Spanien und die Medien

In Spanien passiert gerade das, wovor die meisten Regierungen in Europa Angst haben. Die Bevölkerung ist sauer über den Sparkurs. Nicht weil gespart werden muss, das ist eine Sache. Sondern weil es viele Menschen offenbar nicht mehr einsehen, dass man Banken und Versicherungen rettet, dass man Abermillionen in ein System rein steckt, dass man nicht versteht, nicht verstehen kann, während man selber arbeitslos ist, keine Zukunft hat, mit Billig-Löhnen abgespeist wird, die durch die Inflation immer lächerlicher werden und steigende Mieten dafür sorgen, dass man gar nichts mehr hat. Wer geglaubt hat, nur die „faulen Griechen“ seien so uneinsichtig, wird offenbar gerade eines besseren belehrt. Aber das ist ja nicht weiter überraschend. Auch nicht, dass nicht ein paar Leute sind, sondern sehr, sehr viele Menschen.

Überraschend ist hingegen. dass die dann doch massiven Proteste in Deutschland bisher von kaum einem Medium aufgegriffen wurde. Während zum Beispiel in China ein paar Dutzend Menschen vor einem Platz schon als „Demonstration für Demokratie und Freiheit“ gelten, werden die Massendemos in Spanien komplett ignoriert. Das ist mittlerweile sogar Meedia aufgefallen. [Update: Gerade diesen Artikel hier veröffentlicht, da kommt Sponline mit einem Bericht]

Nun kann man sagen, dass die Demonstrationen in Spanien nicht gerade so wichtig sind, das sie in die Tagesschau gehören, die mit ihrem „In 15 Minuten die Welt erklären“ sowieso noch mit einem Konzept unterwegs ist, dass so nicht mehr funktionieren kann. Das aber die Online-Medien an der Stelle ebenfalls kläglich versagen, ist dann doch enttäuschend. Twitter und Facebook sind seit dem Wochenende voll mit Hashtags wie #spanishrevolution (was jetzt auch ein wenig übertrieben ist) oder #acampadasol (die spanische Variante) und immerhin hatte es ein Foto der Demonstrationen schon auf die Titelseite der „Washington Post“ geschafft (pdf). Es kann also kaum sein, dass die Redaktionen es nicht bemerkt haben.

Aber offenbar empfindet man es nicht als wichtig genug, damit es neben Kachelmann, Strauss-Kahn, „Rente mit 69“ und „Aufruhr in Syrien“ bestehen kann. Das ist einerseits verständlich, andererseits auch nicht, denn in Spanien geht es, wie schon vorher in Griechenland im Grund nicht nur um die Sparmaßnahmen alleine, die sich gerade in bestimmten Bereichen der Gesellschaft auswirken. Es geht auch nicht generell gegen Europa. Es geht wohl eher darum, dass man nicht verstehen kann, wieso die Politik nach der Ansicht der Demonstranten ein Jahrzehnt lang ein System unterstützt hat, von dem man zumindest ahnen konnte, dass es auf Dauer nicht gut gehen konnte. Und warum man versucht, dieses System zu retten, statt die Fehler auszutreiben. Die Frage wäre: Würden die Menschen in Griechenland, Spanien, Irland und vielleicht demnächst auch in anderen Ländern wie Portugal oder Italien die Sparmaßnahmen unterstützen, wenn sie das Gefühl hätten, das der wild gewordene Bankensektor umstrukturiert wird? Aber all das wird im Moment nicht diskutiert. Dabei hätten diese Fragen auch durchaus in Deutschland ihren Platz.

8 Antworten zu „Spanien und die Medien“

  1. Genau das ist es: die Angst vor den Antworten auf das Warum. Die Antworten einer europäischen Politik sind so komplex geworden, dass sie scheinbar auch die Politiker nicht mehr erklären können. Und offenbar auch die handelsüblichen Medien nicht. Weil es solche Blogs wie diesen gibt und die Links dazu auf Twitter kann ich jedem nur raten, sich auf diese Weise zu informieren!

  2. Nun, so komplex ist die europäische Politik nicht:
    01 – Es gibt keine europäische Politik.
    02 – Eine Gemeinschaft, in der jeder nur an sich denkt, ist keine Gemeinschaft.
    03 – Geld, was man nicht hat, kann man nicht ausgeben.

  3. Von den deutschen Medien wurden/werden die Demonstration der Griechen gegen die Sparpläne auch kaum beachtet. Wenn ich ehrlich bin, ärgert mich dieser plötzliche Aktionismus hinsichtlich der spanischen „Revolte“ auf Twitter und Co. Das Land ist halt etwas hipper, Barcelona den Leute mehr wert als Athen eben. Oder haben wir bei den Griechen möglicherweise doch zuviel kollektives schlechtes Gewissen, weil die breite Bevölkerung zu wenig Interesse daran hat, wie sehr sich Deutschland dort „versündigt“ hat?

  4. Nun, es scheint, als ob die politische und wirtschaftliche Elite sich weitgehend von der Basis entfernt hat und diese nicht kennt, nicht versteht, nicht an ihr interessiert ist, es sei denn als Zielgruppe, Kunde, Käufer, Wähler – also zum eigenen Nutzen.
    Es ist beängstigend, wie wenig sich im Finanzsystem geändert hat. Die nächste Blase bläst sich ja schon wieder auf (denke dabei an den superteuren Kauf von Skype, ein Unternehmen, das rote Zahlen schreibt).

  5. Die Deutschen Medien vertuschen einiges…ein weiteres Beispiel ist auch das Ereignis mit Japan, darum kümmert sich nun fast keiner mehr. Man sollte mal bedenken, dass dieses Ereignis Japan nicht nur für dieses Jahr erhebliche Schäden auswirkt sondern für die nächsten 1000 Jahre.
    Zu Spanien zurück, wenn Spanien Sparmaßnahmen einberufen muss, dann macht das Spanien einfach, da hat die Bevölkerung relativ wenig mit zureden.

  6. anonym

    Ich gebe zu, daß ich mich um die Ereignisse in Griechenland nicht besonders gekümmert habe. Auch deshalb, weil ich das Land nicht weiter kenne.

    Was mir aber aufgefallen ist: Wenn von Europa die Rede ist, dann findet die Politik immer schnell pathetische Töne und behauptet, das Thema sei in der Vergangenheit „den Bürgern“ nur nicht ausreichend „kommuniziert“ worden. (Daran hat sich dann regelmäßig nach einer solchen Aussage nichts geändert.) Unverständlich und ekelhaft war in diesen Zusammenhang – eben weil es um Europa geht -, wie hier lange Zeit, bis heute im Grunde, Griechenland und seine Bewohner von den deutschen Medien und der Politik niedergemacht wurden. Die Politik scheint inzwischen derart verkommen zu sein, daß es ihr selbst gar nicht mehr auffällt, was sie da eigentlich äußert. Europa als ein Haufen krimineller Idioten – vielen Dank.

  7. Ich würde mich Ralf Schwartz anschließen. Schöner Artikel. Liebe Grüße

  8. vom grundsatz teile ich die meinung in ihrem artikel ABER mit so einer plattitüde anzufangen: „…dass man Abermillionen in ein System rein steckt, dass man nicht versteht, nicht verstehen kann, während man selber arbeitslos ist…“ – das kann ja nun nicht funktionieren. wenn man nix hat kann man das auch nirgendwo rein stecken. sie meinen in ihrem ersten halbsatz aber sicher das prinzip, nachdem die politische klasse in europa derzeit handelt. die haben aber den vorteil, dass sie notenpressen haben…