Warum wikileaks blöd ist

Im Lawblog von Udo Vetter, der die Verteidigung des betroffenen Domaininhabers von wikileaks.de übernommen hat, las ich dann heute, dass es nun eine Begründung für die Durchsuchung gibt. Udo schreibt:

Theodor R. wird vorgeworfen, Beihilfe zum Vertreiben von kinderpornografischen Schriften zu leisten. Und zwar dadurch, dass er seine Domain wikileaks.de schlicht und einfach auf die Internetseite wikileaks.org umleitet.

Nun ja, die Diskussion um die eigene Haftbarkeit bei Links hatten wir ja nun schon ein paar Mal. Wenn ich einen Link in meiner Blogroll habe, und jemand, der vorher nur Blümchenbilder veröffentlicht hat, plötzlich schreibt, dass er die Regierung stürzen usw. wird man mir kaum die Bude auf den Kopf stellen. Wenn ich aber in einem Bericht, bzw. Eintrag bewusst auf eine Seite verlinke und sage „Da gibt es unvorstellbaren Dreck“, sieht die Sache halt anders aus. Das ist spätestens bekannt, seit man nicht mehr direkt auf Software verweisen darf, die einen Kopierschutz aushebeln können.

Der Fall ärgert mich aber nicht nur wegen der fadenscheinigen Begründung für eine Hausdurchsuchung, sondern weil sich eine Seite, die gerade dabei ist/war, ein durchaus wichtiger Teil der Mediendemokratie zu werden, selber schädigt.
Ich halte aber die Veröffentlichung der ungeschwärzten Filterlisten, auf denen sich Links zu Kinderpornographie befinden, zumindest für selten dämlich. Ja, ich finde Filterlisten nutzlos. Ja, ich sehe ich auch, dass Filterlisten ein grober Keil sind, der Begehrlichkeiten von anderen Seiten schafft. Als nächstes kommt die VG Wort und verlangt das Google Books ausgesperrt wird, weil dort deutsche Bücher zu lesen sind, die nicht vergütet werden und am Ende steht die Gefahr, dass eine zukünftige, wenig kritikfreundliche Regierung Seiten sperrt, die nach irgendeinem schwammig formulieren Paragraphen den Staat und seine Ordnung gefährden. Aber man dokumentiert den Unsinn einer Filterliste nicht dadurch, dass man KP-Links offen zeigt. Es geht eben nicht um Kinderpornographie, sondern um die anderen Links die sich auf der australischen Liste befinden und die dokumentieren, wie leicht man sich selber „aus Versehen“ auf so einer Liste wiederfinden kann. Demnächst gibt es dann wieder eine staatliche „Zensurstelle“ bei der man Webseiten anmelden muss, bevor sie vom Provider freigeschaltet werden können.

Man kann die aber KP-Links unkenntlich machen, ohne dass man sich einen Zacken aus der Krone bricht, oder die Sache, um die es eigentlich geht, verwässert. Das Gegenteil ist der Fall. Die Veröffentlichung der KP-Links sind in diesem Zusammenhang mehr als kontraproduktiv.

Dennoch hoffe ich, dass ein Gericht die Rechtmäßigkeit der Hausdurchsuchung nachträglich verneint. Wenn man in Zukunft wegen eines Links, der auf einen Link verweist, der auf eine Seite mit Links verweist mitten in der Nacht die Wohnung durchsucht bekommt, kann man praktisch halb Deutschland durchsuchen. Und mit jeder noch so dünnen Argumentationskette im Sinne von „zu eigen machen“ und „Gefahr im Verzuge“ praktisch jeden Bürger unter einen Generalverdacht stellen. Was ja offensichtlich gerade Mode ist.

[Nachtrag] Kollege plomlompom wirft per Twitter ein:

Zensieren der KiPo-Links = durch Reproduktion zumindest eines Teils der Zensur wenigstens dessen Angemessenheit unterschreiben.

Uhhhh – schwieriges Argument, vor allem wenn es um Darstellungen geht, die die körperliche und seelische Zerstörung von Kindern darstellen. Unterschreibe ich einen Teil der Zensur, wenn ich die Links soweit unkenntlich mache, dass sie nicht mehr klickbar sind? Oder mache ich damit zum Teil genau des Systems, dass ich gerade versuche umzustimmen?

