Der Launch von Google Music ist nicht weiter überraschend. Auch nicht, dass die Musikindustrie, wie schon bei Amazon, hyperventiliert. Interessant ist aber, dass sowohl Amazon, als auch Google ihr Projekt nicht einfach so online geschoben haben, sondern wohl lange mit den Labels verhandelt haben. Google hat offenbar die Lust verloren, sich weiter mit der Musik-Industrie zu unterhalten. Jamie Rosenberg, der für die Strategie der digitalen Inhalte bei Android zuständig ist, meinte gegenüber dem „Wall Street Journal“ nur trocken:
„Unfortunately, a couple of the major labels were less focused on the innovative vision that we put forward, and more interested in an unreasonable and unsustainable set of business terms,“
Nun gut, Google und die Musikindustrie sind eh zwei Bekannte, die sich gerne in den Haaren liegen. Über die Google Suche konnte man früher recht einfach per mit einer Suche wie „Madonna filetype:mp3“ vor allem offene Seitenindexe abgrasen und gefahrlos mp3s runter laden. Das hat Google nach einigen Beschwerden abgestellt. Neulich forderte die Industrie auch, dass Google Seiten aus dem Index entfernt, über die man Angebote wie „rapidshare“ nach Musik durch suchen kann. Da ist allerdings noch nichts passiert und wenn man eine Suche wie „Madonna filetype:rar“, wird man immer noch fündig. Offenbar hat Google die Lust verloren, weiter an seinem Index herum zu fummeln, damit die Musikindustrie, mit der man jetzt nicht so viel zu tun hat, weiter Ruhe gibt.
Google Music und Amazon Music sind zwei Dienste, die es im Prinzip nur zulassen, dass man mp3s in einen Cloudspeicher schiebt und von dort abrufen kann. Das geht bei beiden Anbietern nur mit Android Handys. Google verspricht aber, im Gegensatz zu Amazon, „große Freiheiten“ bei der Verwaltung der Musik. Also keine DRM-Beschränkung, wie bei iTunes teilweise mal vorhanden war/ist. Ob man innerhalb seines digitalen Umfeldes dann auch die Musik verteilen kann, ist dann eine andere Sache, die noch nicht klar ist.
Die Industrie hat zwei Gründe, warum man das Angebot nicht mag. Zum einen hat man Angst, dass der „wilden“ Weitergabe von Musik dann Tür und Tor geöffnet sind, da ein physischer Austausch der Dateien recht einfach ist. Auch wenn der von Google nicht vorgesehen ist, sollte es leicht sein, ein anonymes Konto aufzumachen, dessen Login man an Freunde verteilt, die sich dann bedienen können. Die andere Sache ist, dass die Industrie gerne Geld dafür hätte, dass Google und Amazon den Speicherplatz anbieten. Sie sehen die Dienste als „Verteilstationen“, ähnlicher einer Jukebox, für die man halt eine Lizenzgebühr zahlen muss. Soweit ich das verstanden habe, waren sowohl Amazon als auch Google durchaus bereit über Kompensationen zu reden, aber nicht über Lizenzgebühren. Die Gefahr wäre, dass die Industrie diese Gebühren kontrolliert und mehr oder weniger nach Belieben anheben kann, was das Geschäftsmodell gefährden würde. Das Geschäftsmodell mit den Radios läuft einer ähnlichen Basis, was schon mehrfach dazu geführt hat, dass einige Radiosender bei unglücklich verlaufenden Verhandlungen über die Lizenzzahlungen von Labels ausgesperrt wurden, bzw. bestimmte Label nicht mehr spielten. Daher stellen sich Amazon und Google auf den Standpunkt, bei dem Speicherplatz handele es sich nur um die Online-Version einer externen Festplatte.
Dass die Industrie mal wieder mit Schaum vor dem Mund unterwegs ist, wundert dann schon insofern, denn Google bietet diese „externe Festplatte“ schon länger in Form von Google Docs an. Dort kann man seit geraumer Zeit jede Datei hochladen, die man möchte und diese dann für andere freigeben. Und für 50 Dollar im Jahr bekommt man bei Google 200 GB Speicher. Natürlich fehlt ihr die Streaming-Funktion, aber was die Handhabung angeht, macht Google schon seit Jahren genau das, worüber sich die Industrie gerade aufregt. Auch für die „Dropbox“ gibt es mittlerweile Lösungen, die in die Richtung gehen.
Die Industrie stemmt sich im Prinzip weiter gegen jede Form der Digitalisierung und hätte gerne die 90er Jahre wieder. Minus Napster, versteht sich. Es ist erstaunlich, wie borniert man auf zum Teil völlig überholten Geschäftspraktiken besteht. Auf die Idee, dass man einen Streaming-Dienst auch selber anbieten könnte, ist nur Sony gekommen, deren Netzwerk „Qriocity“ aber gerade bekanntermaßen einen kleinen Einbruch zu verkraften hat. Und so mutig, dass man WLAN-fähige Walkman oder die Sony Ericsson Handys mit ins Netzwerk eingebunden hätte war Sony dann doch nicht. Immerhin geht es mit den Sony Laptops.
