Werbung per Twitter

Das es irgendwann passieren würde, war klar, aber dennoch ist mir heute morgen etwas der Kamm geschwollen, als ich las, dass Peter Turi seinen normalen Twitter-Account auch mit Text-Anzeigen belegen möchte. Bzw. es auch macht. Ich habe ihn daraufhin entfollowt, bin mir dabei aber durchaus über die sinnlose Dramaturgie meines Handelns bewusst. Genauso gut hätte ich auch theatralisch zu Hause allein in Ohnmacht fallen können.

Dennoch beschäftigt mich die Sache durchaus. Denn ich lebe letztlich auch von der Werbung. Würde zum Beispiel die Blogwerk AG, die mein Auftraggeber ist, unter anderem nicht Umsätze durch die Werbung generieren, hätte ich den Job bei neuerdings.com nicht. Ich bin also weit davon entfernt, Werbung als „böse“ zu verteufeln. Auch sehe ich die dringende Notwendigkeit, neue Einnahmequelle zu erschließen, damit man seine Arbeit in einem vernünftigen Umfang unabhängig leisten kann. Irgendwie muss die Butter ja aufs Brot kommen. Bei meinen Auftraggebern und bei mir.

Zwei Dinge nerven mich aber an dieser Sache:

1. Es ist in meinen Augen höchstgefährlich, wenn man seinen persönlichen Twitter Account für Werbung nutzt. In Turis Fall ganz besonders, denn er schreibt nicht nur über Verlage, sie werben auch einen Tweet bei ihm. Es kann also passieren, dass die Werbeeinahmen per Twitter Teil seiner monatlichen Einnahmen werden, was dazu führen kann, dass er seine Objektivität verliert. Also genau in die Werbefalle läuft, in der große Teile des Journalismus sowie schon stecken.

2. Es muss Bereiche im Leben geben, die von Werbung verschont werden. Twitter war aber bisher eine kleine Oase der Werbefreiheit, die ich genossen habe.

Die Frage, ob man im eigenen, nicht oder nur schlecht abgrenzbaren, social stream Werbung schalten kann, ist spannend und nicht leicht zu beantworten. Denn man darf nicht vergessen, dass gerade für Leute, die eng mit dem Netz verzahnt sind und über einen gewissen Bekanntsheitgrad verfügen, jeder Feed (sei es Twitter oder Facebook) eine Werbeplattform ist. Ist es schon Werbung, wenn ich per Twitter automatisiert verkünde, dass ich einen Blogeintrag geschrieben habe, oder fällt das noch in die Grauzone erlaubte Eigenwerbung/soziales Hintergrundgeräusch?

Beim Massenpublikum wird die Sache anders betrachtet. Hier freut man sich, dass sich endlich einer traut, Twitter als Werbeplattform zu nutzen und es wird gefeiert, dass man nun auch hier einen weiteren Kanal für Werbung aufmachen kann.

Natürlich ist ein Tweet Werbung pro Tag von Turi2 kein Beinbruch. Immerhin habe ich bei Twitter die Entscheidungsfreiheit per „unfollow“ Werbung aus meinem Leben zu verbannen. Das Problem wird allerdings größer, wenn noch mehr solche Mischaccounts haben. Im Gegensatz zu einem Blog, wo ich Werbung per Adblocker ausschalten kann, muss ich bei Twitter die Werbung ertragen, oder eben auf „unfollow“ klicken. Bei einem Account mag das gehen, bei 30 sieht das schon anders aus. Die Accounts aber voneinander zu trennen macht keinen Sinn, denn wer würde schon einem „Turi2 Werbung“ Account folgen? Das sich Direktwerbung per Twitter auch lohnen kann, hat Andreas Goeldi heute bei Netzwertig ausgerechnet.