Ich sehe das weiterhin anders, denn es geht eben nicht nur um Kinderpornographie, sondern um Filterliste. KP wird, ähnlich wie Terrorismus, immer wieder gerne als Argument genommen, wenn es um Sperrungen, Überwachung etc. geht. Das Nichtschwärzen der Links führt in meinen Augen eben auch dahin, dass ich die KP zu etwas instrumentalisiere, was nicht so nicht sein sollte. Zudem reduziere ich die Sichtbreite auf dieses eine Thema. Es aber geht darum Filterlisten als sinnlos zu entlarven, nicht um KP. Dafür ich muss keinen klickbaren Link ins Netz stellen.

7 Antworten zu „Warum wikileaks blöd ist“

  1. Du hast mit deiner Argumentation sicher recht.
    Ich bin kein Politiker, aber durchaus politikinteressiert.
    Für die Politik ist es aber aus meiner Sicht wirklich schwer den Spagat zu machen zwischen Meinungs/Pressefreiheit und Schutz von gesellschaftlichen Interessen. Dabei unterstelle ich allerdings, dass es nicht um Lobbyismus geht. Bitte nicht Naivität unterstellen.
    Das Internet hat ja tatsächlich die öffentliche Kommunikation, eben auch der Bürger, immens ausgeweitet. Es war in der Vergangenheit schon immer so, dass negative Ereignisse, Taten eines Einzelnen es dem positiven Rest versaut haben.
    Hinzukommt meines Erachtens, dass Politiker über die ganzen Einzelheiten, Möglichkeiten, Mittel und Methoden des Internets nicht vertraut sind, nicht vertraut sein können.
    Gerade deshalb wäre hier ein Umdenken in den demokratischen Strukturen notwendig.
    Ich will damit sagen, dass solche Menschen, die professionell täglich mit dem Internet umgehen, Medienmacher, Blogger, IT-Experten usw. mehr gehört werden müßten, es Gremien dafür geben sollte bevor Gesetze verabschiedet werden.
    Verbote allein helfen nicht und schon gar nicht wenn sie nicht kontrolliert werden können. Darum muß man eine öffentliche Diskussion über Alternativen organisieren.
    Ich glaube zu wissen, dass Verbote, Sperrlisten usw. nicht weiterhelfen. Aber welche Alternativen gibt es. Da müssen sich Leute zu Wort melden, die Ahnung davon haben.

  2. Ich denke, es wird sicher noch nicht genug Leute geben die im Auftrag der Behörden im netz schnüffeln. Trackingprogramme und Verdächtigen durchs Netz zu folgen gibts genug, es gibt auch sehr gute Software, die enormen Mengen an Websites scannen kann. Die suchen aber nach Terrorkram. Wenn diese auch für die viel zu wenigen Ermittler „mitarbeiten“ würden, wären wahrscheinlich in drei Monaten alle KP-Ringe weg aus dem Netz. Ob das Problem damit vom Tisch wäre, überlasse ich mal der Hirnrinde des Lesers. Es bleibt der Eindruck, dass diverse selbst ernannte Ermittler entweder entsetzkich naiv oder entsetzlich dumm sind. Leider sitzen sie mit dieser Hirnleistung in genau derselben IQ-Klasse wie diejenigen, die in ihnen mit gesellschaftlicher Legitimation das Übel bekämpfen. Ja, man muss zugeben, die Lobby für die Kinder ist ähnlich stark und leistungsfähig wie die Putzkolonne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft oder der Verband der Investmentbanker oder andere Interessengruppen, die sich immer dann wegducken, wenn eine Aufgabe ansteht, die sie mit ihren politischen und finanziellen Mitteln in Monaten vom Tisch fegen könnten…

    Schade, es wird Zeit für eine Gesellschaft 2.0. Firmen die sich nicht sozial engagieren, bekommen einfach progressive Steuererhöhungen pro asozialem Quartal 5% mehr Gewerbesteuer als im Quartal davor.