Alle anderen Labels haben nichts dergleichen. Sie sind nicht mal auf die Idee gekommen, so etwas anzubieten. Genauso, wie man sich jahrelang gegen einen Verkauf der Musik in digitaler Form im Netz gewehrt hat, genauso versagt man weiter auf ganzer Front, wenn es um Streamingdienste geht. Warum man nicht selber auf die Idee kommen ist, die eigenen Angebote auf einer eigenen, selbst kontrollierten Plattform über eine App den Kunden, die die Musik gekauft haben, zur Verfügung zu stellen? Keine Ahnung – eigentlich hätte man nach dem Desaster mit iTunes klüger sein müssen, aber die Hoffnung, dass in der Industrie so etwas wie „Vernunft“ oder „Zukunftsvision“ Einzug hält, kann man wohl komplett vergessen.
Bisher gab es keine richtigen Gegner der Musikindustrie, auch wegen der wirtschaftlichen Verflechtungen der Konzerne untereinander. Vor ein paar Jahren musste Apple noch viel über sich ergehen lassen, damit man überhaupt einen Online-Store ins Netz bekam, auf dessen Erfolg dann wieder Apple aufbauen konnte. Mittlerweile ist Apple stark genug sich gegen die Labels durchzusetzen, aber Google bildet zusammen mit Amazon noch mal eine ganz andere Liga.
Zum einen hat Google, wie schon erwähnt, relativ wenig mit der Musikindustrie zu tun. Amazon schon deutlich mehr, aber da Amazon als Großhändler von CDs, DVDs und m3s weltweit vermutlich eine Spitzenposition einnimmt, wäre der Ausgang eines Konfliktes für die Labels mehr als Ungewiss. Dazu kommt, dass der Marktwert der Labels, verglichen mit Amazon, Google oder Apple, geradezu lächerlich ist. Skype ist gerade für rund 8,5 Milliarden Dollar über den Tisch gegangen, das renommierte Label „Warner“ war vor ein paar Tagen gerade mal 3.2 Milliarden wert und es handelt sich immerhin um das drittgrößte Label der Welt.
Und richtig lustig für die Musikindustrie wird es dann, wenn Facebook in den Markt einsteigt, was angesichts der Konkurrenz von Google vermutlich nur eine Frage der Zeit ist. Wenn Facebook seinen 600 Millionen Usern für 50 Dollar im Jahr Gigabyteweise Speicher zum Musikstreamen anbietet, die über die Facebook App abrufbar sind, ist der Zug komplett abgefahren.
Oder anders ausgedrückt: Die Zeiten, in denen die Musikindustrie per Marktabsprachen, DRM, Rootkit und anderen Spielereien den Markt beherrscht haben, sind vorbei. Endgültig.
9 Antworten zu „Google & Amazon vs. Musikindustrie“
Mmhja. Einen Punkt verstehe ich noch nicht. Warum sollte man gigabyteweise eigene Musik in die Cloud schaufeln?
Sinn macht das doch nur, wenn tatsächlich die Möglichkeit zur Frei- bzw. Weitergabe besteht, oder?
Selber hätte ich jedenfalls eher selten Bedarf meine Musik aus der Cloud zu hören. Gut, es mag mobilere Menschen geben, die jede Nacht woanders verbringen, aber: Haben die nicht genug Speicherplatz auf ihrem mp3-Player (ja, die kleinen NAND-iPods mögen da etwas knapp sein, noch …)?
Als Vorteil der Cloud würden mir aus Nutzersicht neben der Verfügbarkeit evtl. noch die (hoffentlich selbstverständliche) zuverlässige Datensicherung durch den Speicheranbieter sehen. Dafür hat man bei einer kompletten Auslagerung das Problem „always on“ sein zu müssen. Und da sind wir schneller beim Thema Netzneutralität, als Google und Co lieb sein dürfte.
Die Speicherung wäre mich auch der Grund einen solchen Dienst zu wählen, bzw. dafür zu bezahlen. Das Problem bei mobilen Streaming sind ja immer noch die „Flatrates“, es wird also nicht „on the go“ gehen. Wohl aber, wenn man unterwegs ist und per WLAN Musik von rechts nach links schaufeln will. Auch kann man so leichter Musik kaufen, weil kein physischer Download mehr anfällt. Hören geht dann halt wieder nur per WLAN auf dem Handy.
Und natürlich geht es um die leichtere Verfügbarkeit von Musik, die ich gekauft habe. Wenn Facebook so einen Dienst anbieten würde, macht es nur Sinn, wenn ich die Musik dann auch mit anderen teilen kann, also innerhalb meiner Timeline einbinde. Das ist rechtliches Neuland und wird spannend zu sehen sein, wie die Gerichte da entscheiden.