Die Frage ist aber, wie sehr ich einen Kommunikationsraum mit Werbung vollstopfen kann und ob das überhaupt erwünscht ist. Rein intuitiv meldet sich bei mir da ein klares „Nein“, einfach aus dem Grund, dass Werbung sich noch weiter aufreibt und nutzloser wird, je weniger werbefreier Raum mir zur Verfügung steht. Dazu kann das oben erwähnte Problem des Glaubwürdigkeitsverlustes kommen. Ebenso könnte man argumentieren, dass wenig nett ist, einen kostenlosen Dienst zur Verfügung zu haben, und diesen dann zur Werbung nutzt. Das wäre in etwa so, als würde ich für den Download von Firefox 20 Euro verlangen. Die Gefahr ist auch, dass Firmen auf die Idee kommen, Twitter-User 11,3 Cent pro (unmarkierten) Werbetweet mit passendem Hashtag zahlen und dass es genügend User gibt, die das auch machen würden.

Interessant fand ich allerdings diese Meinung in den Kommentaren beim Massenpublikum:

Aber das heißt nicht, dass gleich jeder Kanal mit Werbung bestückt werden muss, zudem noch unzureichend gekennzeichnet. Auf lange Sicht schadet sich turi2 selbst. Ich kann aus meiner eigenen unternehmerischen Tätigkeit sagen: Der Verzicht auf manchen Umsatz lohnt mehr als das Bücken nach jeder Münze.

Muss man also wirklich jede Möglichkeit nutzen, oder ist es auf lange Sicht nicht vorteilhafter, in bestimmten, vor allem den direkten Kommunikationskanälen, auf Werbung zu verzichten? Ich denke, dass zumindest im Moment noch jede Anzeige oder groß angelegter Werbeversucht bei Twitter als eine Art Spam betrachtet wird. Ebenso, wie ich meinem Mails keine nicht angeforderte Werbung sehen möchte, weil sie meine Kommunikation unterbricht, will ich das auch nicht per Twitter.

18 Antworten zu „Werbung per Twitter“

  1. Es ist völlig klar, dass jeder die Butter auf sein Brot verdienen muss. Grundsätzlich habe ich nichts gegen Werbung, wie sollte ich auch, ich komme aus der Branche. Allerdings bin ich der Meinung, dass nicht jedes Portal, jeder Kommunikationskanal mit Werbung zugepflastert werden muss.

    Ich denke dies ist auf lange Sicht ein Eigentor, denn es wird auf Dauer nicht bei einem Tweet bleiben sofern es funktioniert, warum auch leiber jede Stunde einen Tweet und dafür 24 mal soviel Umsatz. Allerdings glaube ich nicht, dass sich die Follower von Turi das lange ansehen werden, er ist ja doch auch nur einer der News verbreitet, da finden sich auch Andere.

    Ich bin für ein werbefreies Twitter, eine Oase im Internet.

  2. Die Kommerzialisierung dieser Welt schreitet immer weiter voran, und macht auch vor Twitter nicht Halt. Die Kommerzialisierung von Twitter hat bereits vor „Turi2“ begonnen. Beispiel : Accountversteigerung (USA) ! Man darf das Vermarkten von Twitter-Account’s nicht aus „deutscher Sichtweise“ sehen, und dass keine Werbung bei Twitter Einzug halten würde (werbefrei Oase) daran glauben halt nur hoffnungslose Optimisten !

  3. Arne

    Herrje, das wird halt das neue Geschäftsmodell von Twitter werden, irgendwie muss die Refi denn klappen. Und das stört mich nicht mehr als ihre bisweilen grauenhaften Alltags-Tweets, Herr Dahlmann, die der Qualität eines senilen Bettgespräches in nichts entgegenstehen und maximal Sie selbst interessieren.

  4. [MARKED AS SPAM BY ANTISPAM BEE]
    […] turi2 nicht verbieten kann, Werbung zu schalten. Nun hat der geschätzte Don Dahlmann noch einmal sehr moralisch nachgelegt. Ich denke, sich darüber zu ereifern, ist zwar grundsätzlich ehrenhaft, aber nicht zeitgemäß […]

  5. ihr kanntet be-a-magpie.com noch nicht?

  6. @HCL: Ne, ist mir neu. War die Realität ja mal wieder schneller als ich dachte.

    @Arne: Plus 2000 andere.

  7. dampfbadbiber

    There Ain’t No Such Thing As A Free Lunch.

