Jetzt dürfen also die Finanzämter auch dann aktiv werden, wenn sich Kontobewegungen „aus dem Kreis der alltäglichen und banküblichen Geschäfte hervorheben“. Also praktisch immer, wenn plötzlich große Summen auf dem Konto auf- und wieder abtauchen. Wegen mir, bitte. Ich liefere jedes Jahr meine Kontoauszüge komplett bei meiner Steuerberaterin ab. Wenn das Finanzamt meint, ich hätte was nebenbei verdient und nicht angemeldet, können sie gerne nachschauen. Das mache ich allerdings freiwillig.
Natürlich ist der nun praktisch vorbehaltslose Zugriff auf Kontodaten ein weiteres Mosaiksteinchen in der Überwachung. Ich kann nicht mehr freiwillig entscheiden, welchen Daten das Finanzamt von mir sieht, sondern der Staat nimmt sich mal wieder, was er will. Auf der anderen Seite – Hartz IV Empfänger kennen das schon länger. Jeder „Leistungsempfänger“ muss sich heute bis auf die Knochen ausziehen, gleichzeitig wird man das Gefühl nicht los, dass jeder, der ein wenig mehr verdient und einen kreativen Steuerberater hat, sein Geld irgendwie versucht am Staat vorbei zu schleusen. Man könnte also auch argumentieren: Schön, dass sich jetzt alle ausziehen müssen.
Und gleichzeitig fahren die europäischen Finanzminister große Geschütze in Richtung Schweiz auf. Steueroase! Steuerflucht! Unsolidarisch! Indianer??
Die Schweizer wundern sich nicht wenig über den Druck und die kreativen Beschimpfungen aus dem Ausland, besonders aus Deutschland. Denn in der Schweiz gibt es kaum Probleme mit Steuerflucht. Im Gegenteil. Sehr zahlreich zieht man gerne in die Schweiz. Und das nicht nur, weil es dort so hübsch oder gar preiswert ist, sondern weil es offensichtlich mehr Sinn macht, sein Geld dort zu versteuern. Ein Ökonom aus der Schweiz brachte es eben im D-Radio auf den (polemischen) Punkt, als er sagte, dass die Schweiz ja nun auch nichts dafür kann, wenn man dort mit den Steuergeldern sinnvoller umgehen würde, als das in Deutschland der Fall sei.
Und es heißt ja auch nicht umsonst Steuer-„Flucht“. Das Geld flieht vor einem völlig abartig komplizierten Steuersystem, das nicht mal mehr Steuerberater völlig durchschauen. In diesem Internet habe ich neulich mal gelesen, dass 60% der weltweit(!) erscheinenden Steuerliteratur auf Deutsch ist. Das deutsche Steuersystem ist eine Katastrophe und zu dem ungerecht. Ich könnte, ganz legal, 40% einer geplanten Ausgabe, z.B. einen teuren Computer über drei Jahre „abschreiben“, also von meinen Bruttoeinnahmen abziehen. Ich brauche dafür nur einen Kostenvoranschlag. Sind die drei Jahre rum, müsste ich das einbehaltene Geld zurück zahlen, könnte aber gleichzeitig wieder was anders abschreiben. Und genauso machen es Firmen. Geplante Ausgaben abschreiben, und, sehr vereinfacht gesagt, keine Steuern dafür zahlen. Man muss als Konzern schon sehr bescheuert sein, zahlt man in Deutschland den vollen Steuersatz. Und das ist von der Politik ja auch so gewollt, weil es „Investitionsanreize“ schafft. Was anderes macht die Schweiz auch nicht. Sie schafft Investitionsanreize für Bürger. Anders ausgedrückt: Was kann die Schweiz dafür, dass es in Deutschland so ein erbärmliches Steuersystem gibt? Muss sich die Schweiz jetzt das deutsche Steuersystem zulegen, damit Peer Steinbrück glücklich ist?