[…] Gute Analyse RT @DonDahlmann: Neuer Blogbeitrag: Google & Amazon vs. Musikindustrie http://www.dondahlmann.de/?p=1009+++++3 hours ago […]
http://www.techdirt.com/articles/20110506/18425714192/bmi-says-single-person-listening-to-his-own-music-via-cloud-is-public-performance.shtml
Gute Analyse. Mir fiel spontan eine Pressemeldung aus den 90ern ein, in der der Kopf der Musikindustrie (ich finde leider keine Referenz mehr zu der Meldung) in den USA verlauten lies, man werde notfalls jeden Internet User einzeln verklagen, der sich mit der Musikindustrie anlegen wollte(Napster & Co liessen grüssen).
Es ist erstaunlich, wie eine so einfluss*reich*e Industrie es geschafft hat, sich nahezu zwei Jahrzehnte konsequent der (virtuellen) Realität zu verweigern. Die einzig erkennbare „Kreativität“ besteht in immer neuen Klagen gegen alles und jeden.
Der Nutzen von Google Music erschließt sich mir nicht ganz, das scheint wohl eher für eine Generation von Usern(zu der ich nicht mehr gehören werde) gedacht, die mit vielerlei Gerätschaften im Netz unterwegs ist und immer nur Teile des Musikbestandes auf dem aktuellen Device hat bzw. das aktuelle Device dann gar nichts mehr speichert sondern einfach nur online abspielt. Auch die Frage, inwiefern das überhaupt juristisch haltbar ist (meinen Account können ja auch andere mit meinen oder ihren Geräten nutzen) bzw. das ganze nicht schnell zu einem „private napster“ mutiert und nur wieder endlose Streitereien vor Gericht produziert.
Mittlerweile kriege ich Pickel wenn allerorten mit dem Begriff „Cloud“ rumhantiert wird, als ob damit per se irgendein besonderer Vorteil für den User verbunden sei. Wie man am Beispiel Google und Amazon sehen konnte, fallen Rechenzentren aus, auch wenn sie jetzt Cloud heißen bzw. Teile einer Cloud sind. Das könnte sogar passieren wenn Musik von „Clout“ drin abgespeichert ist. Wenn kein „Substitute“ da ist, dann verdunkeln sich die Wolken eben sehr schnell.
Man mag auch angesichts der aktuellen Bewertungen($$$) von Google, Facebook und Co gerne mal darüber nachdenken, ob nicht eine der großen Internetfirmen endlich auf die Idee kommt, sich so ein bockiges kleines Label einfach per Akquise einzuverleiben um die endlosen Juristereien im Keim zu ersticken. Danach könnte sich zeigen, was wirklich im Internet funktioniert in Sachen Musik und was nicht.
Danke fürs Lob…
Zur Cloud Sache: Ich kenne viele, die ihre CD-Sammlung mittlerweile komplett gerippt haben und die CDs haben sie verkauft. Ich bringe das auch nicht übers Herz, aber ich hab ja auch noch Vinyl im Schrank stehen.
Zum Kauf eines Labels durch Amazon: Warum sollten die das tun? Ich kann mir vorstellen, dass Amazon am Backkatalog von EMI oder Warner Interesse hat, weil man den noch verkaufen kann. Aber was soll man mit dem Rest den Firma? Kann man eigentlich nur an einen Konzertveranstalter weiter verkaufen.
„Warum sollten die das tun?“
Gute Frage – beim Kaufen dachte ich auch in erster Linie an die großen Backkataloge, die dann viel einfacher und profitabler direkt zu vertreiben wären. Ob das alleine ausreicht, ein Label wie Warner zu kaufen, weiß ich nicht. Da müssten vermutlich neue Vertriebswege(z.B. wie komme ich als Amazon auch in die Platten/CD-Läden?) hinzukommen, das wiederum scheint mir nicht mehr allzu abwegig.
Dass Amazon sich mit der Vermarktung von Lady Gaga befassen will, glaube ich allerdings auch nicht ;-)
@DonDahlmann
Ich glaube weniger, dass Amazon eines der Mainstream Labels übernimmt, ich könnte mir viel eher vorstellen, dass Sie einen eigenen „Vertriebsdienst“ starten. In der Vergangenheit war es schon mehrmals so, dass Amazon sein im Kerngeschäft erworbenes wissen zu einem eigenen Dienst ausgebaut hat, siehe Amazon S3.
Interessanter Beitrag. Allerdings glaube ich nicht, dass sich die Musikindustrie wirklich effizient gegen „die wilde Weitergabe“ von Musik wehren kann. Ich bin hier gerade in Südamerika und hier gibt es die neuesten Filme und die aktuellste Musik als Raubkopien für umgerechnet 2 Euro zu kaufen und das in bester Qualität. Und auch die entsprechenden Tauschbörsen im Internet erfreuen sich größter Beliebtheit und da hilft auch keine Androhung von Strafen. Der Nutzer weiß einfach, dass es bei einer derart großen Anzahl von Usern einfach unmöglich ist, jeden zu bestrafen. Grüße Rodger