    Twitter „lebt“ zur Zeit in der werbefreien Nische, weil zwar überall davon berichtet wird, aber die Nutzerzahlen vergleichsweise gering sind – in Relation zur Aufmerksamkeit. Ohne Erlösmodell, dass auf bezahlte Mitgliedschaften (oder hypothetisch fee-per-tweet) beruht, wird Werbung zwangsläufig Teil des Kommunikationskanals sein. Wie bei anderen Kommunikationskanälen, die kostenlos sind, ob IM, Freemailer, Free-Blog-Anbieter, Social Communities, usw.

    Das mit der langen Sicht ist eine Lebenslüge. Vorteile kann es nur geben, wenn sie sich in barer Münze auszahlen. Alleine die Hoffnung auf andere Erlösmodelle ernährt gerade in der Krise nicht den Mann/die Frau.

    Was mich verwundert: Das Posting kommt von einem Freiberufler, dessen Einnahmen indirekt zu einem sehr grossen Teil von Werbekunden abhängig sind, der in einer Grossstadt wohnt, in der jeder Quadratmeter öffentlicher Raum mit Werbung zugepflastert wird, der auch sonst (wie ich mal annehme) ein „Medien-Junkie“ ist, und sich der Werbung aussetzt.

    Mein Kommentar klingt vielleicht ein wenig moralisierend. Ist aber nicht so gemeint.

  8. @Dampfbadbiber:
    Wie gesagt, gegen Werbung habe ich grundsätzlich nichts, stelle mir aber die Frage, ob so Mischaccounts gut sind und ob die dann nicht in einer gewissen Weise die soziale Kommunikation unterminieren.

    Das Twitter dringend ein Geschäftsmodell benötigt, ist mir auch klar. Wenn ich eins hätte, würde ich es teuer an Twitter verkaufen.

  9. dampfbadbiber

    Turi ist doch kein Mischaccount. Der verdient sein Geld mit Information. Wenn Twitter beliebter wird, als bezahlte Branchen-Newsletter, dann müsssen dort Einnahmen den Aufwand decken. Der Tweet mit einem Hinweis auf neuerdings-Postings ist auch Werbung. Und strenggenommen der aufs eigene Blog auch, wenn dadurch eine adnation-Kampagne mehr visits bekommt.

    Was das Geschäftsmodell von Twitter angeht: Es wird auf Werbung hinauslaufen. Abo-Modelle sind vom Aufwand nicht machbar. Die Abonnenten verwalten, international Geld eintreiben, User-Support usw. Das klappt bei einer so fokussierten Zielgruppe wie XING, aber nicht bei einem Ameisenhaufen wie Twitter.

    Im Grunde ist es schade, dass so ein Kommunikationskanal wie Twitter nicht als globale Infrastruktur angesehen und aus „Steuergeldern“ finanziert wird. Mit einem Mikro-Bruchteil des Geldes, was weltweit als „Konjunkturprogramm“ rausgeworfen wird, könnte man twitter über Jahre betreiben und weiterentwickeln.

  10. Zunächst mal danke fürs Feedback lieber Don!! Einen Punkt verstehe ich nicht: Peter Turi kann uns freie Redakteure nur bezahlen, weil er im Newsletter und auf der Webseite Werbung verkauft. An den Textanzeigen im „heute2“ hat sich bisher niemand gestört. Warum soll also ausgerechnet (übrigens klar als „Anzeige“ gekennzeichnete) Werbung in Tweets unsere Unabhängigkeit gefährden?

  11. das mit der webung ist mitlerweile überall zu sehen. wenn man es nicht übertreibt, habe ich kein problem mit. was mich wirklich nervt sind diese vielen made for adasence seiten.

  12. @Peter Schwierz: Ich empfinde es immer noch als Unterschied, ob ich gekennzeichnete Werbung auf einer Webseite sehe, oder ob sie zwischendrin in einem social stream auftaucht. Auf einer Webseite gibt es zum Beispiel auch genügend grafische Lösungen, wie man die Werbung vom Inhalt trennen kann. Mir kommt die Werbung von Turi2 so vor, als würde ich mitten in einem Text (egal ob Blog oder Print) plötzlich einfach einen Satz: „Anzeige: Kaufen sie Blumen bei Blumen Müller“einfügen um dann normal weiter zu schreiben. Das würde man im sicher nicht als glücklich empfinden und genauso sehe ich es eben bei Twitter.

