicht auf Klout angemeldet. (Screenshot)

Und wie kommt Seibert jetzt da rein? Natürlich wie alle anderen auch: Über die Adressbucheinträge und Freundeslisten, wenn man sich bei Klout anmeldet. Denn einen eigenen Account gibt es dort nicht, man kann sich ausschließlich über Twitter und Facebook anmelden. Und gibt damit Klout die Listen frei.

Das perfide an der Sache ist aber, dass man auch dann einen Klout-Score hat, wenn man dort gar nicht angemeldet ist oder den Dienst gar nicht kennt. Noch perfider ist: Man kann Klout auch aus Personensuchmaschine nutzen und findet Namen von Menschen, die gar nicht angemeldet sind und den Dienst nutzen. Man läuft also Gefahr, dass man nach einer Bewerbung von einer Personalabteilung dort gesucht wird und die Chancen, wegen eines niedrigen Scores, sich dementsprechend verringern.

Klout vergleicht offenbar die hoch geladenen Adressbücher und Freundeslisten und sucht Übereinstimmungen. Taucht ein Name, zum Beispiel der von Steffen Seibert, öfter in Listen auf, wird er höher bewertet, als Namen, die nur selten drin stehen. So kommen Menschen, die zum Beispiel auf Twitter nicht sehr aktiv sind, zu einem extrem niedrigen Score, obwohl sie eigentlich gut vernetzt sind. Als Beispiel dient eine Bekannte, die in einer großen Agentur arbeitet, Twitter aber auch aus Zeitgründen nur als Newskanal nutzt. Deren Score liegt bei 22, damit also weit unter dem, was die eben angesprochene Headhunterin für wichtig erachtet, in Sachen Vernetzung.

Man ist also in einem Bewertungssystem drin, ohne dass man es will und auch ohne dass man es ändern könnte. Denn um an seine Daten ran zu kommen, müsste man sich bei Klout einloggen, was ja wieder nur geht, in dem man es mit Facebook oder Twitter koppelt.

Anders gesagt: Klout legt Scores fest, die man nicht beeinflussen kann und von denen die meisten nicht mal eine Ahnung haben, dass sie überhaupt bewertet werden. Um den Score zu sehen muss ich mich anmelden. Was dann wieder meinen Score beeinflusst. Immerhin könnte ich nach der Anmeldung meinen Account dann „löschen“, was aber nichts bringt, weil ich trotzdem über die Freundeslisten meiner Verknüpfungen wieder rein rutsche.

Das ist ein unschönes System, um es mal vorsichtig zu formulieren. Ich bin mir auch nicht sicher, ob es nach deutschen Datenschutzgesetzen überhaupt rechtlich in Ordnung ist. Auf der anderen Seite: Wirtschafts/Kreditscore-Systeme wie die Schufa arbeiten ja nach einem ähnlichen Prinzip.

Unwohl kann einem aber dennoch sein. In den USA wurden die ersten Bewerber schon abgelehnt, weil der Klout-Score nicht stimmte, Hotels vergeben bessere Zimmer, wenn der Score hoch ist. Man kann sich leicht ausmalen, dass den Klout-Score auch nutzen kann, um Zugang zu bestimmten Seiten zu bekommen. Passt der Score, kommt man in „Elite-Club“, passt er nicht, bleibt man eben draussen. Und das alles mit einem instransparenten System in dem man mehr oder weniger zwangsangemeldet ist.

13 Antworten zu „Klout-Falle“

  1. mcbexx

    Das positive daran ist natürlich, dass in 1-2 Jahren kein Hahn mehr danach kräht. Hoffe ich mal.

  2. Was auch Deinen Klout-Score hochtreibt: deine ganzen Facebook-Freunde einfach nur einladen zur Teilnahme. Ich habe es nicht gemacht, aber zwei Kollegen und deren Score ist sprunghaft angestiegen.

    Ich misstraue dem Score ja auch massiv, ich habe exakt den gleichen Klout-Score wie Steffen Seibert und bin nicht im mindestens so vernetzt wie er oder Du. Alles in allem eine Black Box, die komplett überbewertet ist.

  3. XKCD hat das Thema Klout auch gerade gehabt. http://xkcd.com/1057/

  4. […] Klout-Falle – Irgendwas ist ja immer – Reloaded […]

  5. Ich glaube nicht das der Dienst bei uns in den nächsten Jahren eine große Relevanz haben wird,
    dass Daten ohne eigenes Zutun erhoben werden ist natürlich nicht toll, aber welches online/offline Netzwerk geht denn da bitte andere Wege?

  6. Ich glaube nicht, dass der Dienst bei uns in den nächsten Jahren eine große Relevanz haben wird,
    dass Daten ohne eigenes Zutun erhoben worden sind, natürlich nicht toll, aber welches online/offline Netzwerk geht denn da bitte andere Wege?

  7. Auch skurril finde ich, dass Blogs offenbar gar keine Berücksichtigung finden, außer sie sind bei WordPress.com und Blogger gehostet. Wer seinen Blog auf einem eigenen Server betreibt, weil er kapiert hat, dass der Rest des Internets nur geborgt ist, wird mit einem niedrigeren Klout-Score bestraft.

  8. Emil Ruebe

    Wer seine Freundesdaten an facebook verschenkt, ohne sie vorher zu fragen, ist bei meinem persönlichen Internet-Kompetenz-Score schon durchgefallen. Dem würde ich keinen Job mehr geben, wo er irgendwie mit (wichtigen) Daten zu tun hat. Und die erwähnte Headhunterin hat meines Erachtens peinlicherweise ihre Inkompetenz schon mit dem zitierten Auswahlkriterium verraten. Die würde ich jedenfalls nicht beauftragen, irgendwelche „heads“ für mich zu jagen

  9. Ja Facebook würde hier bestimmt auch eine Schlüsselrolle spiel. Aber du weißt ja wie es heißt traue keiner Statistik die du nicht selber gefälscht hast ;)

  10. […] Dahlmann über die Klout-Falle oder: Ein kafkaeskes […]

  11. […] ”personalisierte” Analyse von unseren sozialen Netzen durchführt. Dabei muss ich nicht einmal beim Dienst angemeldet sein. Welche und wie Daten dabei berührt werden sagt der Dienst nicht. Und mal ehrlich, das ist uns ja […]

  12. […] hat das Tool einen wieder aufgenommen. Ausführlich setzt sich Don Dahlmann in seinem Artikel Klout-Falle mit diesem Aspekt […]

  13. […] die ja auch niemanden fragt, bevor sie ihn bewertet, wie es unter anderem Jürgen Vielmeier und Don Dahlmann schön auf den Punkt gebracht […]