  3. Es ist vielleicht an sich nicht so bedeutsam, ob Kinderpornos zensiert werden oder nicht. Das Vorhandensein einer geheimen Liste, nach der das Internet gefiltert wird, ist doch das eigentliche Problem. Geheime Sachen kann man schlecht diskutieren und kontrollieren.
    Wenn man sich nicht damit anfinden will, dass ein kleiner Kreis von „Experten“ geheim bestimmt, welche Seiten aus dem Netz gefiltert werden, dann ist der einzige Weg, um Diskussion und Kontrolle ermöglichen, eben nur der, die Liste zu veröffentlichen. Welcher denn sonst? Wie soll sonst eine Organisation feststellen, dass x % der Seiten in Deutschland gehostet werden, eine andere, dass y % gar keine KiPo enthalten und die dritte, dass z % der Seiten mit tatsächlichem KiPo mit einfachsten Mitteln aus dem Netz zu bekommen sind? Würde man statt der vollen Liste nur einen Teil veröffentlichen („schwärzen“), dann würde man sich ja selbst wiederum zum „Experten“ machen, der für die Öffentlichkeit unkontrollierbar wegschneidet. Das Problem ist nur verlagert, bliebe aber im Grunde das gleiche.
    Mal ganz abgesehen vom praktischen Problem: da soll also einer von Wikileaks sitzen und die ganze Liste durchklicken und dann entscheiden, was KiPo ist und was nicht und die entsprechenden URLs schwärzen? Das ist doch absurd.

    Also, das eigentliche Problem ist meiner Meinung nach eben die Existenz der geheimen Zensur-Liste. Sie zieht automatisch das Bedürfnis nach einer öffentlichen Diskussion dieser nach sich und produziert so dann eben eine Linksammlung zu KiPo.

  4. dampfbadbiber

    Die Filterung ist der Einstieg in ein von staatlichen Organen kontrolliertes Internet. Z.B. könnten irgendwann alle deutschen Internetseiten darauf landen, die keine Anbieterkennzeichnung haben. Das Ende von vielen kritischen Blogs. Aber diese Dynamik lässt sich schwer aufhalten, die geschwärzte Veröffentlichung der Liste hätte an dem Interesse der Politik, das Internet zu kontrollieren nichts geändert.

    Wenn Sie google Books ansprechen. Sie haben sicher, wie ich auch, den Rundbrief der VG Wort bekommen. Wie halten Sie es mit dem „Opt out“? Ich fühle mich da etwas überfordert, und VG Wort ist da keine Hilfe.

  5. Das Problem mit der Unkenntlichmachung der KiPo-Links ist ja zweistufig: Um zu erkennen, welche Links nun KiPo enthalten und welche nicht, müsste man den Lnks folgen, und damit ruft man in D dann ja evtl. strafbare KiPo-Seiten auf und macht sich selbst strafbar. Wenn man dagegen hingeht, und alle Links verstümmelt, in dem man z.B. drei oder vier Zeichen aus der URL unkenntlich macht, dann kann man auch nicht mehr feststellen, das zu unrecht Links enthalten sind, die nicht auf KiPo verweisen.

    Filterung mit Hilfe einer Liste ist einfach der falsche Weg, um mit diesen Inhalten umzugehen. Mir scheint, das es für die regierenden Personen einfacher ist, nach einer Filterung zu rufen, als das sie verstehen wollen, wie das Netz funktioniert und was sie mit einer Filterung anrichten würden, wenn diese (was zu erwarten ist) mißbraucht wird. Insbesondere, wenn man dann feststellt (wie es CareChild getan hat), das man viele der inkriminierten Seiten durch eine Abuse-Meldung an den Provider innerhalb von wenigen Stunden aus dem Netz bekommen kann.

    Das größere Problem ist eher, dass die Kritik an der Filterung in den etablierten Medien nicht ankommt. Sicher schreiben viele dagegen, sicher gibt es Dutzende von entlarvenden Aussagen von Politikern, die darauf schließen lassen, dass es um mehr geht, nämlich um die vollständige Kontrolle dessen, was das dumme Stimmvieh sehen darf im Internet, aber eine Reaktion in den ÖRs oder größeren Magazinen ist nicht zu sehen, da diese wohl schon entsprechend kontrolliert werden. Und wer gegen Filterung ist, ist ja nach Frau vdL für KiPo, und das will ja keiner sein.

  6. ich bin gegen die filterung, denn wer bestimmt in zukunft was ich sehen darf oder nicht.

  7. neinneinnein

    das ist ein system der regulation…
    WIKILEAKS ftw
    http://chaosradio.ccc.de/cr149.html