Dass es genug Idioten gibt, die Steuern im großem Maße hinterziehen, ist mir klar, dass denen auf die Finger gehaut hört, auch. Aber man muss sich zusätzlich mal fragen, warum das Geld abfließt und ob das bestehende Steuersystem nicht komplett abgeschafft gehört. Es sind nicht wenige in den letzten Jahren mit der Idee gescheitert, ein „Bierdeckel“ Modell zu entwickeln. Die Merkel hatte hatte es ja mal vor, damals, als sie Bundeskanzlerin werden wollte, nur um vor der Industrie- und Finanzlobby einzuknicken. Aber vermutlich wird man noch viele Jahre mit dem bescheuerten Steuersystem leben müssen, weil keiner den Mut hat, mal über „Flat-Tax“ und andere Modelle nachzudenken. Derweil werden Steuergelder weiter ins Finanzsystem gepumpt, was vielleicht sogar Sinn macht, aber soll man die Unternehmensbesteuerung und deren weit verzweigte Einnahmen im In- und Ausland argumentieren, wenn man den Bürger komplett auszieht? Da braut sich eine Menge Unzufriedenheit und gefühltes Unrecht zusammen.
6 Antworten zu „Die Sache mit den Konten“
Aber auch andere Länder, die gerade nicht ganz so gut dastehen wie die Schweiz, sehen das mit den Steuern etwas lockerer: Kommentar eines Dubliner Buchhändlers, bei dem ich für ein teures Fotobuch eine (nach deutschen Massstäben) ordentliche Quittung verlangte: „Oh German tax law is coming to Ireland!“
Flat tax ist sehr schwer durchzusetzen, aber eine Entwirrung des Dschungels tut Not. Ich glaubte vor Jahren eine Zeit lang, dass auf den Bewirtungsquittungen alle Mitesser unterschreiben mussten, weil da so viele freie Zeilen drauf waren…
@ Horst: also ich hab in die vielen Zeilen immer reingeschrieben, wies geschmect hat. Ging immer gut.
mit den verschiedenen und abgestuften steuerprivilegien lässt sich halt prima jeweils eine bestimmte untergruppe der wählerschaft befriedigen – mal mehr (die pendler), mal weniger (die freiberufler) und mal dick (konzerne), mal dünn (unterhaltzahlende väter, die jetzt 50 euro der einmalig gezahlten 100 euro konjunkturspritze für jedes kind abziehen dürfen) und immer profitieren die steuerberater als berufszweig. schlimm wird es, wenn es so kompliziert wird, dass die politiker selbst nicht mehr durchblicken tun, so wie im letztgenannten fall.
übrigens flat-tax findet jeder erst mal gut, aber wenn auch nur ein steuerprivileg gestrichen werden soll, schreien alle auf, die es trifft (pendler).
Wahrscheinlich ist das wieder so ein Vetternwirtschafts/Lobbyismus-Problem. Die Leute, welche Steuergesetze „entwickeln“, sind doch im weitesten Sinne Experten, also im simpelsten Falle irgendwie Steuerberater oder andere Berufe, die von einem komplizierten Steuerrecht profitieren, weil es sie selber ernährt. Wieso sollten diese Experten am eigenen Ast sägen und das Steuerrecht, womit sie gut verdienen, vereinfachen? Ähnliches doch bei den Anwälten, simples Beispiel Scheidung: Bei Scheidungen muss ein Anwalt hinzugezogen werden, man kann sich noch so einig sein. Welches Interesse sollten Anwälte haben, welche bei Gesetzgebungen mitreden können, diese Zustände zu ändern? Sie verdienen doch gut daran.
Interesse am vereinfachten Steuerrecht haben doch in erster Linie die kleinen Leute, welche sich keinen Steuerberaterleisten können/wollen bzw. die dann, nach einer Vereinfachung keinen mehr bräuchten. Haben die eine professionelle Lobby? Ich glaube nicht.
wird zeit für denkanstöße nach französischem vorbild.
Hier in Schweden bekomme ich meine Steuererklärung Anfang April *fertig* ausgefüllt vom Finanzamt zugeschickt. Sind 2 DIN-A4 Seiten. Ein kurzer Blick genügt um evtl. Fehler zu entdecken. Bestätigt wird die Erklärung dann via SMS oder online. In den 11 Jahren, die ich hier bin, habe ich noch nie etwas Ändern müssen… Und selbst wenn ich die Steuererklärung selbst machen wollte, würde ich es mit der ca. 25 seitigen Anleitung inkl 4 Seiten Flussdiagramm auch schaffen, die gleiche Erklärung hinzubekommen.
Am Anfang war es schon etwas seltsam, dass das Finanzamt alles wusste. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und finde es einfach praktisch. Es vereinfacht vieles…