Google und das Problem mit den Kunden

Ich will gar nicht auf das Problem mit den Pseudonymen auf G+ eingehen, sondern eher wie Google darauf reagiert hat. Es war dann schon interessant zu sehen, wie Google erst gar nicht und dann leicht kopflos reagiert hat. Wie schlecht es um die Kundenkommunikation steht zeigte sich dann auch, dass einer der VPs von Google persönlich die Kommunikation übernahm.

Ich kenne die Probleme, die man Google als Kunde haben kann. Im letzten Jahr hatte ich mal probeweise Adsense drüber im Racingblog geschaltet. Da ich wusste, dass Google in Sachen Platzierung und Klicks empfindlich ist, habe ich auf ein bekanntes Plugin gesetzt, dass die Arbeit übernommen hat und gleichzeitig peinlich genau darauf geachtet nicht drauf zu klicken. Nach sechs Wochen bekam ich dann eine Mail in der mein Adsense-Konto gekündigt wurde. Eine Erklärung, was genau schief gelaufen ist, wollte man nicht liefern, da man offenbar befürchtete, dass Spitzbuben einen Weg drum herum finden könnte, würde Google sagen, um was es genau geht. Das hatte dann schon etwas kafkaeskes und amüsierte mich immerhin so sehr, dass ich beschloss nachzubohren. Man prüfte noch mal, das Konto blieb gesperrt und ich hatte keine Lust mich weiter damit zu beschäftigen.

Was mir damals schon auffiel: Man bekommt keinen Ansprechpartner, keinen Namen. Man bekommt eine anonyme (haha) Mailadresse, irgendwer geht irgendwelche geheimen Checklisten durch, Feierabend. Eine Erklärung, ein „Warum“ gibt es nicht. Das ist eine Kundenbetreuung, wie man noch aus den Radio Eriwan Witzen kennt.

Die Problematik von Google und deren Kundenbetreuung ist, dass Google als Firma im Prinzip gar keine Kunden (auf Konsumentenbasis) hat. Google hat User, aber keine Kunden. User sind es gewohnt in Foren mit Usenet-Charakter nach Antworten von anderen Usern zu suchen, die eventuell das gleiche Problem hatten. Kunden wollen eine schnelle, mühelose Antwort auf ein Problem. Die Firma macht aber noch den Eindruck, als würde so denken: „Fast alles bei Google ist umsonst, der Konzern hat eine 324 Fastrilliarden Anwender (mindestens), da kann man nicht auch noch erwarten, das wir halb Indien einstellen, um Kundenanfragen zu beantworten.“

Doch aus den Nerd-Usern sind eben auch Kunden geworden. Je mehr Dienste Google anbietet und je aggressiver diese vermarktet werden, desto mehr Menschen wollen diese auch nutzen. Bisher war es kein Problem einfach den Anbieter zu wechseln. Aber mit den vielen integrierten Lösungen wird das zunehmend schwerer. Was ja auch so sein soll, denn Google möchte ja möglichst viele Leute auf den eigenen Plattformen haben. Je schwerer es aber fällt, einen Dienst zu verlassen, desto höher sind auch die Ansprüche ans Kundenmanagement. Die sind es gewohnt, dass man irgendwo anrufen kann, wenn ein Problem hat. Und wenn man schon große Teile seines Onlinelebens einem Dienst anvertraut, dann kann man auch erwarten, dass der eine vernünftige Hotline/Hilfe hat und Probleme transparent erklärt und möglichst gelöst werden. Ganz und gar nicht ist man aber gewöhnt, dass Mail-Anfragen in einem undurchschaubaren Kanal verschwinden und man Textbausteine mit der kryptischen Antwort bekommt, man habe gegen eine der unzähligen allgemein gehaltenen Punkte der AGBs/TOS verstossen.

Das ist dann auch Kundenmanagement aus den 90er Jahren, und irgendwie witzig, weil selbst so schnarchige Vereine die „Deutsche Bahn“ ihre Kunden mittlerweile bei Twitter abholen. Geradezu ironisch ist es auch, dass ausgerechnet Google seine eigene Produkte (Wave, Buzz, G+) nicht dafür nutzt, mit den Kunden in Kontakt zu treten, sondern weiter auf Mails setzt, während man andere Firmen darauf hinweist, dass sich die Google-Produkte ganz hervorragend für die Abwicklung von Kundenanfragen eignen, weil Mails ja sooo 90er sind.

Ich mag bekanntermaßen Google, daran konnte auch die Adsense-Episode nichts ändern. Aber sie hat mir, wie auch jetzt bei der Pseudonym-Debatte gezeigt, dass Google ein gehöriges Defizit in Sachen Kundenmanagement hat. Es dauert vermutlich nicht mehr lange, bis alte AOL-Hotline Witze wieder reaktiviert werden. Google hat in dem Bereich eine Menge zu verlieren, ich bin gespannt, wie das Problem angegangen wird. Man kann ja nicht dauernd irgendeinen Vizepräsidenten die Kundenanfragen beantworten lassen.

14 Antworten zu „Google und das Problem mit den Kunden“

  1. Sehr gut analysiert. Ich sehe das ähnlich. Nur in den Bereichen wo Google direkt Geld verdient ist der Service besser. Z.B. wenn man ein Problem bei Adwords hat, ein größerer Adsense Kunde ist usw….

    Mit Google+ wird sich in der Richtung einiges bei Google ändern müssen. Sonst vergraulen die sich einiges an potentiellen Kunden / Datenlieferanten. Und das jeweils für eine sehr lange Zeit.

  2. Hallo Don,

    ein guter Beitrag!

    Warum: Weil er das anspricht, was ich vor etwa einer Woche auf G+ anführte, als Stefan Keuchel ziemlich angegangen wurde im Rahmen der Klarnamen-Debatte.