  13. Den Aspekt verstehe ich ja, auch wenn ich dabei anders empfinde. Aber das ist irgendwie keine Antwort auf meine Frage. ;) Das tangiert doch unsere Unabhängigkeit nicht.

  14. dampfbadbiber

    Dann hätte ich gerne einmal eine Definition von „Social Stream“. Turis Twitter-Stream ist ein Newsdienst. Kaum ein tweet ohne Link zu Nachrichten. Steht auch im Kopf: „Medien-News in Echtzeit – vom Branchendienst 2.0 für Medienmacher.“

    Werbetweets werden doch nur Leute machen, deren „Social Stream“ in hohem Masse eigennützig ist. Turi twittert nicht aus Langeweile oder um seine Freundschaften zu pflegen.

    Ist wie bei Blogs. Die kann man für unterschiedliche Dinge gebrauchen. Auch für Werbung. Das Problem ist, dass diese kommerziellen Twitterer im „Stream“ auftauchen, unter anderen Twitter-Kontakten, die man followed. Möglicherweise nur ein technisches Problem. bei tweetdeck z.B. kann man ja die Followings gruppieren. Möglicherweise ist das auf anderen Devices wie dem Iphone nicht so elegant zu machen. Aber 642 Twitter-Accounts zu folgen ist unterwegs eh kein Spass.

  15. Ohne jetzt auf die moralische Frage einzugehen, ob Twitter grundsätzlich werbefrei sein sollte, hier der Versuch einer grafischen Werbung in Twitter: http://www.twitter.com/internet_world

    Wäre das ein Ansatz, den Sie akzeptieren könnten?

  16. Sorry, dass ich erst jetzt antworte. Arbeit, Schmarbeit.

    @Peter, dampfbadbiber, Christian:
    Nochmal – Werbung innerhalb meines Streams lässt sich, zumindest im Moment, nur mit dem Wort „Anzeige“ kenntlich machen. Ich kann das Wort Anzeige allerhöchstens durch Versalien kenntlich machen, mehr aber nicht. Es gibt bei Twitter im Stream, weder auf der Webseite, schon gar nicht bei externen Apps wie Twitterdeck oder Twhirl die Möglichkeit einer grafischen Kenntlichmachung, oder dass ich die Werbung (wie auf Turis Webseite) durch html Codes einrücke, markiere etc. Das ist die Sache, über die man (auch presserechtlich) streiten kann.

    Die zweite Sache ist, ob es freundlich ist, einen Kommunikationsstrang mit Werbung zu unterbrechen. Und ja, für mich ist Twitter ein Kommunikationstool und keine Verlängerung meiner eigenen Webseite.

    Wie gesagt, für mich ist solche Werbung in etwas so, als würde ich meinen Text mit einer Werbebotschaft unterbrechen und dann einfach weitermachen.

    Zur Unabhängigkeit: Da hat meedia die richtigen Zusammenhang erstellt.

    „Bertelsmann kämpft mit stagnierendem Umsatz und sinkenden Gewinnen. Gleich mehr bei kress.de“, ist da beim Branchendienst um 10:35 Uhr zur lesen. Eine Minute zuvor lief bei der Konkurrenz von Turi2: „Bertelsmann hält Umsatz 2008 stabil – 16,1 Mrd Euro. Umsatzrendite bei 9,7 %. Pressemitteilung + Live-Video

    Auch wenn er unfairerweise das Wort „Anzeige“ des Tweets weggelassen hat, wird die Problematik schon klar. Ich mache mich gegenüber des Anzeigekunden schon etwas lächerlich, wenn ich dann eine weiter Minute einen Bericht hinterher schiebe, den ich mit dem Tweet: „Bertelsmann in der Krise“ beschreibe. Was Turi2 ja auch nicht gemacht hat.

  17. dampfbadbiber

    Das mit dem lächerlich machen ist doch ein Problem von Turi. Wie auch vieler anderen Medien, die auf Anzeigenkunden Rücksicht nehmen. Twitter-Turi ist ein kommerzieller Newsdienst – also ein Medium und kein „Social Stream“.

  18. […] anbietet. Wie wichtig Twitter mittlerweile genommen wird, zeigen aber erst die Reaktionen (hier, hier, hier und auch hier). Auch sonst gab es wieder interessante Meldungen, von denen wir neun als […]