    Ich schrieb in meinem Kommentar u.a.:

    „…Um präziser zu sein: Stefan und Kay werden angesprochen. Mal abgesehen davon, dass die Beiden auch nicht 365 Tage durch und durch PR machen können, frage ich mich, ob einige meinen, Google – speziell in Deutschland – bestehe nur aus diesen Beiden…

    Ich kenne da durchaus noch ein paar weitere Mitarbeiter, an die man sich vielleicht auch erstmal face to face wenden kann, bevor man die Trompete auspackt.

    Etwas Anderes ist es, zu überlegen, ob es sinnvoll wäre, wenn Google in Deutschland mit weiteren Mitarbeitern in der Öffentlichkeitsarbeit in Erscheinung treten würde, was vor allem die Kommunikation im Social Web betrifft (Bsp. könnte etwa die FAZ sein, deren Redakteure immer zahlreicher im Netz präsent sind) …“

    Letzteres sprichst Du an und stellst ihm auch gegenüber, daß Google sich eben nicht mehr darauf beziehen kann, dass sich die User wie in Foren gegenseitig zuerst helfen bvor dann der Admin kommt. Warum? Weil sich Google mit immer mehr Produkten an uns wendet.

    Und dabei kommt das Kundenmanagement zu kurz. Und das geht Facebook genauso wie auch Twitter, Linkedin usw. Es scheint ein Grundding zu sein, nur die FAQs reinzusetzen und ne Mailadresse zu hinterlegen, wobei man auch nicht jeden Support mit dem anderen vergleichen darf.

    Ich bin ebenfalls auf den Geschmack von Google gekommen so wie Du und sehe aber auch das Problem, das die Googler ihre Haltung ändern müssen. Da muss mehr Personal ran, was die Tools kennt und hier oder in G+ usw. sich den Usern direkt annimmt, in der Art, wie es Stefan macht. Aber einer ist das definitiv zu wenig zumal er PR ist und kein Produktmanager, Engineer oder gar CRM.

    Hoffen wir auf Veränderungen.

    Viele Grüße

    Johannes

  3. Laura

    Tja…google+ soll ein großer Netz werden, hoffe aber, dass sich manches auch ändert. Es gibt noch Unsicherheiten bei denen, die Lösung brauchen.

  4. […] “Google und das Problem mit den Kunden” – Don Dahlmann betrachtet Googles Reaktionen auf die Pseudonymdiskussion. […]

  5. Ich hoffe sehr, dass sich da noch was tut. Google ist toll, so lange alles funktioniert. Sobald man aber ein Problem hat, gehen die Schwierigkeiten los. Die müssen was an ihrer Kommunikation ändern, wenn sie auf der „guten Seite“ bleiben wollen.

  6. Bravo für die Kernanalyse zu Kunden/Usern.
    Google sollte/muss sich beim Trilliarden-Kunden-Support etwas ähnlich Konkretes einfallen lassen wie die Knowledge Base von Microsoft, Sun oder IBM.
    Der bisherige Google-Support ist sofort schlecht, wenn es um mehr als das Promoten von ‚Geht/Geht nicht‘ Produktfeatures geht.
    Und ja, ‚eat your own dogfood‘ ist ein bewährter Ansatz.

  7. Kurz und knapp: Ein sehr guter Beitrag. Die Entwicklung läuft wahrscheinlich viel zu rasant ab für Google.

  8. […] nehme ich die Äußerungen von Don Dahlmann auf, der letzte Woche in seinem gleichnamigen Blog u.a. schrieb: “Doch aus den Nerd-Usern […]

  9. […] seiner digitalen Identität beraubt wurde. Und User oder Kunde – das ist schon ein Unterschied, wie Don Dahlmann angemerkt hat: Google hat User, aber keine Kunden. User sind es gewohnt in Foren mit […]

  10. Klang

    Wenn es nichts kostet bist Du nicht Kunde, sondern das Produkt. So einfach ist das. Der Trick ist, einen echten Gewinn zu bieten, etwas wirklich sinnvolles, so dass man seine Daten gerne gibt. Finde ich noch nicht mal schlimm, wenn man weiß, was man tut.
    Ich würde jedenfalls die Kundenkommunikation nicht beklagen, denn die findet woanders statt.

  11. Rodger

    Hallo, die Erfahrungen mit Adsense kann ich vollauf bestätigen. Ohne Nennung von Gründen und ohne, dass ich gegen irgendeine Regel verstoßen hätte, wurde das Konto einfach gesperrt. Eine Kommunikation mit Google war einfach unmöglich, Antworten auf Rückfragen – Fehlanzeige. Wahrscheinlich muss man einfach damit leben. Zum Thema G+ … generell habe ich kein Problem damit, den realen Namen zu nennen und wenn die Regeln so sind, kann ich ja vorher entscheiden, ob ich abstimme oder eben nicht. Grüße Rodger

  12. Depa

    Letzteres sprichst Du an und stellst ihm auch gegenüber, daß Google sich eben nicht mehr darauf beziehen kann, dass sich die User wie in Foren gegenseitig zuerst helfen bvor dann der Admin kommt. Warum? Weil sich Google mit immer mehr Produkten an uns wendet.

  13. Auch ich muss sagen ,dass der Beitrag wirklich sehr produktiv war. Du sprichst mir aus der Seele. Fazit: Alles bestens ;-)

    Schönen Sonntag dir und viel Erfolg mit deinem Blog.

    Grüße

  14. Steffi

    Ich denke auch, dass es Google vermutlich einfach nicht möglich ist, die große Menge an Anfragen bis ins Detail zu bearbeiten…
    Vielleicht erst das Grobe und wenn dann noch was kommt, wird genauer darauf eingegangen.